Am 2. Jänner wurde P. Vinzenz Wohlwend zum Abt des Klosters Wettingen-Mehrerau geweiht. Im KirchenBlatt-Interview spricht er über sein Amt, die Zukunft des Klosters und seine Art, Entscheidungen zu treffen.

Das Interview führte Patricia Begle

Abt Vinzenz, welche Aufgaben gehören zu Ihrem neuen Amt?
Abt Vinzenz Wohlwend: Einmal bin ich verantwortlich für alles, was das Haus hier anbelangt - sowohl für die spirituellen als auch für die wirtschaftlichen Fragen. Des Weiteren trage ich als Abtpräses für die Zisterzienserkongregation von Mehrerau Verantwortung für weitere 21 Klöster. Hier habe ich vor allem beratende Funktion - Entscheidungen abnehmen kann ich den Klöstern nicht, ich kann also nicht hineinregieren.

Und wenn es zu Missständen kommen würde?
Abt Vinzenz: Dann hätte ich die Verantwortung, diese aufzuzeigen und zu beraten.

P. Vinzenz Wohlwend ChorgebetSie sind auch Mitglied der Österreichischen Bischofskonferenz.
Abt Vinzenz: Ja, und als Administrator habe ich schon einmal an einem Treffen teilgenommen. Das war eine ganz spannende Geschichte, und ich muss sagen, ich war sehr positiv überrascht. Die Bischöfe können miteinander reden, auch wenn sie unterschiedliche Ansätze und Meinungen haben. Jeder kann seines sagen, da hat keiner Angst und es rennt auch keiner davon.

Für ihr Amt haben Sie sich einen Leitspruch gewählt. Welche Bedeutung hat er für Sie?
Abt Vinzenz: „Höre, erwäge, erfülle in der Tat“. Der Satz stammt aus dem Prolog der Regel des hl. Benedikt. Es ist eigentlich auch das, was die Muttergottes getan hat: Auch sie hat hingehört, Rückfragen gestellt und Ja gesagt. Für unseren Orden hat die Muttergottes eine besondere Bedeutung, alle Zisterzienserkirchen sind ihr geweiht.

Wenn Sie ratlos sind, wie gehen Sie damit um?
Abt Vinzenz: Erst einmal informiere ich mich über die Materie, hole mir Rat bei Mitbrüdern  - hier gibt es ein beratendes Gremium, bei Spezialisten oder von Menschen, in die ich großes Vertrauen habe und von denen ich weiß, die kennen sich da aus. Da höre ich dann einfach zu. Dann nehme ich das mit, bete darüber, schlafe darüber. Dann setze ich mir meistens eine Deadline, damit es nicht passiert, dass keine Entscheidung getroffen wird. Damit man auch weiterarbeiten und weitergehen kann.
Was mir auch hilft, ist der Blick von außen auf das Kloster: Aus einem Klassenzimmer vom zweiten Stock gibt es so einen Blick, vom See oder vom Pfänder. Bei einer Wanderung ist mir zum Beispiel klar geworden, dass die Grünfläche der Mehrerau einer der Lungenflügel von Bregenz ist. Der andere ist der Pfänderhang mit dem Wald. Das ist das Schützenswerte der Schöpfung. Da habe ich Verantwortung, da muss ich darauf schauen, dass wir das als Erholungsgebiet erhalten.

Und diese Erkenntnis hat Sie in der Entscheidung für die Parkplatzlösung  beeinflusst?
Abt Vinzenz: Ja. Wir möchten ehemalige Ställe und Fahrsilos abbauen und wieder begrünen. Jetzige Parkplätze werden aufgelassen und ein zentraler Parkplatz wird geschaffen an einem Ort, der bereits bebaut war. So gewinnen wir Grünflächen.

Worin sehen Sie die Aufgabe Ihres Klosters?Kloster Mehrerau
Abt Vinzenz: Unsere erste Aufgabe ist: mit und für die Leute zu beten. Vom Ordens-
ideal her ist das ganz klar. Unsere Aufgabe ist auch, unsere Existenz zu sichern, zu schauen, dass wir unseren Teil der Arbeit tun, um hier bleiben zu können. Das heißt, dass jeder einzelne Bruder seine Aufgabe hat, dass es wertgeschätzt wird, was er tut, dass er auch hinkommt zu dem, was ihn glücklich macht. Das ist das, was für mich schon damals das Kloster attraktiv gemacht hat: Dass ich gesehen habe, dass die Mönche glücklich sind im Alter, dass sie gerne arbeiten, dass sie gerne beten, dass sie aber auch nicht stehenbleiben wollen, sondern sich fortbilden. Da sehe ich eine ganz wichtige Aufgabe für mich als Abt, zu entdecken, wo meine Mitbrüder Talente haben. Ich sehe das auch als Teil meiner geistlichen Verantwortung.

Die Zahl der Mönche ist wie in vielen Orden in unseren Breitengraden in den letzten Jahren ­gesunken. Wie kommen Sie zu Nachwuchs?
Abt Vinzenz: Ich denke, es ist wichtig, dass wir offen sind, damit Menschen unsere Lebensform entdecken können und erfahren: Mönch sein ist eine Möglichkeit, sein Leben zu gestalten, ein Lebensziel  und Zufriedenheit zu finden. Wenn es bei uns herinnen stimmt, dann gibt es auch Menschen, die uns attraktiv finden. Dafür müssen wir wachsam sein und immer wieder ins Gespräch kommen: Wo wollen wir hin, was ist für unseren Lebensentwurf stimmig, was stimmt nicht. Darin liegt die Herausforderung der kommenden Jahre. Ich denke, dass es in der heutigen Gesellschaft wichtig ist, dass wir Klöster haben - als Orte der Stille und des Rückzugs für die Menschen. Dafür muss sich jemand in den Dienst stellen. Aber es braucht dafür nicht viele, sondern Qualität.

Und wenn irgendwann nur noch zwei Patres da sind ...?
Abt Vinzenz: Dann sind nur noch zwei da - das macht mir keine Angst. In der Kirche gibt es immer wieder neue Aufbrüche in neuen Formen von Gemeinschaften. Es kann auch sein, dass unser Modell ausläuft - der Herrgott ist kreativ genug, dass er die Botschaft, die er für uns hat, nämlich dass wir Erlöste sind und befreit sind, dass er zu uns steht und uns liebt, dass er diese Botschaft in die Welt transportieren will - auf welche Art und Weise, hängt nicht in erster Linie von der Wahl der Lebensform ab, sondern von den Menschen, die den Glauben leben.

Was ist für Sie schwierig in Ihrem Amt?
Abt Vinzenz: Zum einen sind es die Missbrauchsfälle. Ich bin hier zwar nicht erste Ansprechperson, aber immer involviert. Meine Mitarbeiter sind mit Betroffenen gut im Gespräch. Es ist gerade auch bei den ­Opfern sehr, sehr wichtig, dass wir zuhören und sie ernst nehmen in dem riesigen Leid, das sie erfahren haben.
Und zum anderen sind für mich Entscheidungen schwierig, bei denen man etwas oder jemanden loslassen muss - das geht an die Substanz.

Kloster Mehrerau BeschilderungWie tanken Sie auf?
Abt Vinzenz: Meine wichtigste Auftankstelle ist sicher das Gebet. Die zweite ist Radfahren, Schi fahren, Baden im See - einmal den Wind um die Nase blasen lassen ...

Sind Sie in sozialen Medien präsent?
Abt Vinzenz: Ich habe einen Instagram-­Account, für den ich mir eine Regel gesetzt habe: Ich werde mich - außer in einer Gruppe - nie persönlich darstellen. Selbstdarstellung - ich mag das für mich nicht und brauch das nicht.

Möchten Sie Botschaften in die Welt setzen?
Abt Vinzenz: In der gesellschaftspolitischen Diskussion möchte ich mich schon positionieren, auch Sprachrohr sein für Menschen. Dazu muss ich aber die Hintergründe gut kennen. Als Abt kann ich nicht einfach mit den „Hähnen krähen“.

P. Vinzen WohlwendTragen Sie Ihr Ordensgewand immer?
Abt Vinzenz: Ich trage mein Ordensgewand gerne. Aber beim Radeln oder beim Treffen mit Freunden geh ich in Zivil. Ich besitze kein Kollar und werde mir als Abt auch keines zulegen.

Auf welchen Moment der Weihe freuen Sie sich besonders?
Abt Vinzenz: Auf das Liegen am Boden. Da habe ich wirklich Ruhe. Und da spüre ich, dass ich getragen bin von der Gemeinschaft, von Freunden, von den vielen Menschen, die für mich beten und vom Herrgott. Denn allein würde ich dieses Amt nie stemmen.

Die Weihe von Abt Vinzenz Wohlwend fand am Mittwoch 2. Jänner - nach dem Druck dieser Ausgabe - statt. Mehr zur Abtweihe finden Sie in der nächsten KirchenBlatt-Ausgabe.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 1 vom 3. Jänner 2019)