Romeo und Julia ist wohl eines der berühmtesten Liebespaare aller Zeiten. Was aber, wenn sie die Rollen tauschen und die Montagues Fabelwesen sind? Dann befindet man sich bei Shakespeare am Berg.

Simone Rinner

Erst letztes Jahr starben Macbeth und seine Frau im gleichnamigen Stück beim Debüt von „Shakespeare am Berg“. Heuer müssen beim Open-Air Theaterfestival auf 1400 Meter Seehöhe Romeo und Julia ihr Leben lassen. Und zwar mitten auf dem Muttersberg, mit Blick auf Bludenz - zumindest für die Zuschauer/innen. Nach dem Erfolg vom letzten Jahr wagt sich das Team rund um den Autor Thomas A. Welte und den Bühnenbildner Benjamin Obholzer heuer nämlich an die wohl größte Liebestragödie. Etwas modernisiert und neu übersetzt, befehden sich dieses Mal aber nicht mehr zwei Häuser, sondern zwei Spezies: Die Menschen (die Capulets) und die Fabelwesen (die Montagues). Verändert haben sich auch Romeo und Julia, die bei Welte die Rollen tauschen. Romeo spricht Julias Text und umgekehrt.

Dabei entsteht eine interessante Dynamik, die auch vor der Kulisse nicht Halt macht. Ein modulares Gerüstsystem, verkleidet mit weißen Tüchern, bildet eine Mauer, die es für die Liebenden zu überwinden gilt. Gleichzeitig bietet das Gerüst die Möglichkeit, verschiedene Ebenen zu bespielen - bis zur berühmten Balkonszene, bei der dieses Mal Romeo den besseren Ausblick hat und Julia klettern muss. Ein ausgereiftes Lichtkonzept verwandelt Metall und Stoff in verschiedenste Schauplätze, das Spiel mit Licht und Schatten, Feuer und Nebel rundet die Inszenierung ab. Der wohl größte Applaus gilt aber - nicht nur am Premierenabend - den Schauspieler/innen. Da das Stück die Ensemblegröße übersteigt, spielt so gut wie jeder von ihnen mindestens zwei Rollen. Und manchmal, wie im Fall von Tim Engemann, auch fünf. Dennoch fehlt es an nichts. Die Schauspieler/innen transportieren das ganze Spektrum menschlicher Gefühle - von Angst über Trauer bis zur Freude - auf 1400 Meter Seehöhe und schaffen es bei all der Tragik auch noch das Publikum zum Lachen zu bringen. Selbst wenn die Sprache manchmal etwas derb und anzüglich ausfiel, diente der Schlussapplaus nicht nur dem Erwärmen der durchgefrorenen Finger. Chapeau!

Shakespeare am Berg:
Open-Air Theater Event, „Romeo und Julia“. Frei übersetzt von Thomas A. Welte.
Karten inkl. Bahnfahrt: € 26,- (Kategorie 3), € 32,- (Kategorie 2), € 38,- (Kategorie 1) oder € 50,- (Lounge). Erhältlich in allen LändleTicket Vorverkaufsstellen, Sparkassen und Raiffeisenbanken sowie an der Talstation der Muttersberg Seilbahn.
Weitere Aufführungen: 21./22./23./28./29. und 30. Juli sowie 4./5./6. August, ab 21.15 Uhr, Arena am Muttersberg, Bludenz.
www.shakespeareamberg.at

(aus dem KirchenBlatt Nr. 29 vom 21. Juli 2016)