Es gibt nichts im Leben, das im Bogen zwischen Karfreitag und Ostermorgen nicht umfangen ist. Caritasdirektor Walter Schmolly im Interview.

Wie hat die aktuelle Corona-Situation die Arbeit in der Caritas verändert?
Die Caritas ist auch und gerade in einer solchen gesellschaftlichen Krisensituation da für die Menschen, die Hilfe brauchen. Dabei war es natürlich eine Herausforderung, die vielen Einrichtungen und Dienste durch entsprechende Hygienevorschriften, Besuchsregelungen, Maskenpflicht etc. an die Corona-Schutzvorgaben anzupassen.
Wir haben rasch auch zwei Hotlines eingerichtet, um für die Menschen leicht auffindbar zu sein: die eine für Menschen, die Hilfe brauchen, und die andere für Menschen, die helfen wollen.

Sind die Notsituationen anders geworden?
Es ist erstens so wie in jeder großen gesellschaftlichen Krise. Benachteiligte und notleidende Menschen gehören immer zu jenen, die es am härtesten trifft. Man stelle sich beispielsweise vor, wie es einem obdachlosen Menschen derzeit geht.
Zweitens sind viele Menschen sehr besorgt, wie es weitergeht. Es rufen Menschen bei der Caritas an, die zwar momentan noch keine konkrete Hilfe benötigen, aber sich einfach versichern wollen, dass wir im Notfall für sie da sind.
Und drittens gibt es tatsächlich spezifische Corona-Notlagen: Kinder, die durch die unterrichtsfreien Wochen Gefahr laufen, den Anschluss in der Schule zu verlieren; Familien, die durch Einbußen bei ihrem Einkommen gefährdet sind, in die Armut abzurutschen; ältere Menschen, die unter Einsamkeit leiden. Wir haben da rasch neue Antworten entwickelt: die digitale Lernhilfe für Kinder, die Corona-Nothilfe für Haushalte in finanziellen Nöten, die Initiative „zemma lüta“ gegen die Einsamkeit.

Wie läuft es in den Auslandsprojekten? Ist die Hilfe dort eingestellt?
Danke für diese Frage. In einer Zeit, in der zum Schutz der Bevölkerung alle Grenzen geschlossen werden, ist man ja versucht, nur noch innerhalb dieser Grenzen zu denken. Gleichzeitig spüren wir alle, dass das Mitfühlen und das Helfen-wollen diese Grenzen auch immer wieder überspringen. Auch unter Corona-Umständen sind die Flüchtlinge in den griechischen Lagern und in Nordsyrien der Vorarlberger Bevölkerung präsent, und auch die Menschen in Äthiopien oder Mosambik. Ich finde dies ein wunderbares österliches Zeichen für die weltumspannende Kraft der Solidarität.

Was die konkreten Hilfsprojekte anbelangt, zeigt sich in einer solchen Zeit, wie entscheidend wichtig es für die Auslandshilfe ist, vor Ort mit starken und verlässlichen Partnern zu arbeiten. Wir sind mit ihnen in ständigem Kontakt. Die erste Aufgabe in diesen Ländern ist die Aufklärung der Bevölkerung über Corona und die Anpassung der Dienste an den Corona-Schutz. Es ist leider zu befürchten, dass Corona Afrika und Südamerika massiv treffen wird.

Ein Blick in die Zukunft: Rechnen Sie damit, dass die Zahl der Hilfesuchenden ansteigt?
Die momentane Krise belastet Menschen mit weniger finanziellen und sozialen Ressourcen massiv. In dieser generellen Stress-Situation wachsen die Sorgen noch schneller über den Kopf. Viele Frauen und Männer suchen daher Halt in der psychosozialen Unterstützung. Und leider ist zu befürchten, dass es Familien und Haushalte gibt, die mittel- und längerfristig mit existenziellen finanziellen und sozialen Problemen zu kämpfen haben. Die Politik setzt zum Glück viele Maßnahmen. Aber es gibt absehbar Menschen, die dadurch nicht hinreichend aufgefangen werden. Speziell für diese Menschen wird die Caritas da sein. Ich bin dankbar, dass wir für diese Corona-Nothilfe sicher auch wieder auf die Hilfe der Vorarlberger Bevölkerung zählen können.

Wo sind gerade in der jetzigen Situation Spuren der Osterbotschaft zu finden?
Damit die österlichen Worte der Zuversicht nicht floskelhaft werden, scheint mir wichtig, Ostern in seiner inneren Einheit mit den Kartagen zu sehen. Es gibt nichts im Leben, das im Bogen zwischen Karfreitag und Ostermorgen nicht umfangen wäre. Insofern gibt es gerade jetzt viel Österliches zu entdecken. Wenn ich zwei Stichworte nennen darf: Ostern steht für die Kraft der Solidarität gerade mit den Verletzlichsten. Da lebt unsere Gesellschaft derzeit etwas Österliches. Ostern steht aber auch für die Erfahrung, dass aus dem Grab der Ohnmacht und Verzweiflung immer wieder das Ja zum Leben und die Zuversicht aufsteigen. Das wünsche ich von Herzen allen, denen in den nächsten Wochen und Monaten besonders viel zugemutet wird. Unsere Aufgabe ist es, für sie ein tragfähiges Netz mitmenschlicher Verbundenheit zu spannen.

Bleibt für Sie neben der vielen Arbeit noch die Muße, sich auf Ostern einzulassen?
Es ist eine sehr arbeitsreiche Zeit. In einer solchen Situation zählt zunächst einmal, dass man seine Pflicht tut. Zugleich freue ich mich sehr auf die österliche Unterbrechung.