Vom 27. August bis 3. September findet zu Ehren des Diözesanpatrons Gebhard die Gebhardswoche statt. Wie immer wird seine Reliquie in dieser Zeit in der St. Gebhard-Kirche ausgestellt. Aus diesem Anlass beschäftigt sich das KirchenBlatt mit Reliquien: Weshalb sie verehrt werden, welche Bedeutung sie früher hatten und wie geprüft wird, ob sie echt sind.

Elisabeth Willi

Für Nicht-Katholik/innen mag die Verehrung von Reliquien ungewöhnlich oder gar seltsam erscheinen, handelt es sich hierbei doch um Knochen, Organe oder gar Holzsplitter eines Stocks, mit dem ein Heiliger erschlagen wurde. Ein Blick darauf, weshalb Reliquien verehrt werden, verschafft Verständnis und mehr Klarheit.

Józef Niewiadomski, Professor am Institut für Systematische Theologie an der Universität Innsbruck erklärt, dass es zwei Zugänge dazu gibt: „Reliquien sind urkatholisch, weil im Katholizismus - wie auch in der Orthodoxie - der Schwerpunkt auf die Menschwerdung Gottes gelegt ist. Das Wort ist Fleisch geworden. Das Wort ist flüchtig, aber der Leib ist etwas Konkretes, etwas zum Angreifen. Reliquien stehen für die Leiblichkeit der jeweiligen Person, und diese Person steht für die Inkarnation - die Menschwerdung Gottes.“ Die Verehrung des Leibes hat bereits während der Zeit der Frühkirche begonnen: „Die Körper der Märtyrer galten damals als besonders kostbar. Sie wurden bestattet und auf den Gräbern Eucharistie gefeiert. Übrig geblieben sind schließlich die Knochen“, sagt der Professor.

Der zweite Zugang ist der „allgemein menschliche“, wie Józef Niewiadomski es ausdrückt. „Menschen besitzen gerne etwas von Personen, die sie verehren. Nicht nur, aber auch in Krisenzeiten. Das war früher so, und ist es auch heute noch.“ Mit der Zeit haben Reliquien die Bedeutung erlangt, dass sie für die abwesende, verehrte Person stehen.

Geschichtliches

Im Mittelalter erlebte die Reliquienverehrung eine große Blüte, wie Diözesanarchivar Michael Fliri berichtet. Sie wurden damals auch „Heiltum“ genannt - die Menschen erwarteten sich Heil davon.Von Reliquien wurden im Mittelalter Herrschaftsansprüche abgeleitet, was im Begriff „Reichsreliquien“ zum Ausdruck kommt. „Wer im Besitz der heiligen Lanze war, durfte herrschen. Der Herrschaftsanspruch wurde durch die Reliquie direkt auf Christus zurückgeführt“, sagt Michael Fliri. Karl der Große und seine Nachfolger erhoben diesen Anspruch. Diese Reichs-, aber auch andere Reliquien, wurden öffentlich präsentiert, sie waren pompös in Gold gefasst. Für die Menschen des Mittelalters, die nicht lesen und schreiben konnten und keine vorgefertigten Bilder aus dem Fernsehen kannten, war dies ein sehr kraftvoller Anblick.

Mit dem Beginn der Neuzeit schwand die hohe Bedeutung von Reliquien. Von der Reformation wurden sie komplett abgelehnt - die Gegenreformation stellte sie umso mehr in den Vordergrund. Sie wurden möglichst prunkvoll eingebaut in das Gesamtbild der Kirche, das den Himmel auf Erden vorführen sollte. Die damals vorherrschende Reliquienfrömmigkeit hielt sich recht lange, erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahm sie deutlich ab. 

Echtheitszertifikat

Ein Splitter eines Knochens des Apostel Paulus. Wer dies und ähnliches hört, kann sich fragen: „Ist das überhaupt echt?“ Michael Fliri erklärt: „Jede echte Reliquie ist versiegelt und führt ein Echtheitszertifikat, die sogenannte Authentik, mit sich.“ Diese wurde von den zuständigen Stellen, an denen die Reliquien entnommen wurden, ausgestellt. Im Fall des Apostels Paulus zum Beispiel wäre dies der Kardinal, der für die römische Basilika St. Paul verantwortlich ist - vor deren Mauern befindet sich der Überlieferung nach das Grab des Apostels Paulus. Im Fall des seligen Carl Lampert, dessen Urne ebenfalls eine Reliquie ist, hat der Diözesanbischof - also Benno Elbs - die Authentik ausgestellt. Werden heutzutage Reliquien, die noch nicht bekannt sind, in Österreich gefunden, können sie zur Untersuchung zum Institut für Reliquien nach Wien geschickt werden. Wird dort die Echtheit festgestellt, kommt sie in Folge nach Rom zu einer neuerlichen Prüfung. Besteht sie auch diese, gilt sie als echt.

Die Sache mit dem Geld

Reliquien werden nicht für Geld verkauft. Dennoch: Im Laufe der Geschichte wurden oft genug Geschäfte damit gemacht. Die Reliquie selbst galt zwar als kostenlos, umso höher aber wurde der Preis für die Fassung und/oder den Transport veranschlagt.
Reliquien durften und dürfen eigentlich nur im kirchlichen Bereich weitergegeben werden. Aber auch in diesem Punkt hat die Realität das Gebot übertroffen: Immer wieder wurden und werden kleine Reliquien an Privatpersonen verkauft. Oft sind sie in Medaillons gefasst. Ein schönes Andenken an die verehrte Person.

Zur Sache

Es gibt verschiedene Arten von Reliquien: primäre, das sind Teile des Körpers, und sekundäre - ­letztere stammen aus dem Eigentum des/der Heiligen wie z.B. Kleidung, Bücher, die Brille, der Sarg etc. Die dritte Art sind sogenannte Berührreliquien. Das sind Gegenstände, die an eine Reliquie hingehalten und damit selbst zur einer werden. Waren sie früher weit verbreitet, gibt es sie heute kaum noch. Reliquien finden sich in jedem Altar, andere in Reliquienmonstranzen. In Vorarlbergs Kirchen wurde oft versucht, vom Kirchenpatron eine Reliquie zu erhalten oder zumindest etwas mit Regionalbezug. Manche Reliquien - wie das berühmte Turiner Grabtuch - werden zur Verehrung ausgesetzt. In Vorarlberg ist dies selten der Fall, hier werden v.a. die bekanntesten wie die Reliquien vom hl. Gebhard, hl. Fidelis, hl. Diedo, hl. Merbod und der hl. Ilga gezeigt.

Gebhardswoche und -fest

Do 27. August, 10 Uhr, festliche Eucharistiefeier mit Bischof Benno Elbs, im Burghof des Gebhardsbergs, bei Schlechtwetter in der Gebhardskirche, Bregenz.

Fr 28. August bis Do 3. September, 9 Uhr, täglich Eucharistiefeier, Kapelle St. Gebhard, Bregenz.

Es gelten die Corona-Schutzmaßnahmen: Desinfektion der Hände, Abstand halten sowie das Tragen einer Maske, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann.