Die Veränderungen in der Gesellschaft machen auch der Katholischen Kirche Vorarlberg zu schaffen - weniger Priester und Fachpersonal, weniger Kirchgänger, weniger Mitglieder. Im September 2018 startete die Diözese das „Projekt Vorderland“. Im derzeit laufenden Prozess suchen zehn Pfarren einen gemeinsamen Weg. Teil 2 zum „Projekt Vorderland“.

Walter Stampfl

Dieser Artikel soll nicht eine Auflistung von strukturellen Details sein. Das würde nichts bringen, da noch alles im Fluss ist. Der Beitrag soll die Stimmungslage zeigen, Bedenken und Ängste, Erwartungen und Hoffnungen.
In Gesprächen mit Vertretern der Pfarren zeigt sich Verständnis für das Handeln der Diözese. Überrascht wurden manche von der Größe des neuen Verbandes und vom ambitionierten Zeitplan. Gerhard Breuß von der Pfarre Muntlix: „Bei uns gab es Bedenken, dass zehn Pfarren zu viel für einen Verband sind. Das hat sich aber gelegt. Wenn jetzt kleinere Verbände gegründet würden, kann es in ein paar Jahren wieder eine Veränderung geben. In einem größeren Gebiet ist man flexibel.“

Zu Beginn entstanden vielerorts Unsicherheit und Ängste: Der Priester kommt abhanden. Die Seelsorge leidet. Gewohntes ist nicht mehr möglich. Pfarren werden bevorzugt. Die Angst vor viel neuer Arbeit, die die Ehrenamtlichen nicht bewältigen können. Valentine Baur und Gertraud Bauer vom Pfarrgemeinderat Röthis: „Wir sind eine Pfarre, in der Vieles an Wenigen hängt. Wir fürchten, dass noch mehr Arbeit auf uns Ehrenamtliche zukommt. Mit den derzeit geplanten 550 Stellenprozenten für hauptamtliche Mitarbeiter (Priester und Laientheologen) steht angesichts der Größe des Verbandes zu wenig Personal zur Verfügung.“ Mit dieser Befürchtung stehen sie nicht allein.

Die größte Sorge gilt den Sonntags-Gottesdiensten. Das zieht sich durch. Besonders in den kleinen Gemeinden fürchtet man, dass diese nicht mehr regelmäßig stattfinden können. Das ist der Diözese aber wichtig. Derzeit arbeiten die Priester an einem Gottesdienstplan für die Region. Es stehen vier Priester zur Verfügung. Vier Priester für zehn Dörfer. In solchen Zeiten fragt man sich: Wie lange noch? Über kurz oder lang werden in allen zehn Pfarren nicht mehr jeden Sonntagmorgen Eucharistiefeiern stattfinden können. Dafür soll es Wortgottesfeiern geben.
Ob die Akzeptanz dafür vorhanden ist? Monika Hagen und Daniela Lampert vom Pfarrgemeinderat Viktorsberg: „Wir hoffen, dass die Leute es annehmen, wenn am Sonntag ab und zu nur ein Wortgottesdienst stattfindet. Wichtig ist, dass Gottesdienste regelmäßig stattfinden.“ Anfang März startete ein Lehrgang für Wortgottesfeiern für das Vorderland, an dem 13 Personen teilnehmen.
Beim Thema Gottesdienst geht es auch um die Ministranten. „Wir haben ca. 50 Ministranten“, sagt Philipp Hartmann vom Pfarrgemeinderat Sulz. „Wenn die nicht eingesetzt werden können, werden manche abspringen.“

Das erste gemeinsame Treffen fand im November 2018 statt, im Februar 2019 das zweite. Das nächste ist für April geplant. Manchen Teilnehmern finden zu wenige solcher Treffen statt und sie sind ihnen zu kurz. Es wird zwar vieles angesprochen, aber vieles bleibt im Dunkeln. Dennoch haben sich Vorteile für die eigenen Pfarren gezeigt: Vertretungen für Priester werden einfacher zu finden sein. Es gibt Ansprechpersonen für Pfarrangehörige. Man profitiert von den Erfahrungen anderer. Das Pfarrleben bekommt mehr Inhalte. Das sieht auch Helmut Eiter aus Batschuns für seine Pfarre. Für ihn ist wichtig: „Das eigene Tun darf nicht das Maß aller Dinge sein. Man muss bereit sein, den Horizont zu erweitern, und offen sein für Neues.“ Zudem erhofft sich Eiter, dass das vorhandene Potential an Laien jetzt verstärkt eingesetzt wird.
Georg Mathis vom Pfarrgemeinderat Klaus sah das Projekt von Beginn an positiv. Er hofft auf ein Miteinander der Pfarren. Es soll nicht der eigene Vorteil gesucht werden. Er wünscht sich, dass, wenn in einer Pfarre eine Veranstaltung stattfindet, diese im gesamten Verband angekündigt wird. Das sieht man auch in Viktorsberg so. Daniela Lampert: „Die Termine etwa von Familiengottesdiensten oder Sonntagscafés sollen untereinander veröffentlicht werden. Dann findet auch gegenseitiger Kontakt statt.“

Allerorts wird viel auf Austausch gesetzt. Solcher Austausch findet bereits in kleinen Arbeitsgruppen statt, was positiv gesehen wird. Es treffen sich etwa die Pfarrsekretär/innen oder die Redakteur/innen der Pfarrblätter. Auch die Pfarrkirchenräte beraten, u.a. über die Finanzierung von gemeinsamen Veranstaltungen. Philipp Hartmann aus Sulz ist in der Gruppe Firmung: „In unserer Gruppe sind im Moment drei Pfarren vertreten. Wir sind bereits am Arbeiten. Der Austausch von Erfahrungen ist interessant.“ Er blickt schon in die Zukunft: „Vielleicht gelingt es uns irgendwann, eine ‚Katholische Jugend Vorderland‘ aufzustellen.“

In den Gesprächen mit den Ehrenamtlichen hört man viel Skepsis, genauso aber auch Hoffnungen. Manchmal spürt man die Angst vor Überforderung. Gerhard Breuß aus Muntlix sieht das so: „Man muss nicht alles auf einmal machen. Es wird sich Schritt für Schritt etwas entwickeln.“ Und er bringt dazu das Gleichnis vom Samen. „Mancher Samen wird auf steinigen Boden fallen und wurzellos bleiben. Mancher Samen wird auf gutes Erdreich fallen und Frucht bringen.“

Im Abstand von zwei Wochen treffen sich die Priester Pio Reinprecht, Marius Ciobanu, Cristinel Dobos und Placide Ponzo mit Michael Willam, dem Leiter des „Projekt Vorderland“. Sie sind das Projektteam. „Mir war klar, dass etwas kommen wird“, erzählt Marius Ciobanu vom Pfarrverband Weiler-Röthis im Gespräch. „Die Priester wurden vor dem Sommer informiert. Am Anfang war alles im Nebel. Langsam wurde es deutlich.“ Im Team zu arbeiten, sieht er als Chance. Ein Konkurrenzdenken unter den Priestern im Projektteam spürt er nicht. „Aus kirchenrechtlichen Gründen muss es einen Pfarrer geben. Das heißt aber nicht, dass die anderen Priester im neuen Verband weniger wert sind. Es wird keine Priester zweiter Klasse geben“, versichert Ciobanu.
Den Priestern ist die Unterstützung durch Laien wichtig. Darum betont er: „Priester sollen die Pfarrgemeinden nicht prägen. Wenn nicht alles auf Priester zentralisiert wird, haben auch die Laien mehr Platz.“ Strukturen sind für ihn wichtig, allerdings darf der Weg zu den Menschen nicht verbaut werden. Sein Wunsch für die Zukunft: „Wir dürfen das Wesentliche unseres Glaubens nicht aus den Augen verlieren, und das ist Christus.“

Die Verantwortung dafür, wie es mit der Kirche im Vorderland weitergeht, kann nicht nur auf die Diözese und die Priester in der Region geschoben werden. Wir alle können unseren Teil beitragen. Das gilt übrigens für die ganze Kirche. Dazu am Schluss ein Wort von Pastoralamtsleiter Martin Fenkart: „Jeder Christ hat den Auftrag, Priester, Prophet, König zu sein.“
Ab Herbst soll das Projekt Vorderland umgesetzt werden. Allen Mitwirkenden ist zu wünschen, dass Gottes Geist sie weiter beseelt, dass sie mutig und aufgeschlossen bleiben und zu einem für alle gehbaren Resultat finden. Es wird ein lang dauernder Prozess. Der Weg fängt im Herbst erst an. «

Gastautor Walter Stampfl berichtet für das KirchenBlatt vom Prozess im Vorderland.

» Ein Interview mit Projektleiter Michael Willam lesen Sie hier.

» Alles zum Projekt auch im Internet unter www.kath-kirche-vorderland.at

(aus dem KirchenBlatt Nr. 12 vom 21. März 2019)