Die Fußball-WM in Katar wirft ihre dunklen Schatten voraus. Berichte über Tausende tote Gastarbeiter und Korruption beim Vergabeverfahren lassen den Wüstenstaat und den Weltfußballverband Fifa in einem zweifelhaften Licht erscheinen. Können Fans noch guten Gewissens bei den Spielen mitfiebern?

Eigentlich sollte es ein Prestigeprojekt werden, um das Image aufzupolieren. Als Katar im Jahr 2010 den Zuschlag für die Austragung der Fußball-WM bekommen hat, war allerdings das Staunen und mancherorts das Entsetzen groß. Ein autokratisch regiertes Land, das weder die klimatischen Bedingungen erfüllt, noch eine nennenswerte Fußballtradition vorweisen kann, soll eines der wichtigsten Sportereignisse der Welt austragen. „Katar hätte damals nicht einmal auf der Kandidatenliste stehen dürfen“, sagt Michael Wögerer. Der Projektleiter beim Verein „weltumspannend arbeiten“ sprach kürzlich im Clubheim des SCR Altach bei den "Werkstattgesprächen" über das am 20. November beginnende Turnier, das seit Jahren polarisiert wie kein anderes davor. „Man hätte im Vorfeld definieren müssen, welche Länder sich überhaupt eignen, z.B. hinsichtlich Menschenrechte.“ Reiche Länder besitzen zwar die finanziellen Mittel und können die notwendigen Fußballstadien „aus dem Boden stampfen“, aber es sollten noch andere Kriterien ausschlaggebend sein. Dahingehend sei allerdings eine Abwärtsspirale erkennbar. „Nach den Weltmeisterschaften in Brasilien 2014 und Russland 2018 hat jetzt die Fifa mit dem Emirat Katar den Bogen eindeutig überspannt“, so Wögerer. Auch SCR-Altach-Geschäftsführer Christoph Längle sah bei der Diskussionsrunde den derzeitigen Fokus auf das große Geld und die damit einhergehende Kommerzialisierung des Sports kritisch: „Gewissen dürfte bei der Fifa keine Charaktereigenschaft sein. Man kann nur hoffen und Druck ausüben, dass künftig solche Vergaben nicht mehr möglich sind.“

Sportswashing

Warum aber investiert der Wüstenstaat überhaupt bis zu 200 Milliarden in die Austragung der Fußball-WM? Für Wögerer ist der Grund offensichtlich: Sportswashing. Ähnlich dem Greenwashing, mit dem Unternehmen versuchen, sich mit werbewirksamen Aktionen ein umweltbewusstes Image zu verpassen, soll auch das Sportswashing für ein positives Bild sorgen. Neben großzügigem Sponsoring für Spitzenklubs wie den FC Barcelona, FC Bayern München und Paris St. Germain ist für Katar die WM 2022 ein zentrales Element dieser Strategie. Auch deshalb war die Bewerbung auf höchster politischer Ebene angesiedelt – und wurde laut Medienberichten mit fragwürdigen Geldflüssen forciert.

Todesfälle auf Baustellen

Doch nicht nur Korruptionsvorwürfe kratzen gehörig am Lack von Fifa und Katar, auch die unmenschlichen und mitunter tödlichen Arbeitsbedingungen für die asiatischen und afrikanischen Arbeitsmigranten auf den WM-Baustellen sorgen für Negativschlagzeilen. Extreme Hitze, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, kaum Pausen sowie erbärmliche Bedingungen in den Unterkünften verursachten laut Menschenrechtsorganisationen bis zu 6.500 Todesfälle. Ermöglicht wird dies durch das im arabischen Raum weit verbreitete Kafala-System, das es Arbeitgebern in Katar erlaubt, Arbeitskräfte auszubeuten, ihnen die Pässe zu entziehen und sie gegen einen geringen Lohn mehr als zwölf Stunden am Tag arbeiten zu lassen. Nach weltweiten Protesten lenkte Katar zwar ein und untersagte die sklavenählichen Bedingungen. „Allerdings wird sich erst zeigen, ob diese Reformen Bestand haben, wenn die Kameras nach der WM wieder abgebaut werden“, so Wögerer und ergänzt: „Obwohl Katar so viel Geld hat, ist es nicht in der Lage, die Menschen auf den Baustellen ordentlich zu entlohnen. Das toppt die Perversion dieser Situation.“

„Beste WM aller Zeiten“

Katar selbst sieht sich indes kurz vor Beginn der Fußball-WM  als Opfer einer „beispiellosen Kampagne und Doppelmoral“. Vergleichbares habe noch kein Gastgeberland erlebt, sagte Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani. Auch Fifa-Präsident Gianni Infantino sieht wenig Grund für Selbstkritik und meinte kürzlich, die WM in Katar werde „die beste aller Zeiten“ sein.