Im Oktober 2013 wurde in Fontanella das Erinnerungszeichen für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter/innen während des Zweiten Weltkrieges der Öffentlichkeit übergeben. Ariel Lang hielt dabei eine vielbeachtete Festrede, die das KirchenBlatt in Auszügen dokumentiert.

Bild rechts: Das „gequälte“ Kreuz  von Hubert Lampert auf der Außenmauer der Pfarrkirche in Fontanella. Daneben die Erinnerungstafel mit der Aufschrift: „Nichts schläft verschlossen - 1942 - 1943 - 1944 - 1945.“

Für jede Gemeinschaft ist es wichtig, die Bereitschaft aufzubringen, sich auch das Dunkle anzusehen. [...] Es gilt heute nicht, alte Rechnungen aufzumachen oder die Kinder für das zu beschuldigen oder zu bestrafen, was die Altvorderen taten. Es gilt jedoch, sich daran zu erinnern, was geschehen ist, und das Unrecht als solches zu erkennen und zu benennen. [...]

Bei einem Erzählabend im Rahmen des Bücherei-Schwerpunktes „Unser Dorf zur Zeit der NS-Gewaltherrschaft“ im Jahr 2008 berichtete einer der Eingeladenen von der Arbeit der Kriegsgefangenen und zivilen Zwangsarbeiter beim Bau der Faschinastraße. Er konnte sich daran erinnern, dass die Männer Buchstaben in die Steine gehauen haben.
Als im Sommer 2011 solche behauenen Steine gefunden wurden, wurden sie zu den Steinen des Anstoßes für die Erstellung eines Erinnerungszeichens für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter/innen, die von 1942 bis 1945 in Faschina und Fontanella zum Arbeitsdienst herangezogen worden sind. [...]
Die Namen der Menschen, die hier gefangen waren und gelebt und gearbeitet haben, kennen wir - mit wenigen Ausnahmen - nicht.

Was wir kennen, sind die Namen von zwei Männern, die im Lager ums Leben gekommen sind: Am 11. Oktober 1943 ist der damals 45-jährige Kriegsgefangene Dimitri Mimailow aus Leningrad gestorben. Als Todesursache wurde Herzinfarkt angegeben. Am 27. Mai 1944 ist der 29-jährige russische Kriegsgefangene Franz Woizechowski erschossen worden. Aus mündlichen Berichten wissen wir, dass die Behauptung, Franz Woizechowski aus Minsk wäre auf der Flucht erschossen worden, wahrscheinlich nicht stimmt. Es wird berichtet, dass der Todesschuss aus einer aufgesetzten Waffe erfolgt ist, was auf eine Hinrichtung hinweist. Franz Woizechowskis Leichnam wurde im Wald verscharrt und durch Alwin Domig und Franz Josef Burtscher in einer Nacht- und Nebelaktion geborgen und auf dem Friedhof beigesetzt. [...]

Wir wollen uns: ... der Walser Kinder erinnern, die ihre Schulbrote den Zwangsarbeitern überließen; ... der Frauen erinnern, die Kartoffeln und Brote auslegten, wenn die Zwangsarbeiterkolonne am Haus vorbeizog; ... der Aufseher erinnern, die so taten, als ob sie das nicht sehen würden; ... der Männer, die die Zwangsarbeiter wie Menschen behandelten und sie mit der Familie am Tisch essen ließen.
Wir wollen uns aber auch der Täter erinnern, die von einer menschenverachtenden Ideologie verblendet waren und in unterschiedlich starker Ausprägung zur Ausbeutung und Diskriminierung, zum verbrecherischen System beigetragen haben. Und wir erinnern uns ihrer Angehörigen, die unter ihren Taten gelitten haben und teilweise heute noch darunter leiden.

Erinnerungszeichen in FontanellaVier von Zwangsarbeitern behauene Steine sollen uns dabei helfen.
Der bekannte Künstler Hubert Lampert aus Götzis hat drei von den Steinen leicht in den Boden beim Seiteneingang der Kirche Fontanella eingelassen. Darüber hat er in Augenhöhe ein „gequältes Kreuz“ aus Stahl an die Wand gehängt, das verzerrt und nur von einem bestimmten Betrachterstandpunkt aus als Kreuz erkennbar ist. Bei der Anna-Kapelle auf dem Faschinapass hat er den vierten behauenen Stein - wie in Fontanella - links des Eingangs leicht in den Boden eingelassen. Hubert Lampert symbolisiert mit den leicht versenkten Fundsteinen den Zustand der Geschichtshebung, der Auferstehung, die Rückkehr der Erinnerung.

Hubert Lampert hat durch die Nutzung beider Standorte, der Kirche in Fontanella und der Kapelle auf dem Faschinapass, eine Brücke gebaut oder die Enden eines riesigen Bogens geschaffen. Die kleine Tafel mit der hoffnungsvollen Aufschrift „Nichts schläft verschlossen“ wird in unseren Gedanken zum überdimensionalen Pfeil, den wir als Betrachter/innen in den großen Bogen einlegen müssen.
Wo dieser Hoffnungspfeil in Europa landen wird, wenn wir ihn abschießen, ist für mich klar: Direkt am Strand von Lampedusa, bei den Menschen, die dort heute als Menschen zweiter Klasse behandelt werden und Not leiden!

Für jede Gemeinschaft ist es wichtig, die Bereitschaft aufzubringen, sich auch das Dunkle anzusehen. Sehen wir von Fontanella/Faschina nach Lampedusa, von der Vergangenheit in die Gegenwart. Ariel Lang

zum Download: Die Rede im Gesamtwortlaut