Die katholische Kirche verschärft ihr Strafrecht. Finanzdelikte und sexueller Missbrauch werden genauer geregelt und strenger geahndet – was unter Kirchenrechtlern positiv aufgenommen wird. Andere Punkte, wie die Frauenweihe oder die nichtkatholische Kindertaufe im Strafrecht, stoßen auch auf Kritik.

Monika Slouk

Die größten aktuellen Veränderungen im Buch VI „Strafbestimmungen in der Kirche“ des Codex Iuris Canonici (CIC, Kodex des kanonischen Rechts) betreffen Vermögensdelikte, die schwerwiegendsten sexuellen Missbrauch. Zwölf Jahre lang hatte der Päpstliche Rat für Gesetzestexte unter Einbeziehung der Bischofskonferenzen, Ordensoberen, der Kurie und von Kirchenrechtsexperten an der Erneuerung des Strafrechts gearbeitet. Den Impuls dazu hatte Papst Benedikt bereits 2007 gesetzt. Am 1. Juni 2021 wurde die Neufassung des Buchs im Vatikan präsentiert, am 8. Dezember wird sie in Kraft treten. Bis dahin haben die Bischofskonferenzen Zeit, zusätzlich nötige regionale Bestimmungen zu erlassen.

Mehr Personal

Außerdem werden sie das Personal der kirchlichen Gerichte vielleicht aufstocken müssen. Bisher beschäftigten sich Diözesangerichte fast ausschließlich mit Eheannullierungen. Nun legen die Strafbestimmungen fest, dass es nicht mehr den Kirchenoberen überlassen bleibt, ob sie erwiesene Vergehen bestrafen oder nicht. Wer Urteile oder Strafdekrete nicht ausführt oder Strafanzeigen nicht weitergibt, wird auch bestraft. Die kirchlichen Strafen nennt Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution „Pascite Gregem Dei“ (Weidet Gottes Herde), mit der er das neue Strafrecht verkündete, eine „heilsame Medizin“, die vor allem das Wohl der Gläubigen suche. Als Ziel nennt das Strafrecht selbst die „Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die Besserung des Täters und die Beseitigung des Ärgernisses“ (c. 1311 § 2 CIC).

Finanzdelikte zählen

Dass es ohne Konsequenzen oftmals keine Besserung gab, zeigte sich in der Vergangenheit. Der Wiener Kirchenrechtsprofessor Andreas Kowatsch erinnerte: „Dass gerade im Bereich der Vermögensverwaltung immer wieder Missstände aufgetreten sind, die die Glaubwürdigkeit der Kirche in Mitleidenschaft gezogen haben, belegt ein Blick in die jüngere Kirchengeschichte.“ Das neu reformierte Kirchenrecht sanktioniere nicht nur die Unterschlagung kirchlichen Vermögens, sondern auch die Veräußerung oder Verwaltung von Vermögenswerten, ohne dass die im Recht vorgeschriebenen Gremien der Mitverantwortung zu Rate gezogen oder um ihre Zustimmung angefragt wurden. Die Verantwortlichen werden zum Schadenersatz verpflichtet und können in schweren Fällen ihr Amt verlieren. Schadenersatz soll in Zukunft einen besonderen Stellenwert bekommen, so Kowatsch in der Kathpress: „Der verurteilte Täter wird an insgesamt elf Gesetzesstellen verpflichtet, Schadenersatz zu leisten.“

Sexueller Missbrauch wird nicht mehr als Verstoß gegen die Zölibatspflicht geführt, sondern zählt wie Mord oder Abtreibung als Straftat „gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen“. Mit dieser neuen Einordnung wolle man der Schwere der Vergehen besser gerecht werden, begründete Erzbischof Filippo Iannone, Leiter des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte, bei der Präsentation der Neuerungen im Vatikan. „Diese Straftat kann nicht mehr nur von Klerikern, sondern auch von Ordensleuten sowie von Laien verwirklicht werden, die in der Kirche ein Amt oder eine Funktion ausüben“, erläuterte der Würzburger Kirchenrechtler Heribert Hallermann auf katholisch.de. „Damit werden auch Mesner, Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten und andere, auch sogenannte Ehrenamtliche, als mögliche Straftäter in den Blick genommen. Kleriker können mit Amtsenthebung oder Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden, andere Gläubige mit Sühnestrafen, die der Schwere der Straftat angemessen sind.“

Zu wenig präzise

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, selbst Kirchenrechtler, hätte sich laut der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA mehr Klarheit „bei den Untaten der sexualisierten Gewalt gegen Minderjährige“ gewünscht. So hätte zwischen Grenzüberschreitungen durch Berührungen und Vergewaltigungen unterschieden werden können. Solche Präzisierungen hätten es den Richtern, so der Erzbischof, bei der Bestrafung einfacher gemacht und auch dem therapeutischen Zweck des Strafrechts besser gedient. Konkret nennt das Strafrecht jedoch Besitz und Verbreitung von Pornografie mit Minderjährigen sowie den Missbrauch von Amtsautorität bei sexuellen Vergehen auch gegen volljährige Anvertraute.

Gefängnisstrafen gibt es in der Kirche nicht. Die Möglichkeiten der Bestrafung unterscheidet man in Beuge- und Sühnestrafen. „Mit den in c. 1336 CIC nun neu systematisierten Sühnestrafen steht dem kirchlichen Richter eine ganze Palette von möglichen Geboten, Verboten und Rechtsentzügen zur Bestrafung zur Verfügung“, zählt Heribert Hallermann auf. „So kann er einem Straftäter beispielsweise alle oder einige Ämter, Aufgaben, Dienste oder Funktionen oder auch nur einige Tätigkeiten, welche mit Ämtern und Aufgaben verbunden sind, entziehen; er kann die Predigtbefugnis entziehen oder die Vollmacht, Beichten entgegenzunehmen; oder er kann einem verurteilten Straftäter die kirchliche Vergütung oder einen Teil davon entziehen, allerdings muss die Bischofskonferenz hierfür eine verbindliche Ordnung erlassen.“ Neu ist die Möglichkeit, Geldstrafen zu verhängen. Zu den Beugestrafen gehört die Exkommunikation. Das kirchliche Strafrecht dient niemals als Ersatz für das geltende staatliche Recht, sondern zusätzlich.

Unschuldig

Neu ist die Aufnahme der Unschuldsvermutung bis zum bewiesenen Gegenteil (c. 1321 § 1), wie es der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte entspricht. Das neue kirchliche Strafrecht verpflichtet zwar Bischöfe und Obere, bewiesene Vergehen nicht zu „übersehen“, sondern zu reagieren, es soll aber keine unnötige Häufung von Strafen geben: „Strafen sind nur insoweit aufzustellen, als sie wirklich erforderlich sind, um die kirchliche Disziplin besser sicherzustellen.“ (c. 1317)

Frauen

Als Vorsichtsmaßnahme gegen Frauenweihe scheinen Strafen erforderlich zu sein. Der Wiener Kirchenrechtler Andreas Kowatsch erinnert daran, dass der kirchliche Straftatbestand der versuchten Spendung des Weihesakraments an eine Frau bereits 2007 eingeführt worden war. Das neue Strafrecht übernimmt diesen in den Abschnitt über Delikte gegen die Sakramente und verschärft ihn. Ausdrücklich wird festgelegt, dass beteiligte Kleriker mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden können. Die Verschärfung kritisiert die Initiative „Maria 2.0“ als Verachtung von Frauen. Dass sexuelle Gewalt gegen Minderjährige „jetzt endlich als ‚Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen‘ gilt und nicht mehr einfach als Verstoß gegen den Zölibat verharmlost wird“, lobt die Initiative allerdings als „lang überfälligen Fortschritt“.
Änderung denkbar. Dass der Versuch der Frauenweihe explizit als Delikt in den CIC aufgenommen wurde (c. 1379 § 3), ergänzte Kurienbischof Juan Arrieta, Sekretär im Päpstlichen Rat für Gesetzestexte, um eine Erklärung: Dies stelle die gegenwärtige Lehre dar – „Sollte man irgendwann zu einer anderen theologischen Einschätzung gelangen, wird auch das Recht geändert“, so der Kirchenjurist.

Nichtkatholische Taufe

Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier bewertet die Überarbeitung des Strafrechts als „sinnvoll und hilfreich“. Im Detail sieht er manche Bestimmung kritisch. Etwa, dass die nichtkatholische Taufe und Erziehung von Kindern (zum Beispiel aus gemischtkonfessionellen Ehen) im kirchenrechtlichen Sinn eine Straftat bleibt. Dies werde der Wirklichkeit „nicht unbedingt gerecht“, reagierte Bier auf das neu überarbeitete kirchliche Strafrecht.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 23 vom 10. Juni 2021)