Für 2018 hat Papst Franziskus eine Jugendsynode anberaumt. Das heißt, die teilnehmenden Bischöfe und Kardinäle sprechen nicht nur über, sondern vor allem auch mit Jugendlichen. Das Thema der Synode: „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsentscheidungen“. Das Vorarlberger KirchenBlatt traf mit Lorenzo Kardinal Baldisseri jenen Mann, der als einer der engsten Mitarbeiter des Papstes gilt und der mit der Aufgabe betraut wurde, die Synode zu organisieren.

Beginnen wir am Beginn: mit der Jugend. Welche Rolle spielen Jugendliche im Leben der Kirche und welchen Stellenwert nehmen ihre Fragen ein?

Die Jugendsynode ist zunächst die Fortsetzung der Familiensynode. Wenn man über Familien spricht, dann muss man auch über Kinder und Jugendliche sprechen. Jugendliche gehören ganz zentral zu unseren Familien und unserem Leben. Jugend und Kirche, das vergleiche ich für mich gerne mit dem Lauf der Zeit. Es gibt die Vergangenheit und es gibt die Zukunft. Die Jugend aber ist im Hier und Heute, in der Gegenwart. Und es ist sehr wichtig, dass die Kirche die Jugend auch sieht, denn ich glaube, dass sowohl die Gegenwart wie auch die Zukunft in den Händen der Jugend liegen.

Wieso ist es dann für Jugendliche oft auch sehr schwer, in der Kirche anzukommen?

Jugendliche fühlen sehr oft, dass sie kaum einen Platz in der Gesellschaft finden. Noch mehr, sie fühlen sich ungehört, bedeutungslos und an den Rand gedrängt. Gleichzeitig suchen sie intensiv nach ihrem Platz in der Gesellschaft. Wenn man an die Situation der Jugendlichen denkt, ist es für mich immer wieder bezeichnend, wo und wann man denn auf Jugendliche trifft. Auf der Suche nach ihrem Platz haben sie nämlich selbst in der Zeit „nur“ die Zwischenräume besetzt. Auf Jugendliche trifft man in der Zeit nach Mitternacht. Das ist ihr Raum. Ich erinnere mich daran, wie ich in Madeira um halb drei nachts ins Bischofshaus zurückgekehrt bin. Der Platz mitten in der Stadt war voll von Jugendlichen. Das ist für mich wirklich ein Bild für die Situation der Jugend heute.

Hat auch die Kirche „nur“ den Rand für die Jugend reserviert?

Die Kirche als Gemeinschaft umspannt die ganze Welt und die Kirche kann Jugendlichen etwas Wichtiges auf ihren Weg durchs Leben mitgeben. Institutionen, Einrichtungen, Unternehmen etc., viele sprechen über die Jugend, aber nur wenige werden konkret, wenn es darum geht, Jugendliche auch anzusprechen. Die Kirche wiederum hat die Strukturen, die es uns ermöglichen, Jugendliche überall auf der Welt anzusprechen und ihnen unsere Botschaft zu vermitteln.

Auf dem Marktplatz der guten Botschaften, was zeichnet die Botschaft der Kirche denn aus?

Unsere Botschaft ist die Person Jesu. Jugendliche brauchen Zeugnisse, die nicht theoretisch bleiben. Sie brauchen keine abstrakten Ideen. Sie brauchen Personen. Und die Person, die das bis heute immer noch am besten vermag, ist die Person Jesu. Als historische Person und als Zeugnis, das bis in unsere Gegenwart reicht. Es sind vor allem die Werte, die Jesus in seinem Handeln immer wieder an uns weitergibt, die Jugendliche anzusprechen vermögen.

Umgekehrt gefragt: Spiegeln auch die Jugendlichen eine Botschaft an uns zurück?

Jugendliche können etwas, was wir Erwachsene längst verlernt haben: Sie blicken ins Weite. Sie wollen bis an die Ränder des Horizonts sehen. Sie sehen über das, was rein der Welt gehört, hinaus. Sie suchen das Transzendente geradezu.

Hat das auch etwas mit Begeisterungsfähigkeit zu tun?

Jugend ist radikal. Dafür gibt es positive und auch negative Beispiele. Es gibt Jugendliche, die sich mit aller Konsequenz für ein Leben in der Mission entscheiden, andere begeistern sich für das Ordensleben – oft sogar für Orden mit sehr strengen Regeln des Zusammenlebens. Für andere ist die Ehe und die Familie der Weg. Aber auch zur anderen Seite schlägt das Pendel aus: Da sind Jugendliche, die sich für Krieg und Gewalt begeistern lassen können, die sich radikalisieren.

Welche Stimme will die Synode in diesem Konzert der jugendlichen Lebenswelten übernehmen?

Die Kirche schlägt die Person Jesu und den Weg Jesu vor. Die Synode greift mit ihrem Generalthema – „Die Jugend. Der Glaube. Die Berufungsentscheidung“ - genau das auf: Im Zentrum des Glaubens ist Jesus. Glaube an sich kann für Jugendliche oft sehr abstrakt sein. Jesus aber ist eine konkrete Person. Und, die Synode richtet sich an alle Jugendlichen, weltweit, nicht nur in Europa. Noch mehr, die Synode richtet sich nicht nur an Jugendliche, die sich als glaubend bezeichnen würden. Sie richtet sich auch an jene, die mit dem Glauben ihre Schwierigkeiten haben und auch an die, die von sich behaupten, nicht zu glauben. Wir wollen Kontakt mit Jugendlichen jeder Herkunft und aller Kulturen.

Berufungsentscheidung ist ein großes Wort. Aber welches Wunschziel steht dahinter?

Will sich jemand die Person Jesu für sich begreifbar machen, muss oft ein manchmal längerer und manchmal kürzerer Weg dorthin zurückgelegt werden. Unsere Aufgabe ist es, die Jugendlichen auf diesem ihrem Weg zu begleiten. Uns muss es wichtig sein, wer die Begleiter dieser Jugendlichen auf ihrer Suche sind und wie sie begleitet werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Begriff „Entscheidung“. Um etwas für mich entscheiden zu können, muss ich mich zuerst ja meiner selbst versichern. Ich muss bei mir beginnen und versuchen zu verstehen, was ich mit meinem Leben will. Denn jede Entscheidung, die Jugendliche treffen, treffen sie für ihre Zukunft, für ihr Leben und unsere ganze Gesellschaft. Und dabei wollen wir helfen und unterstützen.

Nun findet die Jugendsynode 2018 statt. Die Vorbereitungen dafür sind aber längst angelaufen. Was steht in nächster Zeit an?

Wir nützen mehrere unserer Kommunikationskanäle, um die Vorbereitungen voranzutreiben. Natürlich gibt es ein Vorbereitungsdokument, das an alle 114 Bischofskonferenzen weltweit erging. Papst Franziskus hat sich auch eigens in einem Schreiben direkt an die Jugendlichen gewandt. Ein Fragebogen für die Bischöfe wurde ebenso erarbeitet wie ein Fragebogen für Jugendliche. Die Bischöfe haben nun bis Ende Oktober Zeit, ihre Antworten an uns zu übermitteln. Sie sind nun gefordert. Der Fragebogen für Jugendliche kann bis Ende November ausgefüllt werden.

Und aus all diesen Rückmeldungen entsteht…

Das Arbeitspapier der Synode, das Instrumentum Laboris. Die ganze Herangehensweise, man würde wohl Prozessdesign sagen, zeigt, dass wir nicht von oben nach unten diktieren wollen, sondern mit unserem Fragen wirklich an der Basis ansetzen möchten. Zudem planen wir als Generalsekretariat der Synode noch weitere Veranstaltungen und Projekte, an denen sich Jugendliche direkt beteiligen können.

Liegen bereits erste Rückmeldungen aus den bischöflichen Fragebögen vor?

Ja, und alle diese Rückmeldungen betonen eine Sache: Es ist absolut wichtig, dass Jugendliche nicht vor den Türen der Synode bleiben, sondern Teil der Synode sind. Es soll nicht sein, dass Bischöfe über Jugendliche anstatt mit Jugendlichen sprechen. Und es geht uns auch hier nicht ausschließlich um Jugendliche, die der katholischen Kirche angehören, es geht uns – und das ist mir wichtig – um alle Jugendlichen.

Jugendliche werden als Hörer an der Synode teilnehmen. Welche Rolle kommt ihnen dabei zu?

Natürlich sollen sie auch an der Diskussion teilnehmen. Es gibt die „Interventi“, in denen die teilnehmenden Jugendlichen vor der ganzen Versammlung sprechen können. Und es wird – wie bei der Familiensynode auch – auch in kleineren Gruppen gearbeitet werden. Auch hier sollen sich die Jugendlichen einbringen und mitdiskutieren.

Wenn es um die Diskussion und das Sprechen über- und miteinander geht. Spricht die Kirche denn überhaupt noch die Sprache der Jugend?

Ja, zumindest wollen wir das. Natürlich, die Vorbereitungsdokumente wurden von Fachleuten in ihrer Fachsprache verfasst. Gleichzeitig haben wir aber auch eine Website eingerichtet, die sich in ihrer Sprache an Jugendliche richtet. Wir bemühen uns immer wieder, die Sprache der Jugend zu treffen beziehungsweise eine Sprache zu finden, die von allen akzeptiert und verstanden werden kann. Das gilt ja auch für die Sprache, zu der Papst Franziskus immer wieder findet. Seine Sprache ist auf einem sehr hohen Niveau und doch nicht zu abstrakt intellektuell.

Bleiben wir bei Papst Franziskus. Die Kultur des offenen Wortes fordert er für sich und die Kirche immer wieder ein. Soll heißen: Jede Meinung soll geäußert werden dürfen. Gilt diese Kultur auch für die Synode?

Ja, das gilt auch für die Synode. Ehrlichkeit, Offenheit, das wollen wir.

Wenn Sie im kommenden Jahr dann auf die Synode zurückblicken werden, wie müsste die Synode idealerweise verlaufen sein, damit Sie für sich zufrieden wären?

Ich möchte von einer allgemeinen Zufriedenheit sprechen. Die wäre wohl erreicht, wenn es uns mit der Synode gelänge, den Kontakt zu den Jugendlichen herzustellen und zu stabilisieren. Das gilt nicht nur für „unsere“ Jugendlichen, die quasi zum internen Kreis der Kirche zählen, sondern vor allem für die, die uns fern stehen. Es gibt so viele von ihnen. Wir müssen und wollen mit allen reden. Wenn uns das gelingt… Das wäre mein Traum für die Synode.

 

Stichwort

Jugendsynode

Im Oktober 2018 werden sich Papst Franziskus und Bischöfe aus allen Teilen der Welt mit der Frage beschäftigen, wie Kirche heute Kontakt mit Jugendlichen herstellen und vor allem halten kann. Das Thema der Jugendsynode ist die Jugend, der Glaube und die Berufungsentscheidungen. Jugendliche selbst sollen bei der Synode eine Stimme erhalten. Das geschieht u. a. durch einen Fragebogen, der in die Vorbereitungen der Synode miteinfließt und durch Jugendliche, die als Hörer an der Synode teilnehmen werden. Der Fragebogen zur Jugendsynode kann noch bis 30. November ausgefüllt werden unter: youth.synod2018.va

Das Gespräch führte Veronika Fehle