„Ich habe in verschiedene Klöster reingeschnuppert, aber erst hier in Bregenz habe ich sofort gespürt: Das ist es“, erzählt Bettina Flick, langjährige Seelsorgerin im Bistum St. Gallen. Seit diesem Sommer lebt sie bei den Klara-Schwestern. Das Leben in der Stille sei „wie ein Geschenk“.

Stephan Sigg

„Mit neunzehn war ich zum ersten Mal in einem Kloster“, sagt Bettina Flick. Doch nach zwei Jahren habe sie gemerkt, dass das nicht das richtige sei. Das Leben in einer geistlichen Gemeinschaft habe sie trotzdem nicht mehr losgelassen. „Nach einem Aufenthalt in einem Kloster in der Westschweiz ist diese große Sehnsucht plötzlich wieder aufgebrochen.“ Sie habe einige Klöster angeschaut und in deren Alltag reingeschnuppert. Doch nie habe es so richtig gepasst. „Erst hier in Bregenz habe ich sofort gespürt: Das ist es“, erzählt Bettina Flick und strahlt. „Diese gelebte Atmosphäre der Stille hat mich angesprochen.“ Über einen längeren Zeitraum verbrachte sie immer wieder mal ein Wochenende bei den Klara-Schwestern. „Im Januar bin ich morgens aufgewacht und fühlte mich total glücklich und ich realisierte weshalb: Ich hatte geträumt, bei den Klara-Schwestern zu sein.“

Ein anderer Alltag

Um 5.45 Uhr beginnt für Bettina Flick nun jeweils der Tag mit einer Stunde stiller Meditation, danach folgt die gemeinsame Laudes. Nach dem Frühstück hilft sie im Haus mit – im Garten, in der Küche, bei der Hausarbeit. Der neue Alltag ist geprägt von vielen Stille-Zeiten und von verschiedenen Formen des Gebetes und so ganz anders als ihr bisheriger als Seelsorgerin, der voll war mit Gesprächen und Besprechungen. „Ich habe das von Anfang an als sehr befreiend erlebt“, sagt Bettina Flick. Sie bezeichnet es als Geschenk, sich ganz im Gebet vertiefen zu können. „Und ich habe auch endlich wieder Zeit zum Lesen“, merkt sie an.

Sehnsucht nach Stille

Beim Gespräch nimmt auch Sr. Rita-Maria teil. „Es gehört zu unserem Grundcharisma, dass wir offen sind für Frauen, die auf der Suche sind, mal raus aus ihrem Alltag und das Leben in einer Gemeinschaft ausprobieren wollen“, erklärt sie, „da Bettina immer wieder bei uns war, konnten wir uns gegenseitig kennenlernen. Wir haben gemerkt, dass wir zueinander passen.“ Sr. Rita-Maria nehme wahr, dass allgemein das Interesse an Stille wieder zunehme – gerade auch in diesem Jahr. „Ob das mit der Corona-Pandemie zu tun hat oder nicht, kann ich nicht beurteilen.“

Gelebte Offenheit

„Mich hat von Anfang an die Offenheit dieser Gemeinschaft beeindruckt“, sagt Bettina Flick. Diese Offenheit wird auch sofort spürbar, als sich die drei Schwestern und Bettina Flick zum Fototermin im Innenhof des Klosters versammeln. Es wird gescherzt. Schnell kommt man miteinander ins Gespräch. „Auch wenn wir eine kontemplative Gemeinschaft sind, ist uns der Austausch sehr wichtig“, erklärt Sr. Rita-Maria. So verbringen sie das Mittag- und das Abendessen nicht wie in anderen kontemplativen Gemeinschaften üblich in Stille. „Am Anfang habe ich die Schwestern oft gefragt: Wie muss ich das machen? Wo finde ich die Regel?“, so Bettina Flick, „doch es gibt hier fast keine Regeln, das habe ich in anderen Klöstern ganz anders erlebt. Die Gemeinschaft legt sehr viel Wert auf Eigenverantwortung und Selbstständigkeit innerhalb der vorgegebenen Struktur.“

Niederlassung in St. Gallen?

Das Sabbatjahr von Bettina Flick dauert bis Sommer 2021. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. Schmunzelnd äußert sie ihre Vision: „Es wäre schön, im Bistum St. Gallen eine Niederlassung der Klara-Schwestern aufbauen zu können. Wer weiß, vielleicht ist diese Lebensform für mehr Frauen aus der Schweiz heute anziehend und eine Antwort auf ihr Suche.“ Sr. Rita-Maria lacht, aber nickt zustimmend: „Wir können nicht wissen, was die Zukunft bringt. Wer weiß …“

Klaraschwestern

Die Gemeinschaft der Schwestern der Hl. Klara wurde 1983 im Kloster Gauenstein gegründet. Neben dem Hauptsitz in Bregenz gibt es eine weitere Vorarlberger Niederlassung in Frastanz und eine im Allgäu, nächstes Jahr wird eine weitere in Gauenstein  (wo die Gemeinschaft ursprünglich gegründet wurde) eröffnet. Als franziskanische Gemeinschaft verpflichten sich die Schwestern zur Armut. Einnahmen werden durch Spenden und dem Verkauf von Kerzen, Tee und anderen selbst hergestellten Produkten generiert – und auch mit einer CD (siehe Link rechts), die die Schwestern im Sommer aufgenommen haben. Die Gemeinschaft der Klara-Schwestern in Bregenz, dem Hauptsitz, besteht aus neun Schwestern. Mehr unter www.klaraschwestern.at

Der Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors. Bild und Bericht sind vor dem aktuellen Lockdown entstanden, Anm. der Redaktion.

(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 46 vom 12. November 2020)