Das Kunstmuseum „Kolumba“ aus Köln ist zu Gast in der Johanniterkirche Feldkirch. In einer Performance wird das Hauptwerk „Creation“ des 85-jährigen Liechtensteiner Künstlers Martin Frommelt des Kunstpublikum auf eindringliche und berührende Weise vermittelt.

Bild: Der Zyklus „Creation“ umfasst 214 Radierungen. Er ist als fünfstündige Performance in der Johanniterkirche in Feldkirch zu sehen. So wird das Arrangement der „Kolumba“ hautnah und plastisch erfahrbar.

Wolfgang Ölz

Das Werk „Creation“ wurde von Martin Frommelt in den Jahren 1989 bis 1999 geschaffen. Es stellt den Endpunkt der Lebens-Trilogie des Künstlers dar, angefangen mit der „Apokalypse“ in den 1970-er Jahren, dem „Vähtrieb“ in den 1980-er Jahren bis hin zur „Creation“ in den 1990-er Jahren. „Creation“ umfasst fünf Konstellationen zur Schöpfung, die 214 mehrfarbigen Radierungen auf 107 Bögen im Format 80 x 120 cm gebannt sind. Das  monumentale druckgrafische Mappenwerk wurde von der National Gallery of Art in Washington in die Sammlung aufgenommen und in einem Atemzug mit Francisco Goya und Pablo Picasso genannt. Der Leiter des Kölner Diözesanmuseums „Kolumba“, Dr. Stefan Kraus, spricht von einem Mammutwerk, in dem ein Maximum an Form, Figuration, Kreatürlichem, Wertvorstellungen, aber auch Formen, Ornamente und Farben versammelt sind.

Der Glaube als Angebot
Stefan Kraus (geb. 1960), ist Martin Frommelt bereits seit 1984 verbunden und schätzt den Liechtensteiner als Künstler sehr. Von Stefan Kraus stammt auch die Verknüpfung der fünf Konstellationen von Martin Frommelt mit Texten der Weltliteratur. Es entspricht der Kunstauffassung der „Kolumba“, nicht nur vordergründig christliche Kunst auszustellen und zu sammeln, sondern nach jener Kunst zu fragen, die in ihrer Sinnstruktur existentielle Fragen aufwirft, die auch für die Kirche von brennendem Interesse sind. Aus diesem Grund finden sich in der Performance nicht nur Texte aus den Weisheitsbüchern, aus dem Buch Kohelet und des spanischen Mystikers Raimundus Lullus, sondern genauso Zitate von James Joyce, Francesco Petrarca und dem Biologen Rupert Riedl. Stefan Kraus sieht Martin Frommelt als Künstler in seinem Schmerz und seiner Freude ganz im Glauben, den ein Schöpfergott gestiftet hat, aufgehoben - allerdings soll dieser Glaube ein offenes Angebot sein, und nie als Meinung aufgezwungen werden.

Der Ablauf der Performance
Nach der von Kraus gepriesenen Uraufführung im Schauspielhaus Köln (2003) ist die Präsentation in Feldkirch ein Glanzpunkt des Ausstellungsjahres der Johanniterkirche und auch des 800-jährigen Stadtjubiläums, wie Kurator Arno Egger nicht ohne Stolz anmerkt. Der konkrete Ablauf der Aktion sieht so aus: Das Werk „Creation“ wird auf fünf Tischen liegend von den Kunstvermittlern des Museums „Kolumba“ geblättert. Es kommt zu  Wiederholungen, formalen Verwandtschaften und ästhetischen Brüchen innerhalb des gesamten Zyklus. Der Zuschauer kann sich dazu frei im Kirchenraum bewegen und im langsamen Nacheinander der Blattfolgen Beobachtungen machen, die sich als Summe zu einem Bild fügen. Sieben Schauspieler lesen dazu eine Auswahl der genannten Texte zu den verschiedenen Konstellationen. Bei dieser fünfstündigen Präsentation kann die Teilnahme unterbrochen und später weiterverfolgt werden, oder man kann zu einem späteren Zeitpunkt zu dieser Aufführung dazustoßen. Es ist durchaus angemessen, zwischendurch einen Kaffee trinken zu gehen, wie der Künstler Martin Frommelt selbst anmerkt. Die Kostbarkeit der (Lebens-)Zeit wird dadurch umso deutlicher.

Zeit vergeht wie im Flug
Es gibt auch Teilnehmer/innen, die von Anfang bis Ende dabei sind und dabei merken, wie die Zeit im Flug vergeht, wie Stefan Kraus weiß. Das Ganze dauert fünf Stunden, wobei zu jeder neuen Stunde eine neue Kassette zur Schöpfung geöffnet wird, 1. Stunde eine, 2. Stunde zwei, 3. Stunde drei, 4. Stunde vier und 5. Stunde dann alle fünf. Es ist vorgesehen, dass so die theatralisch-künstlerische Dichte immer mehr zunimmt und zuletzt kurz vor der Chaotik das Ende der Performance erfolgt. Stefan Kraus zum Gesamteindruck: „Die nahezu endlose Struktur dieser Texte und ihre wechselnden Inhaltsebenen verbinden sich zu einer vielstimmigen Aussage menschlicher Existenz, die die visuellen Eindrücke der ‚Creation‘ überlagert.“

Sprech- und Blätter-Performance 

Sa 16. Juni, 16 bis 21 Uhr,
Eintritt: frei, 
Johanniterkirche, Feldkirch.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 23 vom 7. Juni 2018)