Der als „Klimapater“ bekannt gewordene Nürnberger P. Jörg Alt unterstützt die Bewegung „Letzte Generation“ bei ihren radikalen Protestaktionen. Was treibt ihn an?
von Andreas Haller
Nach den aufsehenerregenden Straßenblockaden in Deutschland und Österreich, bei denen sich Aktivist:innen auf dem Straßenbelag festgeklebt hatten, steht die Umweltschutzbewegung „Letzte Generation“ im Kreuzfeuer der Kritik. Unterstützung bekommen die Klimaktivist:innen von Jesuitenpater Jörg Alt, der mit pointierten Aussagen auf ihre Anliegen aufmerksam macht. Die Dreikönigsaktion Vorarlberg hat den Nürnberger Migrationssoziologen und Sozialethiker kürzlich zu einer Online-Diskussionsrunde eingeladen, um mit ihm u. a. über seine Beweggründe und die Rolle der Kirche in der Klimadebatte zu sprechen.
Sündenböcke
Im Gespräch mit P. Jörg Alt merkt man schnell, dass für ihn die Zeit der Diskussionen und Kampagnen vorbei ist und es ihm darum geht, „ins Handeln zu kommen“ – und das auch mit radikalen Methoden: „Was soll ich sonst tun, was nicht bereits in den letzten 40 Jahren vergeblich versucht worden ist?“ Mit den Straßenblockaden wolle man die Verkehrswende voranbringen. Für P. Alt gehe es nicht darum, andere Autos, also z. B. E-Autos, zu produzieren, sondern dass insgesamt weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind und im Gegenzug der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Dass die Klimaaktivist:innen deswegen so sehr kritisiert werden, kann der Geistliche nicht nachvollziehen. P. Alt beklagt, dass dies ein typisches Sündenbockdenken ist, das versucht, vom eigentlichen Problem abzulenken. „Die Kriminellen sind andere“, erklärt der 61-Jährige. Er sei offen für „bessere Vorschläge“, solange sie wirksam sind und die knappe Zeit berücksichtigen. Dabei bezieht sich P. Alt auf den aktuellen Bericht des Weltklimarates, der eine Trendwende beim Emissionsausstoß in den nächsten drei Jahren fordert, um eine Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad zu verhindern.
Augenöffner
Als „Augenöffner“ nennt P. Alt die „Fridays For Future“-Bewegung, die vor allem vor der Coronapandemie mit friedlichen Protesten großen Zulauf hatte. „Meine erste Reaktion als alter weißer Mann war natürlich: Was fällt diesen Fratzen ein, hier einfach die Schule zu schwänzen und auf die Straße zu gehen? Und die kritisierten ja letztlich auch meine Arbeit. Ich hatte mich ja schon seit Jahren für Klimagerechtigkeit eingesetzt und immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fluchtbewegungen aufgrund des Klimawandels zunehmen werden.“ Die jungen Aktivisten hätten ihm letztlich erklärt, was Kipppunkte im Klimasystem bedeuten – also jene Schwellenwerte, bei denen geringe Veränderungen im System große Auswirkungen auf das Klima haben können. „Naturgesetze richten sich nun mal nicht nach Absichtserklärungen und politischen Programmen.“ Erst da sei ihm klargeworden, wie verzweifelt diese jungen Menschen „angesichts der Zukunft, die da auf sie zurollt“, sind. Besonders imponiert hätte ihm dabei die entschlossene, aber gleichzeitig gewaltlose Haltung, die sie in dieser schwierigen Situation an den Tag legten.
Rolle der Kirche
Seine Teilnahme an den Protesten hat auch die Debatte über die Rolle der Kirchen in Klimaschutzfragen angestoßen. „Im Prinzip wollen diese jungen Leute ja das, was die Jesuiten auch wollen: Soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Einsatz für den globalen Süden.“ Von der Kirche wünscht er sich insgesamt deutlichere Worte. Gerade die katholische Kirche mit ihrem Netzwerk im globalen Süden sei prädestiniert dafür, noch stärker auf die Dringlichkeit aufmerksam zu machen.
Die Dreikönigsaktion, das Hilfswerk der Katholischen Jungschar, ist neben der Koordination der österreichweiten Sternsingeraktion für die fachlich fundierte Vergabe der gesammelten Spendengelder zuständig. Förderung von Kindern und Jugendlichen, Bildung, Sicherung von Nahrung, Trinkwasser und medizinischer Versorgung, Wahrung der Menschenrechte und Pastoralarbeit als Dienst der Kirche an den Schwächsten: In rund 500 Projekten aus diesen Bereichen werden über eine Million Menschen in den Armutsregionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas direkt erreicht. Dabei arbeitet die Dreikönigsaktion mit zuverlässigen Partnerorganisationen vor Ort zusammen.
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