In Kolumbien steht nach 52-jährigem Bürgerkrieg ein historischer Schritt zum Frieden an. Der kolumbianische Künstler Danilo Ortiz erzählt im KirchenBlatt-Gespräch von den Ursachen und Folgen der Gewalt und von seinem Versuch, Frieden in einem umfassenden Sinn zu initiieren.

Patricia Begle

Es ist eine ganze Liste von Gründen, die hinter der Gewalt und Zerstörung stehen, die das Land im Nordwesten Südamerikas in seiner jüngsten Geschichte erlebt hat. Ganz oben findet sich die ungleiche Verteilung des Landes. Wenige reiche Familien besaßen den Großteil des Landes und besetzten auch die politischen Ämter. Es gab die Konservativen und die Liberalen - sie wechselten sich mit dem Regieren ab. Denn mehr Parteien waren verfassungswidrig. Was ebenso in der Verfassung geregelt wurde, war die Religionszugehörigkeit: „katholisch“ lautete das einzig mögliche Bekenntnis bis zur Verfassungsreform 1990.

Kriegswirrnisse
Dass solche ungerechten Verhältnisse Widerstand auslösen, liegt auf der Hand. „Zu Beginn waren es Bauern, die sich wehrten“, erzählt Danilo Ortiz. In den 50er-Jahren formierten sie sich zu Rebellengruppierungen. Beeinflusst wurden sie von Kuba und der marxistischen Ideologie, später auch von der Befreiungstheologie. „In den 1970er-Jahren haben auch Priester zu den Waffen gegriffen“, so der Kolumbianer. Prägend waren auch die Machenschaften der Drogenmafia und der Einfluss der USA. Korruption breitete sich aus, die Moral ging verloren und das Land mit seinen reichen Bodenschätzen wurde ausgebeutet. „Wenn die politische Situation unruhig ist, ist es leichter, unsere Schätze mitzunehmen. Die Amerikaner machten alles kaputt und ließen ihren Müll da“, legt Danilo Ortiz dar. Er hat nie Englisch gelernt - aus Protest.

FriedensKaffee 
In seinen Werken stellt der Künstler die Konflikte seines Landes auf unterschiedliche Weise dar. Seine Skulptur für den Frieden, an der er schon einige Jahre arbeitet, ist ein Beispiel dafür. Derzeit verfolgt er ein Projekt, das Wirtschaft und Kultur verbindet. Mit seinem Freund Manfred Stemmer, Mitbegründer der Casa Latina, organisiert er den Import und Verkauf von Kaffee, der in einer Kooperative von 280 Familien angebaut wird. Dabei geht es um Begegnung und Partnerschaft auf Augenhöhe. „Wir haben viel zu geben“, weiß Danilo Ortiz, „wir brauchen nur eine faire Chance“. Das Besondere an diesem Kaffee: er wird jede Woche in Vorarlberg frisch geröstet. Was aber vor allem zählt, ist der Bezug zu den Menschen, die ihn anbauen und verarbeiten. Diese Verbindung wird quasi bei jeder Tasse bewusst. «

www.friedenskaffee.com 

ZUR SACHE

52 Jahre herrschte in Kolumbien Bürgerkrieg. Rund acht Millionen Menschen wurden Opfer von Folter, Vergewaltigung, Entführung, Vertreibung und Zwangsrekrutierung. Mehr als  250.000 Menschen verloren ihr Leben, 6 Millionen ihr Zuhause. Die Zahl der Verschwundenen liegt zwischen 45.000 und 80.000.

Der Krieg spielte sich ab zwischen der Regierung, rechten Paramilitärs und linken Guerillagruppen. Finanziert wurde der blutige Konflikt vielfach mit Geldern aus dem Drogenhandel, insofern war die Drogenmafia in das Szenario verwickelt. Zudem vertraten die USA ihre Interessen in dem südamerikanischen Land und hinterließen Spuren.

Seit November 2012 führt die Regierung mit der Rebellengruppe FARC Friedensverhandlungen. Am 24. August kamen sie zu einem Abschluss, am 29. August trat ein Waffenstillstand in Kraft. Am 26. September wird der Friedensvertrag offiziell unterschrieben und am 2. Oktober dem kolumbianischen Volk zur Abstimmung vorgelegt. Wird er angenommen, steht der nächste Schritt an: Friedensgespräche mit der kleineren Rebellengruppe ELN.

Der 297-seitige Friedensvertrag umfasst sechs Teilabkommen. Es geht um eine Landreform, um die Entwaffnung der Rebellen, ihre Umwandlung in eine politische Partei, um Wiedergutmachung für die Opfer, den Kampf gegen den Drogenhandel sowie die Umsetzung des Abkommens.

Das Abkommen hat auch Gegner: die extreme Rechte, unter ihnen der ehemalige Präsident Alvaro Uribe Velez, bezeichnet die Rebellen als Terroristen und lehnt Verhandlungen mit ihnen grundsätzlich ab.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 38 vom 22. September 2016)