Rund 1000 Kurzfilme mit einer Gesamtlänge von 250 Stunden - das sind in Summe über 10 Tage und Nächte - trudelten zu Beginn des Jahres beim Alpinale-Organisationskomitee ein. Was daraus wurde? Ein Filmfestival mit Witz und kritischem Blick.

Veronika Fehle

Es ist ja durchaus so, dass sich der Film an sich auf eine große Fangemeinde berufen kann. Der Kurzfilm ist ja schon der etwas kleinere Seitenarm dieses Hauptflusses. Wobei er durchaus das Zeug zum ganz großen Kino hat. Das Alpinale-Kurzfilmfestival in Nenzing ist einer jener Orte, an denen diese kleinen Filme auf ihr großes Publikum treffen. Zum Glück, denn sonst entginge so manchem manches. Nicht umsonst wählen Alpinale-Chefin Manuela Mylonas und ihr Team Jahr für Jahr - und heuer geht die Alpinale bereits in ihre 34. Auflage - aus allen Einsendungen ein Programm aus, das für Humor ebenso Platz lässt wie für das ernstere Fach. Filmische Einsendungen finden übrigens bis aus den USA und Australien ihren Weg nach Nenzing.

Leben ungeschönt.

Dort zeigen sie, dass ein Kurzfilmfestival absolut den kritischen Blick auf Gesellschaften werfen kann. Filme wie „JOC!“ von Andreea Valean aus Rumänien, die US-italienische Produktion „Labor“ von Cecilia Albertini, „Hörst du, Mutter?“ von Tuna Kaptan aus Deutschland und der Türkei sowie „Der Wächter“ des österreichischen Filmemachers Albin Wildner sind Beispiele dafür, wie das gelingen kann. Allen vieren ist eines gemeinsam: Sie zielen nicht auf den großen Effekt, sondern zeigen das Leben ihrer Helden und Heldinnen, wie es eben ist. Ungeschönt, manchmal auch hart. Aber so ist es eben, wenn man wie der Junge Dani in „JOC!“ auf den Straßen Rumäniens seinen und den Unterhalt der gesamten Familie bestreiten muss. Die Mutter ist krank, die Schwester das Pfand ihres Gefährten, das der gerne auch einmal zur Begleichung seiner Schulden einsetzt.

Der Faden reißt ab.

In „Labor“ trifft man  dann auf die junge Leihmutter, die auf einer Hühnerfarm schuftet, um sich und ihren Sohn durchzubringen. Für die wohlsituierte, genetische Mutter „ihres“ ungeborenen Kindes ist sie der Brutkasten auf zwei Beinen. Und dann treten Komplikationen auf und die Abtreibung wird angeordnet.
Mit Albin Wildners „Wächter“ begleitet man schließlich einen 50+-Arbeitslosen, der irgendwo zwischen pflegebedürftiger Mutter und perspektivloser Zukunft festhängt und mit „Hörst du, Mutter?“, landet man in einem türkischen Dorf, in dem eine ältere kurdische Dame mit Hausarrest inklusive Fußfessel belegt wurde, weil sie ihrem Sohn - einem mutmaßlichen PKK-Kämpfer - einen gestrickten Pullover in die Berge schickte.
Der Faden reißt, das Ende bleibt offen. Bei allen der vier Filme. Die Geschichte weiterzuerzählen liegt beim Publikum. Und dabei kann man schon ins Grübeln kommen: über die gegenwärtigen Zustände, über Politisches, über soziale Sicherheitsnetze und den schmalen Grat, der von der Filmrealität trennt. Aber am besten, man macht sich davon selbst ein Bild, beim Alpinale-Kurzfilmfestival zum Beispiel. «

Die Alpinale findet vom 6. - 10. August am Ramschwagplatz in Nenzing statt - bei Schlechtwetter im Ramschwagsaal. Die Filmvorführungen beginnen jeweils um 21 Uhr und dauern rund 2 Stunden. www.alpinale.at

  • Im Wettbewerb sind 34 Kurzfilme aus Österreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, den USA, Polen, Spanien, Frankreich, Israel, Belgien und Australien.
  • Das „Goldene Einhorn“ wird in den Kategorien „Animation“, „Hochschule“, International“ und „Preis der Jury“ vergeben. Preise gibt es auch für den Favoriten des Publikums, den besten Vorarlberger Beitrag und den besten Horror-Kurzfilm.
  • Der Jury der Alpinale gehören an: Zora Rux (Regisseurin und Drehbuchautorin aus Berlin), Simone Fuith (Schauspielerin, u. a. SOKO Donau, Tatort), Darren Mahon (Filmproduzent aus Irland) und Christoph Rainer (Filmemacher und Festivaldirektor aus Österreich).
  • Für Kinder gibt es bei der Alpinale ein eigenes Kinder-Kurzfilmfestival. Am 9. und 10. August sind dabei ab 16 Uhr Kurzfilme für Kinder zu sehen. Der beliebteste Film wird ebenfalls prämiert. Zudem findet am 8. August ein Schauspielworkshop für Kinder ab 8 Jahren statt. Infos unter: www.alpinale.at/kinderkurzfilmfestival
  • Virtual Reality-Filme kann man täglich ab 20 Uhr und während der Pausen im Foyer des Ramschwagsaals ausprobieren.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 30/31 vom 25. Juli 2019)