Ein neuer Lebensabschnitt kann Gewohntes plötzlich in Frage stellen. Was tun? Rosa Maria Mayer fand beim Berufungscoaching Orientierung und Antworten. Vor allem aber jemanden, der aufmerksam zuhörte.
Patricia Begle
Der Beginn der Pensionszeit von Rosa Maria Mayer vor drei Jahren war von Euphorie geprägt. Im Zentrum stand all das, was nicht mehr gemacht werden musste. „Doch dann entstand ein Vakuum“, erzählt die Kindergartenpädagogin. Sie spürte keine wirkliche Befriedigung und Sinnerfüllung bei dem, was sie tat. „Ich war irritiert und oft deprimiert“, erinnert sie sich. Als sie im KirchenBlatt vom Berufungscoaching las, beschloss sie, es zu versuchen.
„Ich sollte“
Nach einem Erstgespräch ging es los. Alle zwei bis drei Wochen traf sie sich im Herbst 2016 mit Monika Eberharter, ihrer Berufungscoachin. Mithilfe unterschiedlichster Methoden ging es darum, die eigenen Bedürfnisse aufzudecken und nach dem zu suchen, was diese erfüllen kann. „Die Methode war mir nicht das Wesentliche“, erzählt Mayer. „Für mich war ausschlaggebend, dass ein Mensch mir aufmerksam und einfühlsam zuhörte, eine hilfreiche Distanz einnahm und eine klare Position bezog.“ Schon zu Beginn fiel ein wesentlicher Satz: „Ich spüre nicht, dass es Spaß macht“, meldete die Coachin zurück. Mayer entdeckte, dass bei vielen Tätigkeiten ein „i sött“ („ich sollte“) dabei ist. „Ich habe mich gefragt, warum ich das tue. Es geht ja nicht darum, Zeit zu füllen. Ich möchte etwas geben“, erklärt sie.
Nachspüren
In einem Modul des Coachings ging es darum, die einzelnen Schritte des bevorstehenden Weges darzustellen. Für Mayer war dies sehr hilfreich, stand sie doch in einer ungewöhnlichen Situation - inmitten eines Wohnungs- und Ortswechsel. „Es tat gut, den Weg zu sehen und die einzelnen Schritte nachzuspüren - ob sie stimmen oder etwas fehlt. So wurde alles konkreter und leichter nachvollziehbar“, erklärt sie im Rückblick. Auch das Schreiben einer persönlichen Visionsgeschichte war ein guter Ausgleich zur Nüchternheit des Alltags, der damals von Hausverkauf und Umzugsplanung bestimmt war.
Leerräume
Seit sieben Monaten lebt sie nun in der neuen Wohnung in Dafins - im „Mitdafinerhus“, das elf Wohnungen beherbergt und den Bewohner/innen zudem ermöglicht, ihre Hausgemeinschaft zu pflegen. Die Ideen, die sie in ihrer Visionsgeschichte kreierte, konnte sie nicht alle umsetzen. „Ein kleines Dorf hat etwas Geschlossenes“, erzählt sie, „so bin ich ein paar Mal in der Realität gelandet“. Inzwischen hat sie zu einer Lockerheit gefunden, sie schaut einfach in aller Offenheit, was sich ergibt.
Von ihrem früheren Leben hat sie sich mitgenommen, wofür ihr Herz schlägt. Lange Spaziergänge, Singtreffen mit ihren Freundinnen, das kreative Gestalten. Als Vorlesepatin im Kindergarten setzt sie ihre pädagogischen Fähgkeiten ein, und beim wöchentlichen Friedensgebet in Dafins bringt sie zum Ausdruck, was ihr unter den Nägeln brennt. Einen vollen Terminkalender will sie nicht mehr - stattdessen gibt es in ihrem Alltag Leerräume - um zu schauen, was entstehen will.
Berufungscoaching
Sieben Mitarbeiter/innen des Pastoralamtes haben eine zertifizierte Ausbildung nach der Methode „BerufungscoachingWaVe®“. Der Coaching-Prozess umfasst 6 bis 8 Einheiten zu je 50 Minuten, die Kosten werden zur Gänze von der Katholischen Kirche Vorarlberg getragen.
Zudem gibt es auch freischaffende Berufungscoaches, deren Angebote sind kostenpflichtig.
www.kath-kirche-vorarlberg.at/themen/berufungscoaching
(aus dem KirchenBlatt Nr. 44 vom 2. November 2017)