Mitentscheiden, mitwirken und mitgestalten sollen und wollen die Frauen endlich auch in der katholischen Kirche künftig können. Ein Brief mit dieser ausdrücklichen Bitte ist beim Papst gelandet und er hat versprochen, ihn zu lesen. Derweil bestärkt die kirchliche Basis in aller Freiheit das friedfertig kämpferische Engagement für die Gleichheit aller Menschen in Christus.

Bild: Anfang Juli 2016 sind die Pilgerinnen (und auch einige Pilger) des Projekts „Kirche mit* den Frauen“ in Rom angekommen
zu: Brief an Papst Franziskus

Walter L. Buder

„Habemus feminas“ - das klingt in der katholischen Kirche immer noch ein wenig nach Schlachtruf. Rund 1.000 Kilometer sind sie „per pedes apostolorum“ von St. Gallen nach Rom gegangen, ein wahrhaft langer Marsch „Für eine Kirche mit* den Frauen“. Es waren neun von ihnen, die vom 2. Mai bis 2. Juli 2016 auf dem Weg waren - mit einem höflich formulierten, doch thematisch durchaus brisanten Brief im Pilgerrucksack. Keine leichte Angelegenheit, wenn man bedenkt, wie die letzten Päpste das Frauenthema tabuisierten, und der Diskurs über eine Kirche mit* den Frauen sogar mit Verbot belegt ist. Der Papst war jedenfalls verhindert, zur Übergabe des Briefes in den Petersdom zu kommen.

Weite Wege
Zwei Monate hatte es gedauert, bis das Anliegen brieflich im Petersdom angekommen war. Von dort bis in den Audienzsaal brauchte es vier (4!) Monate und 24 Tage, dann - am 26. November 2016 - konnte P. Mauro Jöhri die Post aus St. Gallen dem Papst übergeben. Er konnte von folgender Antwort von Franziskus berichten: „Das Nächste, was ich mache, ist: Ich lese den Brief“. Der Präsident der weltweiten Union der Ordensoberen hatte dem Papst das Schreiben „am Rand einer Audienz für die Ordensoberen“ übergeben können.

MIT-entscheiden
Das freute Hildegard Aepli, die Initiatorin des Projektes. Zu wissen, dass der Papst von „Kirche mit* den Frauen“ erfahren habe, sei ihr und vielen anderen sehr wichtig. Mehr als 1.000 Menschen hatten im Sommer das Anliegen der Pilger im Mitgehen gestützt. „Wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können“, steht im Brief an den Papst. Seine Antwort steht noch aus.
Auch wenn die Hierarchen hier wohl eher zu patriarchaler Schweigsamkeit neigen werden: An der Kirchenbasis wird Tacheles geredet! Neben zwei anderen kritischen, mit Lehrverbot belegten Kirchenfrauen - Jadranka Rebeka Anic (Kroatien) und Mercedes Navarro Puerto (Spanien) - sowie  der schweizerischen Gleichstellungsinitiative wird auch Hildegard Aeplis Projekt „Kirche mit* den Frauen“ am 19. März 2017 in Luzern von der „Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche“ mit einer Auszeichnung be- und gestärkt.    

www.kirche-mit.ch

Einladung zum „ARCHE-FrauenVORabend“

Für eine Kirche mit den FrauenHildegard Aepli (St. Gallen) erzählt in Wort und Bild von der Pilgerwanderung nach Rom, zu den Auswirkungen und zum Stand der ‚Frauenfrage‘ in der katholischen Kirche.   
„Für eine Kirche mit* den Frauen“
Mo 20. Februar, 19 Uhr, Buchhandlung ARCHE,
Rathausstraße 25, Bregenz.
Bitte um Voranmeldung: T +43 5574 48892 oder
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ZUR SACHE - Brief an den Papst

Lieber Papst Franziskus!
Mit diesem Schreiben überbringen wir – die Verantwortlichen und Mitwirkenden des Projektes „Für eine Kirche mit den Frauen" – Ihnen unsere Anliegen und unsere Sorgen, unsere Erfahrungen und unsere Überzeugungen.

Auf den Weg gebracht hat uns Ihr Vorbild: die Weise, wie Sie Zeichen setzen. Papst Franziskus, Sie bewirken, dass viele Menschen inner- und ausserhalb der Kirche aufhorchen, ja aufatmen. Ihre Worte und Gesten rühren an und erinnern an das Wesentliche des christlichen Glaubens. Sie nähren die Hoffnung auf ein menschlicheres Gesicht der Kirche. Dabei kritisieren Sie Selbstbezogenheit und rufen auf zu einer Kirche, die auf dem Weg ist und die „aus sich selbst herausgeht“ (EG 21).

Deswegen wollten auch wir ein Zeichen setzen. Eine Pilgergruppe pilgerte seit dem 2. Mai 2016, dem Festtag der hl. Wiborada, von St. Gallen aus „Für eine Kirche mit den Frauen“ nach Rom. Für das Miteinander von Männern und Frauen auf allen Ebenen, für eine geschwisterliche und dialogische Kirche nahmen sie 1000 km unter die Füsse. Vorbereitet wurde dies durch einen über zweijährigen Weg, auf dem viele Menschen sich engagierten und an Gebeten, Feiern, Vorträgen und ähnlichen Veranstaltungen teilnahmen. Auf einer Internetseite wurden seit einem Jahr täglich geistliche Impulse aufgeschaltet. Frauenverbände, Klöster und verschiedene Institutionen, viele Einzelpersonen, Männer und Frauen, Bischöfe und Ordensobere haben uns unterstützt.

Warum das alles? Wir leiden darunter, dass viele Frauen sich in unserer Kirche fremd, nicht ernst genommen oder unwillkommen fühlen, weil sie zu wenig in verantwortlichen Gremien eingebunden und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Diese Anfragen von vielen lagen zuoberst in unserem Gepäck, und wir vertrauen sie nun Ihnen, als Hirten und Lehrer unserer Kirche, an.
Wir bringen Erfahrungen mit. Zu allererst viele positive Erfahrungen, wie Frauen und Männer einander im kirchlichen Leben ergänzen. Wir haben dies auch auf dem Weg der Vorbereitung dieses Projektes erfahren: Frauen und Männer haben sich gemeinsam „Für eine Kirche mit den Frauen“
engagiert. In der Schweiz arbeiten auch im pastoralen Dienst Frauen und Männer miteinander, da Frauen als Laienseelsorgerinnen (Pastoralassistentinnen) wirken können. Es wird von vielen Menschen geschätzt, dass in der Seelsorge auf diese Weise geistliche Erfahrungen und Sichtweisen auch von Frauen zum Tragen kommen können.

Das Projekt „Für eine Kirche mit den Frauen“ hat keinen konkreten Forderungskatalog entwickelt, denn wir wollen nicht behaupten, wir wüssten schon im Detail, welche Gestalt diese Kirche mit den Frauen haben könnte. Wir wollen dafür nicht ohne Dialog auch mit Ihnen, mit kirchenleitenden
Instanzen der Gesamtkirche und der Ortskirchen Vorschläge vorlegen. Unsere Gruppe ist gewiss nicht „repräsentativ“, weder für eine europäische Kirche noch für die weltweite Kirche. Wir beanspruchen deswegen auch nicht, auf einem einzuschlagenden Weg selbst als Gruppe eine Rolle zu spielen. Wir wollen ein Zeichen setzen. Mit diesem Zeichen wollen wir den Wunsch (unseren Wunsch und den Wunsch vieler Menschen) zum Ausdruck bringen, dass Männer der Kirche in Zukunft nicht mehr ohne Frauen über deren Stellung, Rolle und Funktion einerseits und über die Belange der Kirche im Allgemeinen andererseits nachdenken und entscheiden.

Lieber Papst Franziskus, wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in den gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können. Wir bitten Sie, entsprechende Ermutigungen und Weisungen auch für die
Ortskirchen zu geben. Frauen und Männer unserer Kirche warten darauf und werden es Ihnen danken – und die Kirche kann dabei nur gewinnen, wenn Frauen ihre Gaben und Charismen besser als bisher einbringen können.

Wir danken Ihnen für Ihr segensreiches Wirken und für Ihre Aufmerksamkeit für unsere Anliegen. Gern bleiben wir Ihnen im Gebet verbunden.

Pilgerinnen und Pilger:
Hildegard Aepli, Franz Mali, Esther Rüthemann, Cäcilia Koller, Silvia Letsch-Brunner, Mariette Mumenthaler, Claire Renggli-Enderle, Theres Steger Broger, Ursula Höfs

Personen des Kernteams:
Hildegard Aepli, Pastoralassistentin und Mitarbeiterin im Amt für Pastoral und Bildung im Bistum St. Gallen;
Prof. Dr. Eva-Maria Faber, Professorin für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Theologischen Hochschule Chur;
Dr. Urban Fink-Wagner, Historiker und Theologe, Geschäftsführer der Inländischen Mission;
Sr. Irene Gassmann OSB, Priorin des Benediktinerinnenklosters Fahr;
Br. Damian Keller, Provinzvikar der Schweizer Kapuziner und Verantwortlicher für die Brüder der Deutschschweiz, Postulatsleiter aller deutschsprachigen Kapuzinerprovinzen, Priester und Psychologe;
Prof. Dr. Franz Mali, Professor für Patristik, Geschichte der Alten Kirchen und christlich-orientalische Sprachen an der Theologischen Fakultät Fribourg, Priester der Diözese Graz-Seckau;
Esther Rüthemann, Pastoralassistentin im Bistum St. Gallen 

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(aus dem KirchenBlatt Nr. 6 vom 9. Februar 2017)