Kolummne "Welt der Religionen" von Aglaia Poscher-Mika
„Jeder Mensch ist frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, besagt die internationale Erklärung der Menschenrechte. Was wäre wenn wir uns in Zeiten der wachsenden Diskriminierung von Minderheiten und Flüchtlingen öfters auf diese Grundlage des menschlichen Zusammenlebens besinnen würden? Hat ein Staat tatsächlich das Recht zu entscheiden, wer in einem Land leben darf und wer nicht? Oder gibt es höhere Verpflichtungen der Menschheit gegenüber, denen längst Folge zu leisten wäre, wenn wir an die vielen Schutz suchenden Menschen denken, die auf der Flucht sogar ihr Leben verlieren?
Nicht selten hat Diskriminierung religiöse Grundlagen - zumindest auf den ersten Blick. Insbesondere Islam und Christentum machen sich gegenseitig Angst. Muslimisch gläubige Flüchtlinge fürchten sich vor Christianisierung und Säkularisierung, während das Asyl gewährende Europa im Kampf gegen islamistisch motivierten Terrorismus ungeahnten Pauschalisierungen verfällt - sodass Ängste und Vorurteile genährt werden, die zu noch mehr Verwirrung führen. Denn die allermeisten Muslime wollen in Frieden mit ihren Nachbarn leben, und die allermeisten Flüchtlinge haben ihr Leben riskiert um dem zu entfliehen, was wir ihnen vorwerfen nach Europa mitzubringen: religiös-politische Radikalisierung und Gewalt.
„Imagine, there‘s no heaven“, singt John Lennon - „Stell dir vor, es gäbe kein Himmelreich.“ Zugegeben, die ersten Worte dieses Songs bereiten mir Unbehagen, denn als gläubiger Mensch würde ich mir keine Welt ohne Religion erträumen wollen. Doch der Text geht weiter: „Imagine there‘s no countries ... nothing to kill or die for, and no religion too. - Stell dir vor, es gäbe keine Nationen ... nichts, wofür wir töten oder sterben müssten, und auch keine Religion.“ Wenn hier politisch instrumentalisierte Religion gemeint ist, die mit dem Ursprung aller Religionen, nämlich der Liebe zu Gott und zu den Menschen, nichts mehr zu tun hat, rückt der Songtext in ein anderes Licht. Denn eine Religion, die Menschen ein Recht auf Existenz und Leben abspricht, ist reine Machtpolitik. Von Gott gewollt kann dagegen nur die Vielfalt der Menschheit sein, sowie die Offenheit, welche wir für ein friedliches Zusammenleben brauchen.
Aglaia Poscher-Mika, MMA
Beauftragte der KatholischenKirche Vorarlberg
für den Interreligiösen Dialog;
Musiktherapeutin, Sängerin, Stimmbildnerin.
aglaia.mika@kath-kirche-vorarlberg.at