Dass der Priestermangel auch der Diözese Feldkirch zu schaffen macht, ist nicht neu. Dass die Verantwortlichen darauf reagieren, ebenso nicht. Mit dem „Projekt Vorderland“ jedoch begibt sich die Diözese auf einen neuen Weg.

Walter Stampfl

Seit 2008 laufen intensive Gespräche im Hinblick auf neue Zukunftsperspektiven. Ein Jahr später begann mit dem „Pastoralgespräch: Die Wege der Pfarrgemeinden“ der Veränderungsprozess. Es entstanden Seelsorgeräume und Pfarrverbände - Seelsorgeräume vor allem in den Städten, Pfarrverbände mit bis zu 5 Pfarren im ländlichen Raum. Die Zahl der Einzelpfarren sinkt stetig, es werden wenige übrigbleiben. 2011 wurde ein Stellenplan für Priester und diözesan finanzierte Stellen - Diakone, Pastoralassistent/innen, etc. - mit Blick auf das Jahr 2025 erarbeitet, um personell für die Zukunft gewappnet zu sein. Dieser Stellenplan wird nicht halten, das zeigt sich schon jetzt. Die Entwicklungen in unserer Gesellschaft sind zu rasant.

Was tun?

Mit einer großen Priesterschwemme ist nicht zu rechnen. Das gilt auch für das Fachpersonal. Nun kann man diesen Stellenplan überarbeiten, und in ein paar Jahren wieder. Es können an den bestehenden Verbänden immer wieder Änderungen vorgenommen werden. Den verbleibenden Priestern können mehr Aufgaben zugeteilt werden. Doch Priester sind auch nur Menschen, und ihre Belastbarkeit ist begrenzt. Das können nicht die Lösungen sein. Neben der Personalnot sind auch die Finanzen ein Faktor. In Zeiten anhaltender Kirchenaustritte ist es wichtig, Aufgaben zusammenzulegen. Also was tun, um nicht von den gesellschaftlichen Entwicklungen überholt zu werden? Es müssen wohl neue Wege gegangen werden.

Projekt Vorderland

Mit dem Projekt Vorderland begibt sich die Diözese Feldkirch auf einen für sie neuen Weg. Das Projekt startete im September 2018. 10 Pfarren - Batschuns, Dafins, Fraxern, Klaus, Laterns, Muntlix, Röthis, Sulz, Viktorsberg und Weiler - sind beteiligt. Bis Pfingsten 2019 soll ein Konzept vorliegen. Der Startschuss für die Umsetzung ist für den Herbst geplant. „Pfarrverband“ scheint hier nicht das richtige Wort, da es sich um ein neues Modell handelt mit einem dann vielleicht neuen Namen. Ein Zielbild gibt es. Die Diözese orientiert sich auf diesem Weg am Bistum St. Gallen. Werfen wir einen Blick über die Grenze.

Damals, 2002

Im Jahr 2002 erließ der Bischof von St. Gallen Richtlinien zur Errichtung von sogenannten Seelsorgeeinheiten. Das Bistum setzte sich das Ziel, die Zukunft der Seelsorge im ganzen Bistum mit neuen Strukturen sicherzustellen. Der Prozess dauerte von 2003 bis 2015. Alle 142 Pfarren des Bistums sind seither in Seelsorge-Einheiten organisiert. Jede dieser Einheiten ist für sich eine öffentliche Rechtspersönlichkeit. Geleitet wird eine Seelsorgeeinheit vom Pastoralteam, welches sich aus den Personen zusammensetzt, die vom Bischof eine Beauftragung haben - Priester, Diakone, Pastoralassistent/innen, Religionspädagog/innen). Das Pastoralteam legt fest, was in seinem Gebiet geschieht. Es verteilt Aufgaben und Zuständigkeiten, plant die Gottesdienste und regelt in Zusammenarbeit mit den Pfarrgemeinden den Personalbereich. Dabei hat es eine große Gestaltungsfreiheit. Das Pastoralteam bestimmt auch sogenannte Ressortbeauftragte. Ein Ressort kann etwa die Firmvorbereitung sein. Der/die für dieses Ressort Beauftragte ist zusammen mit einem Team von Freiwilligen zuständig für die Firmvorbereitung in allen beteiligten Pfarren.

Ein anderes Beispiel dafür ist die Öffentlichkeitsarbeit. Weiters bestimmt das Pastoralteam aus seinem Kreis für jede Pfarre einen Pfarrbeauftragten. Dieser ist zuständig für seine Pfarre - für das Pfarrbüro, die Pfarrbücher, die Finanzen der Pfarre. Er ist die Ansprechperson für die Anliegen der Pfarre, die er im Pastoralteam vertritt. In jeder Seelsorgeeinheit kann es mehrere Priester geben, aber nur ein Priester hat die Befugnisse eines Pfarrers. Er ist der verantwortliche Priester. Für Amtshandlungen, die dem Pfarrer in besonderer Weise aufgetragen sind (Liturgie, Sakramente), braucht es für die Beschlüsse des Pastoralteams die Zustimmung des verantwortlichen Priesters.

Das Modell bringt eine starke Entlastung für die Priester im Bereich Verwaltung und Organisation. Große Aufgabengebiete wandern von den Priestern zu den Laien. Die Verantwortung wird aufgeteilt, und die Priester können sich auf die Seelsorge konzentrieren. Das setzt eine enge Zusammenarbeit zwischen Laien und Priestern voraus. Aber auch die Pfarren arbeiten zusammen mit gemeinsamen Zielen.

Von St. Gallen ins Vorderland

Dieser Weg wurde und wird im Bistum St. Gallen beschritten. Für das Projekt Vorderland ist das wie gesagt ein Zielbild. Zielbild bedeutet nicht, dass es so kommen muss oder soll. Das Ergebnis ist offen. Die zehn Pfarren des Vorderlandes sind derzeit in 2er-Pfarrverbänden organisiert. Gab es bisher außerhalb dieser Verbände nur wenig Berührungspunkte, so soll es in Zukunft mehr Gemeinsamkeiten geben. Die politischen Gemeinden in der Region arbeiten in der „Regio Vorderland“ schon länger zusammen, im Bereich Energie und Umwelt, im Baurecht und manchem mehr. Nun rücken auch die Pfarren zusammen. Selbst wenn man das nicht direkt vergleichen kann - etwas gilt für beide: Mehr Miteinander, ohne dabei die eigene Identität aufzugeben. Auf diese Identität, diese Wurzeln legt die Diözese großen Wert. Das betont Pastoralamtsleiter Martin Fenkart im Gespräch. „Gerade im ländlichen Raum gibt es das Dorfbrunnen-Denken. Man kennt sich. Diese Gemeinschaft ist der Diözese ganz wichtig“, sagt er und sieht in der Regionalität Bedeutung und Kraft. Es wurde in der Diözese Feldkirch noch keine Pfarre aufgelassen, und das sei auch im Vorderland nicht angedacht. „Die Kirche möchte nah bei den Menschen sein. Deshalb sollen die örtlichen Strukturen erhalten bleiben“, so Fenkart.

10.300 Katholiken in 10 Pfarren

60 bis 70 Personen wirken am Prozess mit. Die Veränderungen werden für alle 10.300 Katholiken in den 10 Pfarren spürbar sein. Diese sind unterschiedlich aufgestellt. In den einen Pfarrgemeinden besteht ein aktives Pfarrleben mit funktionierenden Arbeitskreisen. In anderen Pfarren haben sich die Laien zurückgezogen, weil sie keinen Spielraum bekamen, und das Pfarrleben hat sich zurückgebildet. Hier und dort gibt es Skepsis und Vorbehalte in den Pfarrgemeinderäten. Auch bei den Priestern. Nicht alle Priester können sich mit dem Vorhaben anfreunden.

Angesichts der Entwicklungen handelt die Diözese und begibt sich mit dem Projekt Vorderland auf Neuland. Man steht vor einem Übergang. Jeder Übergang bedeutet Veränderung, und das macht Angst. Die Angst vor Verlust von Gewohntem, die Angst vor Verlust von Befugnissen, die Angst vor dem Unbekannten. Auf der anderen Seite werden sich neue Möglichkeiten auftun. Das Miteinander bietet große Chancen. Was hier entsteht, könnte für andere Regionen im Land richtungsweisend werden. Es ist spannend. «

Gastautor Walter Stampfl berichtet für das KirchenBlatt vom Prozess im Vorderland.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe:
Wie verläuft der Prozess im Vorderland?
Was sagen Beteiligte aus den Pfarren?

Alles zum Projekt auch im Internet unter www.kath-kirche-vorderland.at