Wer sich einem Geheimnis annähern möchte, findet in Musik und Lyrik bewährte Wege. Der Christushymnus von Thomas Thurnher (Musik) und Willibald Feinig (Text) ist ein aktuelles Beispiel dafür. Wie der Text entstanden ist, erzählt der Verfasser selbst.

Willibald Feinig / Red.

Die Erzdiözese Lyon lädt zur Komposition einer neuen Hymne auf Jesus ein. Verlangt wird eine Version a capella mit Refrain – für den „Volksgesang“, eine mit Orchester- und eine mit Orgel-Begleitung. Der Dornbirner Komponist, Dirigent und Musikpädagoge Thomas Thurnher bekommt die Ausschreibung im Winter 2011 zu Gesicht. Er ist von Kindesbeinen an mit der katholischen Kirche und über seine Frau mit Frankreich in Verbindung. Die Aufgabe interessiert ihn sehr - die „Herrengemeinde“ von Lyon ist eine der ältesten Europas. Aber: Anlass des Wettbewerbs sind Feiern fünfzig Jahre nach dem vatikanischen Reformkonzil, das heißt 2012, und der (französische) Text fehlt.

In Sprache fassen
Weil er um meine Zweisprachigkeit und lyrische Ader wusste, erhielt ich damals seinen An- und Hilferuf. Weil er mir Gelegenheit bot, angesichts der Gestalt Christi zugleich über das Dichten, die Musik und die Kirche nachzusinnen, versprach ich ihm nach kurzem Zögern einen Text. Freilich kann unsereiner Jesus nur schwer gerecht werden - aber wird irgendein Mensch irgendeinem Menschen je ganz gerecht?
Der Anfang der Hymne ergab sich mit der Aufgabenstellung fast von selbst: „Te chanter, quel défi!“: Wer dich besingt, der wagt viel! Eine Hymne, will sie bei der Wahrheit bleiben, schreit nach dem Gegenüber, nach Anrede.
Glatte Reimerei (nichts gegen Reime Robert Gernhardts oder des Cherubinischen Wandersmanns!), Floskelhaftigkeit und Insidersprache galt es zu meiden. Widerstand dem Abgestandenen, Abgelebten gegenüber war ich schon dem Konzil schuldig: Die Liturgiekonstitution, im Jahr des Heils 1962 mit 2147 Ja- gegen 4 Nein-Stimmen vom Weltepiskopat angenommen, warnt sowohl vor „Mittelmäßigkeit“ als auch vor Protzerei mit mehr oder weniger ehrwürdigen Materialien aller Art - architektonischen, bildnerischen, musikalischen und verbalen.

Wer ist er?
Der Gesang dekliniert mögliche Begegnungen mit „Jésus, le Christ“, wie ihn Franzosen nennen. Das „Besingen“ ist dabei der erste Modus der Auseinandersetzung und des Dialogs. Und wie begegnet er heute? Er kommt einem an den Brennpunkten der Geschichte entgegen und an denen des Alltags, „an allen Straßenecken, auf den Plätzen der Städte der ganzen Welt, groß, klein oder mittel“. Man wendet sich an ihn wie an den „Apotheker des Universums, bei dem man ein Medikament holt gegen das Unerträgliche“. Man mag ihn. Unter der Voraussetzung, dass man sich selbst mag, „das Verborgenste an sich, sein größtes Elend und seinen größten Stolz“, dass man Frieden mit sich selbst schließt, seine eigene Widersprüchlichkeit bändigt. „Te louer - dominer nos contradictions“ (Dich loben – seinen eigenen Widerspruch besiegen): Der Gesang läuft hier dahin wie ein Rezitativ - es ist die Orgel, die krasse Akkorde anschlägt.

Zwiegespräch
Aus den zwei Teilen der Hymne an Jesus, die ihm sein Texter geliefert hat, macht der Komponist fünf Strophen, immer wieder zurückkehrend zum Anfang. Aus dem Auftakt und Leitmotiv wird ein Refrain: Te chanter - quel défi / Te voir, quelle chance / Te croire - croire à l‘évidence (wörtlich ungefähr: „Dich besingen - ein Wagnis / Dich sehen - ein Glück / Dir glauben: Wem sonst?“). In der Fassung von „Te chanter“,  die bei den Altacher Orgelsoireen im Oktober erstmals zu hören ist, zusammen mit Liedern des 19. und 20. Jahrhunderts auf Gott, Jesus und Heilige, könnte ein erfahrener Chor hörbar machen, was Kern und Frucht der Hymne ist: Zwiesprache.

Den Text

in französischer und deutscher Sprache finden Sie HIER.

KONZERT

Dich loben

Lieder des 19. und 20. Jahrhunderts, die Gott, Jesus und Heilige besingen - von Dubois, Fauré, Reger u.a., sowie Orgelmusik von Boëllman, Mendelssohn und Reger.
Uraufführung der Christushymne für Chor und  Orgel von Thomas Thurnher nach dem Gedicht von Willibald Feinig.
Aufgeführt werden die Werke vom Vorarlberger Madrigalchor unter der Leitung von Guntram Simma.
An der Orgel spielt Konstanze Hofer.

Mi 24. Oktober, 20 Uhr,
Pfarrzentrum, Altach.
www.vorarlberger-madrigalchor.at