Am 1. September 2014 wird in Bregenz und Dornbirn ein Seelsorgeraum errichtet. Ein Jahr lang haben die Pfarren der beiden Städte nun Zeit, diese neue Organisationsform vorzubereiten. Eine spannende und herausfordernde Aufgabe.

Patricia Begle

„Seelsorgeraum“
Für viele wohl ein kaum gehörtes oder ganz neues Wort. Es füllt sich sogleich mit verschiedensten Assoziationen, hat es doch drei Wörter in sich, die gleich in existenzielle Tiefen und Weiten führen. Manche dieser Dimensionen sind bereits erkundet von jenen Menschen, die sich in den letzten Jahren intensiv mit der Zukunft der Kirche auseinandergesetzt haben. Durch zwei Prozesse sind sie hindurchgegangen - „Wege der Pfarrgemeinden“ und „Kirche in der Stadt“. Nun steht das gemeinsame Ziel klar vor Augen: Seelsorgeraum.

Pfarren bleiben
Dieses Modell sieht vor, dass die einzelnen Pfarren der Stadt bestehen bleiben. Die Priester und Hauptamtlichen aber bilden ein Team, das die Seelsorge in gemeinsamer Verantwortung für das Ganze ausübt. Dadurch können Synergien genutzt werden und es wird verstärkt charismenorientiert gearbeitet. Koordiniert und geleitet wird das Team von einem Priester, der die Rolle des Moderators einnimmt, unterstützt wird es dabei von einer/m Organisationsleiter/in. Diese vier Stellen sind bereits besetzt: In Bregenz übernimmt Dekan Paul Solomon die Aufgabe des Moderators, Gerold Hinteregger ist seit 1. September Organisationsleiter. Moderator in Dornbirn ist Dekan Erich Baldauf, Katharina Weiss tritt am 1. Dezember ihre Stelle als Organisationsleiterin an.

Schwerpunkte
Die Vorbereitungen laufen auf verschiedenen Ebenen. Einmal geht es darum, konkrete Schwerpunkte festzusetzen.  Entwachsen sind sie dem Prozess „Kirche in der Stadt“, angesiedelt zum Beispiel im Bereich Jugendarbeit, bei der Sakramentenvorbereitung oder in ganz neuen Initiativen. Für deren Umsetzung müssen nun Aufgabenbeschreibungen erstellt werden,  dann erst wird entschieden, wer mit welcher Aufgabe betraut wird. Verändern wird sich für alle etwas. Für Priester und Hauptamtliche bedeutet das, sich in einer neuen Rolle zurechtzufinden.

Organisatorisches
Überlegungen werden auch auf organisatorischer Ebene angestellt. Es geht zum Beispiel darum, für das neu entstehende Gremium „Seelsorgerat“ Statuten festzulegen, damit es verbindlich arbeiten kann. Auch die Neuregelung der Gottesdienstordnung gehört zum Programm dieses Jahres. Dass solche Veränderungen häufig mit Verlustgefühlen und daraus resultierenden Widerständen verbunden sind, ist den Verantwortlichen klar.

Neues Kirchenbild
Manches wird nicht mehr so sein wie es war. „Wir müssen uns von bestimmten Kirchenbildern lösen“, erläutert Dekan Erich Baldauf. Dabei ist es ihm und allen Verantwortlichen ein großes Anliegen, dass die Pfarren mit ihrem großen Potential und ihrer Überschaubarkeit bestehen bleiben, dass es hier nicht anonymer wird.  Gleichzeitig weiß er, dass man nicht einfach so weitermachen kann, dass die aktive Gestaltung von Gegenwart und Zukunft ein Gebot der Stunde ist. „Wenn wir - wie Papst Franziskus sagt - zugehen auf die Ränder, auf alle Ränder, und uns berühren lassen von den Wunden der Menschen, dann liegt darin eine neue Chance.“

In den Weg stellen
Das Zugehen auf Menschen ist auch für Organisationsleiterin Katharina Weiss zentrales Tun in ihrem neuen Arbeitsfeld. Ja, mehr noch: „Die Kirche muss sich den Menschen in den Weg stellen.“ Dieser Satz aus dem Konzept der Dornbirner ist der engagierten Christin hängen geblieben. Bleibend. „Die Sehnsucht ist bei den Menschen da, aber sie kennen die Angebote nicht, weil viele in die traditionellen Pfarrstrukturen nicht eingegliedert sind. Ich möchte das, was die Kirche bietet, mehr unter die Leute bringen“, beschreibt Weiss ihr Anliegen. Dass sie dafür mit den Menschen neue Wege und Möglichkeiten entwickeln darf - das kommt Weiss sehr entgegen. Sie mag solche Herausforderungen, schaut Widerständen mit großer Gelassenheit entgegen und freut sich auf die neuen Kontakte, die sie knüpfen kann.

Das Ganze im Blick
Auch Gerold Hinteregger, der Organisationsleiter von Bregenz, sieht gespannt auf die kommenden Entwicklungen. Er hat den Prozess von Anfang an als Pfarrbegleiter hautnah miterlebt und es reizt ihn, all dies nun konkret umzusetzen. Sein Büro befindet sich derzeit noch im Pfarrhaus der Pfarre St. Gallus. Das bedeutet, dass der pfarrliche Alltag seinen Arbeitsalltag derzeit mitbestimmt. Hier wird für ihn spürbar, dass es Sinn macht, manches in Zukunft vermehrt im Miteinander der Pfarren zu lösen. Das „Haus der Kirche“ wird Unterstützung und Ansporn sein, den Blick über die Pfarrgrenzen hinaus auf die ganze Stadt zu richten.

Das Haus
In Bregenz gibt es dieses „Haus der Kirche“ bereits. Zwei Stockwerke eines Gebäudes gegenüber der Seekapelle werden dafür angemietet.  „Das Haus zieht an, ganz unterschiedliche kirchliche Institutionen möchten mittlerweile mit dabei sein“, erzählt Hinteregger. Neben Räumlichkeiten für die Kirche in Bregenz werden dort auch EFZ, Caritas, Pfarrbegleitung, ein Büro der Jugend und die Buchhandlung „Die Arche“ zu finden sein. Das Haus soll Begegnungsraum und Anlaufstelle für unterschiedlichste Belange sein - vom Taufschein bis zum seelsorgerlichen Gespräch. Die Seekapelle gegenüber bietet zudem Raum für spirituelle Angebote.

Arbeit als Team
Der Seelsorgeraum wird in gewisser Hinsicht ein großes Experimentierfeld. Die große Herausforderung besteht darin, sowohl die Pfarren als auch die Stadt als Ganze im Blick zu haben. Dekan Paul Solomon vergleicht es mit einem Fußballspiel - auch hier sollte das gesamte Feld bespielt werden. Und: „Wir arbeiten als Team, als Mannschaft - fürs Ganze.“ Was dem aktiven Fußballer Sorgen macht, sind die zahlreichen Gremien und die damit verbundenen Sitzungen. Hier gilt es, Prioritäten zu setzen und zu delegieren.

Lustvoll
Beim Experimentieren dürfen auch Fehler gemacht werden - sie sind oft die besten Lehrmeister. Das wird Wohlwollen und Ausdauer brauchen und viel Vertrauen ineinander und auf Gottes Geist. Entscheidend aber ist, dass jetzt Schritte gegangen werden, sichtbare. Und dass sie mit Begeisterung und Lust auf Veränderung gesetzt werden.

ZU DEN PERSONEN

Katharina WeissKatharina Weiss
„Kirche“ ist für die gebürtige Bregenzerin „Heimat, weil sie immer mitgeht, wo immer man sich auch hinbewegt.“ So fand sie auch in Wien ihren Platz in einer Pfarre. Schon während ihrer Studienzeit war die Studentin der Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft in der Erwachsenenbildung tätig. Seit zehn Jahren arbeitet sie im Innenministerium als Leiterin des Wissenschaftsbereiches und stellvertretende Direktorin der Sicherheitsakademie. Ab 1. Dezember übernimmt sie die Aufgaben der Organisationsleiterin im Seelsorgeraum Dornbirn.

Gerold HintereggerGerold Hinteregger
Gerold Hinteregger hat die Stelle als Organisationsleiter am 1. September angetreten. Der Wolfurter bringt viel Pfarrerfahrung mit: seit zwanzig Jahren ist er als Pastoralassistent (in Bregenz St. Gebhard, Wolfurt und Dornbirn-Hatlerdorf), sowie als Diakon, Gemeindeberater und Pfarrbegleiter tätig. „Menschen mit Jesus und seiner Botschaft in Berührung bringen“ - das ist das Grundanliegen des neuen Organisationsleiters. Denn eine Gesellschaft, die sich von dieser Botschaft leiten lässt, kann zu einer menschlicheren werden.

 (aus KirchenBlatt Nr. 40 vom 3. Oktober 2013)