Die Serie 'Mein Lieblingskunstwerk' ist zurück: In der Hörbranzer Pfarrkirche hängt ein besonderes Marienbild. Aus dem Florenz der Medici über das Augsburg der Fugger gelangte ein Verkündigungsbild von Cristofano Allori ins Leiblachtal. Für Theresia Anwander vom vorarlberg museum ist es ein Lieblingskunstwerk.

Theresia Anwander

Eine berühmte Kopie der Verkündigungsdarstellung aus der Kirche „Santissima Annunziata“ in Florenz ist in der Pfarrkirche zum „Heiligen Martin“ in Hörbranz zu sehen. Wie das Gemälde dorthin kam, ist eine spannende Geschichte, in der es um Urheberschaft, Copyright, Macht und Besitz geht.

Eine Staatsikone

Das Gnadenbild der „Santissima Annunziata“ entstand um 1360 als Fresko in der gleichnamigen Servitenkirche in Florenz. Die Legende erzählt, dass der Künstler Schwierigkeiten hatte, das Gesicht der Jungfrau Maria zu malen. Er schlief über seiner Arbeit ein. Als er aufwachte, sah er, dass das Fresko von Engelshand fertiggestellt worden war. Die Nachricht über dieses Wunder begeisterte die Menschen und Florenz etablierte sich zur Hauptstadt der Verkündigung. Später nutzten die Medici die Strahlkraft des Gemäldes für ihre Machtinteressen, erhöhten es zu einer Staatsikone und bewarben es weit über die Grenzen ihres Territoriums hinaus. So kamen zahlreiche Pilger nach Florenz, um das Bild zu bestaunen. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts erreichte der Kult um das Verkündigungsbild eine neue Qualität. Bis dahin herrschte strenges Kopierverbot, nun konnte das Gnadenbild in unterschiedlichsten Materialien reproduziert und europaweit vertrieben werden.

Abenteuerliche Reise

So orderte das in Hall in Tirol ansässige Damenstift beim renommierten florentinischen Maler Cristofano Allori (1577-1621) eine Ölkopie. Unter Josef II. wurde das Damenstift in Hall aufgelöst. Die Verkündigung des Meisters aus Florenz kam von der Salzstadt in die Fuggerstadt Augsburg und verblieb im Besitz einer wohlhabenden Familie, deren Nachfahren sich um 1890 in Hörbranz niederließen und das wertvolle Gemälde mitbrachten. Das Ölgemälde ging 1963 als Schenkung an die Pfarrkirche. Durch die Renovierung der Kirche von 2000 bis 2002 konnten Gemälde und Schutzdeckel erstmals nebeneinander als Gesamtkunstwerk präsentiert werden. Eine in goldenen Lettern ausgeführte Inschrift am Schutzdeckel verweist auf die wundersame Entstehung des Bildes. Damit endete die abenteuerliche Geschichte des Werkes, das einen kulturgeschichtlichen Bogen zwischen der Leiblachtalgemeinde und der Kunstmetropole Florenz spannt und dabei eine Botschaft vermittelt, die gerade in heutigen Zeiten über das kunsthistorische Interesse, über Zeiten und Regionen hinaus Halt und Kraft geben kann. Die Kopie der Verkündigungsszene aus der „Santissima Annunziata“ in Florenz zählt zu den schönsten Nachbildungen und Cristofano Alloris Werke sind in den wichtigsten Galerien der Welt zu sehen: dem Palazzo Pitti in Florenz, der Tate in London, oder dem Louvre in Paris. Und eben auch in Hörbranz, was einen Besuch äußerst lohnend macht.

 

Zur Person

Theresia Anwander, Studium der Europäischen Ethnologie und Germanistik an den Universitäten Innsbruck und Wien. Mitarbeiterin am Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum; seit 1989 in Vorarlberg als freischaffende Kuratorin zu den Themenbereichen Textil, Industriekultur, Mode und Alltagskultur tätig. Seit 2009 Kuratorin und Produktionsleiterin von zahlreichen Ausstellungen am vorarlberg museum.

(Aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 47 vom 19. November 2020)