Das wusste schon Shakespeare. Und wer die Probe aufs Exempel versuchen will, der hat jetzt in Bludenz die Gelegenheit dazu. Dort gibt man derzeit nämlich am Fuße des Muttersbergs den "Sommernachtstraum" - ein herrliches Liebesspiel um Feen, Könige und sehr viel Menschliches.

 Ja, ja, mit Amor, dem pausbäckigen Liebesschützen, ist ja prinzipiell schon gut Kirschen essen. Nur sollte man nie versuchen, sich in seine Zielübungen einzumischen oder gar die Liebespfeilchen auf andere Bahnen zu lenken. Dann nämlich ist das Chaos nicht mehr aufzuhalten. Aber was schert sich um die Naturgesetzte der Liebe, was selbst ein Feenkönig ist? Und so nimmt das Spielchen in William Shakespeares „Sommernachtstraum“ seinen Lauf – heuer am Berg in Bludenz.

Wie alles anfing

Was dort vor mittlerweile einigen Jahren hoch oben auf dem Bludenzer Hausberg – dem Muttersberg – in der Naturarena inmitten des Waldes begonnen hat, ist heute ein paar Stockwerke nach unten übersiedelt. Man trifft sich jetzt also nicht mehr auf dem Berg, sondern am Fuße des Berges zum Open Air-Theater.

Natürlich hatte das schon seinen Charme, so hoch oben, rundherum gefühlt nichts weiter als Bäume, Moos und einige nachtaktive Waldtiere. Ja, da konnte es schon vorkommen, dass hinter einer Tanne mal ein Reh die Zwiege knacken ließ. Das ist jetzt schon ein bisschen anders. Denn ganz so abgeschieden und Zeit wie Raum enthoben ist die neue Spielstätte im Hinterplärsch, einen kurzen Fußmarsch von der Talstation der Muttersbergseilbahn entfernt, nicht. Aber auch der neue Schauplatz hat seinen Reiz. Auch hier ist man umgeben von Natur, von Wald, von Büschen, Zweigen – und der Berg, auf den man sich zuvor begeben hat, ist nun ganz einfach Kulisse.

Liebe ist irgendwie kompliziert

Dass das (Liebes)spiel um drei Pärchen, eine Schauspielertruppe und den Troll Puck immer wieder an den Theaterbühnen auftaucht, sollte man im Falle des Somemrnachtstraums nicht als reine Klassiker-Liebe abtun. Denn: Das Stück ist einfach gut! Mal liebt der die eine. Dann heult die andere. Mal liebt ein anderer eine andere, und schon flüchten zwei weitere in den Wald. Mal lieben alle nur eine, was die andere wieder an den Rand der Verzweiflung treibt. Und mitten drin thront Oberon, der Elfenkönig, der hauptsächlich seiner Gattin Titania eins auswischen will und dessen Helfershelfer Puck mit den diversen Liebessäftchen des Feenreiches für ein heilloses Durcheinander in den Reihen der Menschenpaare sorgt. Kurz und gut: es ist kompliziert mit der Liebe! Aber keine Sorge, am Schluss ist wieder alles in Ordnung und jeder Topf findet seinen Deckel. Mit und ohne Mithilfe.

Raffinesse geht auch simpel

Dieses Hütchenspiel setzt heuer nun der Vorarlberger Autor und Regisseur Thomas A. Welte für Shakespeare am Berg in Szene. Und er macht das – in einem einfachen und raffinierten Bühnenbild von Mandy Hanke und einer äußerst wandlungsfähigen Ausstattung von Nicole Wehinger  – ganz geschickt und amüsant. Er strafft ein bisschen hier, ein bisschen dort, reduziert das Figureninventar so, dass das Stück von handverlesenen fünf Akteuren spielbar wird und er nutzt die Natur als Kulisse für den Feenwald, in dem sich die Liebenden verrennen. Von Zeit zu Zeit ergänzt er auch den Shakespear’schen Originaltext. Das kann man schon machen. Muss ist es aber absolut keines. Auch wird bei ihm der Puck (Nikolaus Herdieckerhoff) eher zum Musicus und Erzähler – was er gekonnt umsetzt – als zum hinterlistigen und durchtriebenen Waldgeist. 

Daumen hoch, die Damen

Ausgesprochen großes Lob gebührt an diesem Abend aber ganz eindeutig dem Damenquartett. Denn schlichtweg alle anderen Figuren – ob Männlein oder Weiblein – werden von den vier Grazien Rebecca Selle, Anne Noack, Michaela Spänle und Guylaine Hemmer verkörpert. Und nicht nur das, die Damen spielen sich die verschiedenen Rollen auch noch abwechselnd zu. Mal ist Anne Noack als forscher Oberon zu sehen, mal Guylaine Hemmer, Rebecca Selle ist auch kurz dabei und fliegt vom Part des Lysanders einmal in die Feenwelt und wieder retour. Und Michaela Spänle, die spielt sowieso fast alle irgendwann einmal. Sie ist Hermia, Titania, Zettel und das liebestolle Eselchen. Alle Achtung! Überhaupt sind die Damen genauso lasziv, wie dann auch wieder rüpelhaft, verträumt und herrlich komisch.

Humor, die Königsdisziplin

Herrlich komisch sind die vier Aktricen vor allem und ganz besonders auch in dem von Shakespeare selbst so konstruierten „Stück im Stück“. Da geht es zwar auch um eine Liebesgeschichte – die von Pyramus und Thisbe – die endet aber eigentlich ja tragisch. Ja, genau: eigentlich. Denn Shakespeare hat damit eine der berühmtesten „Lachnummern“ der Theatergeschichte geschrieben, die darüber hinaus auch noch zum Gradmesser dafür geworden ist, ob eine Inszenierung hält, was sie großmäulig verspricht. In Bludenz hält die Sache. Die Damen sind als Löwe, Wand und Mond mit Hund wirklich einfach nur lustig. Lustig, das ist in diesem Fall ein großes Kompliment. Denn kaum etwas ist schwieriger gut zu spielen, als eine wirklich lustige Szene.  

So kann sich der  „Sommernachtstraum“ von Bludenz, der sich bis in die frühen Nachtsunden erstreckt, auch ganz einfach sehr gut sehen lassen. Und dass sich für diese gelungene Gesamtleistung alle Beteiligten dann ihren kräftigen Schlussapplaus abholen konnten, war ihnen nicht nur zu vergönnen, sondern stand ihnen ganz zu recht auch zu.

Nicht aus Zucker

Übrigens, wer zu Shakespeare am Berg will, der muss ein gewisses Maß an Wetterresistenz mitbringen. Denn Open Air-Theater heißt hier auch wirklich Open Air. Eine Ausweichlocation sprich Schlechtwettervariante gibt es nämlich keine. Dafür wird man in lauen Sommernächten von einem grandiosen Blick auf den freien Szternenhimmel und eine leichte Brise, die durch den Wald streift zusätzlich belohnt. Für den ungetrübten Theaterabend gilt es also: Im Zweifelsfall Decke und Jacke nicht vergessen!

Termine

Shakespeares "Sommernachtstraum" ist noch
am 9. /10. /11. / 14. / 16. / 17. und 18. August im Bludenz zu sehen.
Beginn: 21 Uhr
Dauer: ca 2,5 Stunden, eine Pause

Talstation Muttersbergseilbahn/Hinterplärsch. Vom Parkplatz bei der Muttersbergseilbahn führt ein gut begehbarer Güterweg - zu Fuß ca 5-10 Minuten - zum Aufführungsort.

www.shakespeareamberg.at

(aus der KirchenBlatt-Doppelnummer 30-31 vom 9. / 16. August 2018)