Genau 81 Jahre nach der Uraufführung im Kriegsgefangenenlager erklingt Messiaens „Quatuor“ unter dem renovierten „Jüngsten Gericht“ in der Alten Götzner Kirche. Die Altacher Soireen sind zu Gast, da die Kirche St. Ulrich früher auch die Kirche der Altacher war. Das KirchenBlatt sprach mit Dr. Markus Hofer, den die Kombination des außergewöhnlichen Musikstückes mit der renovierten Renaissance-Malerei begeistert.

Wolfgang Ölz

Wie bedeutend ist Olivier Messiaen heute?
Markus Hofer: Der französische Komponist ist eine Ikone der klassischen Moderne und Wegbereiter vieler Entwicklungen. Nicht zuletzt war er auch der Lehrer bedeutender moderner Komponisten. Persönlich schätze ich gerade seine kleineren Formen wie das „Quartett“ oder auch seine Orgelmusik.

Was verbindet dieses Quartett  mit dem Chorbogen in der Alten Götzner Kirche?
Hofer: Dieses Konzert in der Alten Pfarrkirche ist ein Glücksfall. Im Quartett von Olivier Messiaen geht es um das Ende der Zeit, den Jüngsten Tag und nichts anderes stellen die alten Malereien in der Chorbogenwand dar. Damit ist es genau der richtige Ort, um dieses Stück aufzuführen. Ich bin schon deshalb den „Altacher Soireen“ dankbar, dass sie dieses Konzert in Götzis veranstalten und damit gleichzeitig die Renovierung der Alten Kirche unterstützen.

Was ist das Katholische an Messiaen?
Hofer: Messiaen war ein zutiefst spiritueller und betont katholischer Komponist. Aus seinem Glauben schöpfte er viele Themen und Motive seiner Musik. Wenn er sich beispielsweise ausgiebig mit Vogelstimmen beschäftigte und diese in seine Musik einbrachte, war das für ihn immer auch eine Beschäftigung mit der Schöpfung Gottes. Selber betonte er das Katholische immer sehr, gab diesem aber neue und sehr weite Ausdrucksformen. Messiaen als religiösen Komponisten zu entdecken, kann durchaus ein spirituelles Abenteuer sein.

Entspricht das Quartett dem Klischee einer atonalen, unmelodiösen, für den Laien schwer genießbaren Musik des 20. Jahrhunderts?
Hofer: Das Quartett ist eher ein geeigneter Einstieg in die Musik der Moderne. Es ist nicht atonal und durchaus melodienreich, wenn auch aufs erste vielleicht ungewohnt. Es vermag unsere Hörgewohnheiten zu weiten, ohne ihnen gleichsam Gewalt anzutun. Lässt man sich auf diese Musik ein, kann man sie durchaus auch genießen. Sie kann tatsächlich zum Erlebnis werden.

Wie sehen Sie die Verbindung von Musik und Mystik allgemein?
Hofer: Gott und das religiöse Erleben können weder mit dem Wort oder dem Bild allein völlig zum Ausdruck gebracht werden. Die Mystik ist der Versuch, dem religiösen Erleben jenseits der ausformulierten Lehre einen lebendigen Raum zu geben. Ähnlich kann auch die Musik ein Versuch sein, dem Glauben eine sinnliche Gestalt zu geben. Ein katholisches Hochamt ist Messiaen nicht gerade, aber er bringt ganz neue Dimensionen zum Ausdruck. Der Glaube ist immer auch eine Herausforderung und deshalb ist es gut, wenn die Musik nicht nur den Weihrauch beisteuert.

Wie ist das Quartett ins Gesamtwerk von Messiaen einzuordnen? Welche Bedeutung kommt der großen Oper über den heiligen Franziskus zu?
Hofer: Das Quartett half ihm 1941 als Komponist zum Durchbruch, noch im selben Jahr wurde er Lehrer am Pariser Konservatorium. Als ein Werk, das im Gefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs entstand, ist es auch Bekenntnismusik, ein Hoffnungszeichen. Seine einzige Oper „Saint François d’Assise“ (1983) war der Versuch eines „opus summum“ und sollte sein ganzes musikalisches Schaffen nochmal in einem großen Werk bündeln. Die vierstündige, sehr handlungsarme, vor allem aus Predigten bestehende Oper verlangt allerdings eine kreative Regie und schon auch etwas Sitzfleisch.

Wie bedeutsam ist der zugrundeliegende Text des Quartetts (Offenbarung 10,1-7)? Wie setzt Messiaen die angekündigte „Vollendung des Geheimnisses Gottes“ um?
Hofer: Die Stelle aus der Apokalypse, in der der siebte Engel zum Ende der Zeit bläst, war für Olivier Messiaen nicht nur der Ausgangspunkt seiner Musik. Letztlich versteht er seine Musik als eine Illustration dieses Jüngsten Tages und er hat den acht Sätzen des Quartetts auch entsprechende Titel gegeben. Vom Gesang der Engel, der Raserei der sieben Trompeten, dem Klang des Regenbogens geht es zum Lob auf die Unsterblichkeit Jesu.
Ein Wort zur Besetzung. Welche Musiker/innen spielen warum? Welche Funktionen haben jeweils Klarinette, Violine, Cello und Klavier im Stück?
Hofer: Die Besetzung des Quartetts ist in der Tat außergewöhnlich, hat aber einen ganz praktischen Grund. Das Stück entstand 1940/41 in einem deutschen Gefangenenlager, in dem Messiaen als französischer Soldat inhaftiert war. Messiaen hatte im Lager einen Geiger, einen Klarinettisten und einen Cellisten. Das Klavier, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, spielte der Komponist selbst. Die vier Instrumente setzte er teilweise aber auch solistisch ein, d.h. es sind nicht immer alle als Quartett im Einsatz.

Termintipp: Olivier Messiaen: Quatuor pour la fin  du temps (Quartett vom Ende der Zeit)

Altacher Soireen als Benefizkonzert zugunsten der Restaurierung der wertvollen Renaissance Wandmalerei am Chorbogen der Alten Kirche Götzis. Einlass 19 Uhr - bei pandemiebedingter Kontrolle und begrenzter Teilnehmerzahl
www.soireen.at