Papst Franziskus ist auf Twitter und Facebook, Kardinal Christoph Schönborn verbreitet Video-Botschaften via YouTube. Warum also setzt die Katholische Kirche weiterhin auf Papierzeitungen? Der Abgesang auf die Printmedien ist ein kleiner Bruder des Abgesangs auf die Kirchen. Doch beide zeigen sich ziemlich lebendig. Dafür gibt es pragmatische Gründe. Auch technisch-praktische. Und ebenso ideelle. Aber es sind einfache Gründe. Ein Beitrag für „Mehrwert 2013“, den aktuellen Public Value Bericht des Verbandes Österreichischer Zeitungen.

Dietmar Steinmair

Zwischen Gott und mir: Papier, Papier. Die Tageszeitung am Frühstückstisch, die Kirchenzeitung auf dem Sofa am Wochenende, das Magazin für Strand und Schwimmbad. Eine Zeitung kann man falten, rollen, hinwerfen - die Hardware ist einfach und unempfindlich. Anders als mobile Devices braucht eine Zeitung kein Ladegerät. Es ist wie beim Elektroauto: solange das Problem der Energiequelle nicht gelöst ist, werden Autos - noch dazu immer sparsamer - mit Erdöl-Produkten fahren. Am Abend kann man eine Zeitung - weil restlos wiederverwertbar - getrost wegwerfen.

Das Medienverhalten der Menschen verändert sich. Doch die Zeitungslektüre auf dem Sofa - ohne Scrollen, Netzsuche und Akkuprobleme - bleibt für viele Menschen eine gute, nein: die bessere Alternative: Aufschlagen. Auf zwei Seiten einen guten Überblick über ein Thema erhalten (weil sich ein Redakteur etwas dabei gedacht hat). Umblättern. Wieder zwei gut gestaltete Seiten. Die Werbeflächen dazwischen sehe ich, weil ich mich bewusst dazu entscheide. Nicht, weil sie mir entgegenblinken oder ich sie erst mal überhaupt wegklicken müsste.

Aus den Augen, aus dem Sinn
Was ins Auge fällt, provoziert (durch) Präsenz. Damit ist potentiell „Sinn“ verknüpft. Auch Tweets und Postings fallen ins Auge. Doch nicht jeder Tweet und jedes Posting machen per se Sinn oder sind gar sinn-voll. Ganz im Gegenteil.
Doch: Was nicht ins Auge fällt, hat keine Präsenz. Es hat keine Möglichkeit, Sinn zu machen, sinnvoll zu werden oder sinnvoll zu sein. Präsenz bedeutet die Möglichkeit zum Sinn. Kirchenzeitungen als Wochenzeitungen sind oft mehr als sieben Tage präsent. Es ist in etwa so, wie wenn auf dem Marktplatz „aufgespielt“ und Musik gemacht wird. Das ist eine mehr oder weniger deutliche Einladung, eine Aufforderung zum Tanzen. Wer die Einladung annimmt und zu tanzen beginnt, dem wird eine neue Erfahrung möglich. Eine neue Dimension eröffnet sich. Vielleicht verändert sich für einen Augenblick sogar das Leben. „Präsenz“ ist ein Schlüsselwort der Kommunikation und ein (möglicher) Schlüssel zum Sinn.

Was du Schwarz auf Weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen.
Die Kirchen (wir) setzen auf Papierzeitungen, weil die Kirchen (wir) auf Menschen aus Fleisch und Blut setzen. Auf Frauen und Männer mit Geist und Herz, Sinn und Verstand. Weil wir mit ihnen rechnen und auf sie zählen, weil wir auf ihren Widerspruch warten und ihnen den Glauben vorschlagen. Mit den (Kirchen-)Zeitungen haben die Leser/innen nicht nur sprichwörtlich, sondern buchstäblich „etwas in der Hand“. Da steht etwas Schwarz auf Weiß. Das ist eine handfeste, stabile Beziehung. Das macht die Kirchen(-Zeitungen) auch (an)greifbar, (an)fassbar.
Im Zentrum christlicher Spiritualität und Religion - binnenkirchlich ist damit die „Frohe Botschaft“, das Evangelium gemeint - steht nicht weniger als die Überzeugung, dass Gott (der ganz Andere) Mensch (der ganz Unsere) geworden ist. Gott - und damit die Kirchen - stellen sich den Menschen und der Welt. In einer Art „physischer“ Präsenz gemäß Johannes 1,14: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Und kein 140-Zeichen-Tweet. Oder ein tausendfach „geliktes“ Posting.

Kein Vorteil ohne Nachteil und umgekehrt.

Kirchenzeitungen sind hochwertige content factories für ihre Adressaten, aber auch für ihre Eigentümer. Übersichten, Hintergründe, Einblicke, Orientierungen. Übrigens in einer Gesamtauflage von 200.000 Exemplaren. Die Kirchenzeitungen gehören zu den stärksten Wochenzeitungen Österreichs.
Kirchliche Kommunikation geht jedoch an den Menschen vorbei, wenn sie nicht die „Zeichen der Zeit“ erkennt - und deutet. Darum investieren auch die Kirchen viel Geld und Zeit in neue Medienkanäle. Die innerbetriebliche Konkurrenz zwischen Internet- und Printredaktion belebt das Tagesgeschäft und treibt die Kreativität beider nach vorne. Ist der Mehrwert der Printzeitung der Überblick über die wichtigsten Themen der Woche, besteht der Mehrwert der Website in Schnelligkeit, Bildergalerien und Videoeinbindung. Aktuell, das sind und bleiben beide Kanäle.

 

Der Verband Österreichischer Zeitungen

Der VÖZ ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Magazinen. Er wurde 1946 gegründet. Derzeit gehören dem VÖZ 63 ordentliche Mitglieder an. In Vorarlberg sind dies neben dem „Vorarlberger KirchenBlatt“ die „Vorarlberger Nachrichten“ sowie die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“.

Im Public Value Bericht „Mehrwert 2013“
steht auf knapp 260 Seiten der gesellschaftliche und demokratiepolitische Mehrwert von Zeitungen und Magazinen im Mittelpunkt. Weiters sind die Qualität im digitalen Bereich, die regionale Vielfalt, das professionelle journalistische Angebot der Redaktionen sowie die Förderung der Lesekompetenz Schwerpunkte des Berichts. Darin finden Sie übrigens auch einen Beitrag von Dr. Gerald Heschl, Chefredakteur der Kärntner Kirchenzeitung „Sonntag“, mit dem Titel „Horizonterweiterung auf bewährtem Fundament.“

Den Bericht „Mehrwert 2013“ gibt‘s als Download