Der neue Pastoralamtsleiter Martin Fenkart wirft einen Blick voraus auf das Jahr 2016, auf die kommenden Herausforderungen für Diözese und Pfarren und auf die Schwerpunkte des Pastoralamts.

Dietmar Steinmair

KirchenBlatt: Sie sind seit zweieinhalb Monaten Pastoralamtsleiter. Ich vermute, Sie sind nun seltener zuhause. Hat sich Ihr Leben verändert?
Martin Fenkart: Ja und nein. Die letzten fünf Jahre bin ich sehr viel im Ausland unterwegs gewesen und somit freue ich mich zumindest jeden Abend auf mein eigenes Bett. Auch meine Familie bekommt mich an den Wochenenden mehr zu Gesicht. Natürlich aber bringt die neue Aufgabe viel Freude, viele „würzige Fragen“ und einen sehr dichten Zeitplan mit sich.

Wie empfinden Sie die Stimmung in der Kirche im Land?
Da könnte man jetzt nachfragen, wer denn die Kirche im Land ist, von der Sie da sprechen. Gehören ihr nur die Kirchgänger/innen an? Meines Erachtens ist Kirche weiter zu fassen und ich erfahre, dass viele Menschen religiös suchend, hoffend und gegenüber der „Institution Kirche“ kritisch bzw. erwartungslos sind. Ich wünsche mir, dass es uns als Organisation gelingt, weniger auf den Bauchnabel zu schauen und mehr auf die Stimmung in der Gesellschaft um auf die Bedürfnisse der Menschen antworten zu können, so wie Jesus das vermutlich tun würde, wenn er auf Kurzurlaub ins „gelobte Ländle“ käme. Kirche erlebe ich insgesamt im Sprung gehemmt, um nicht zu sagen: Wir stehen uns vielfach selbst im Weg, Neues zuzulassen um die gute Botschaft mit neuem Mut weiter zu geben.

Wie gelingt es dem Pastoralamt, die ehrenamtlichen Multiplikatoren der kirchlichen Botschaft - sprich der Orientierung am Evangelium - in ihrer Arbeit vor Ort zu motivieren?
Als „Spar“-Werbeleiter habe ich immer wieder den Satz von der Verkaufsfront gehört: „Kann aus der Zentrale etwas Gutes kommen?“ Was tun die da oben in Feldkirch, wäre eine ähnlich kritische Anfrage an unsere Zentrale als Pastoralamt und in der Tat müssen wir uns immer wieder fragen, ob unser Engagement auch zielführend ist. „All dra si“ heißt noch lange nicht, das Richtige zu tun.
Ich habe drei Bilder für die Fähigkeiten, die wir Hauptamtlichen, Priester und Laien künftig dringend brauchen: Ich denke an die Hebamme und ihr Talent, das Kind ins Leben zu heben. Dann fällt mir der  Schwimmlehrer ein, der vermitteln kann, dass man im Wasser nicht zwingend untergehen muss. So kann auch der Glaube tragen. Und dann denke ich gerne an das Trüffelschwein, das die Trüffel erschnüffelt. Priester und hauptamtliche Laien haben mehr denn je die Aufgabe, in allen Getauften die Charismen und Talente zu erschnüffeln, zu entdecken, sie zu befähigen und zu ermutigen ihr Christsein zu leben - weit über die traditionellen Rollen hinaus. Was wir aber vor allem brauchen ist die Freude.

Stichwort Kirche und Gastfreundschaft: 2015 war in Europa, und auch bei uns, das Jahr der Flüchtlinge. Welchen Beitrag leistet die Kirche zur Integration der Bleibeberechtigten?
Mehr als zehn Prozent aller in Vorarlberg untergebrachten Flüchtlinge wohnen in Quartieren, die von Pfarren, der Diözese oder Orden zur Verfügung gestellt wurden. Über 2000 Flüchtlinge sind darüber hinaus in Quartieren untergebracht, die von der Caritas angemietet oder betreut werden. Die kirchlichen Initiativen sind unzählig und sehr viele engagieren sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe. Vergangenen Herbst hat das KBW gemeinsam mit der Pfarrcaritas einen Lehrgang gestartet für Menschen, die sich in der Begleitung von Asylwerber/innen einsetzen. Der Lehrgang war schnell ausgebucht - ein nächster ist in Planung.
Im Bereich Elternbildung erreichen wir Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund über ihre Bedürfnisse. Eltern-Kind-Gruppen in Flüchtlingsheimen sind Vorboten für neue Initiativen, die auf die Kirche warten, denn die Herausforderungen der kommenden Jahre heißen Integration, Dialog, Wertschätzung für andere Kulturen und Religionen bzw.  Mut und Elan das Christentum und die Quellen der Freude allen Menschen anzubieten - am besten durch konkret gelebte Nächstenliebe.

Im Oktober 2015 fand im Rom die Familiensynode statt. Gibt es - noch vor dem allgemein erwarteten Schreiben von Papst Franziskus - schon konkrete Maßnahmen, die die Diözese setzen kann und wird?
Bischof Benno hat in seinem Handgepäck aus Rom drei Stichworte mitgebracht, die uns als Wegweiser gelten: „Begleiten - unterscheiden - integrieren“. Zwei Arbeitskreise haben hier ihre Arbeit bereits aufgenommen: Das Ehe- und Familienzentrum beschäftigt sich mit der Frage der Begleitung von geschieden-wiederverheirateten Paaren auf einem Weg der Versöhnung und Vergebung, bis zur Möglichkeit einer Segensfeier, vor allem aber der Inklusion in der christlichen Gemeinde. Darüber hinaus gibt es einen diözesanen Arbeitskreis für Homosexuellen-Pastoral, den ich für sehr wichtig halte, denn wir haben als Kirche die Pflicht, jedem Menschen zu sagen: Dein Erfinder hat dich wunderbar erfunden. Die Synode wird uns noch gut beschäftigen.

Mit September 2015 wurde in Hohenems ein weiterer Seelsorgeraum errichtet. Was hat sich aus Ihrer Sicht - etwa in den schon bestehenden SSR Bregenz, Bludenz und Dornbirn - an der Wahrnehmung von Kirche geändert?
„Kein Stein bleibt auf dem Anderen“, hatten viele anfangs den Eindruck, und so ist das Neue gern der Feind des Alten. In neue Rollen und Aufgaben wächst man auch nicht über Nacht hinein und es ist oft schwer, sich von lieb gewonnen Gewohnheiten zu verabschieden.

Wo liegen die bleibenden Herausforderungen und wie  gehen Sie mit Widerständen um?
Hinter Widerständen verbergen sich oft wichtige Anliegen und dieses gilt es zu erfassen und ernst zu nehmen.  Zu den Herausforderungen: wir sind erst am Anfang von großen Veränderungsprozessen, nicht zuletzt durch die rasante Entwicklung der Gesellschaft.  Viele haben jetzt schon durch die Zusammenschlüsse der Pfarren positive Erfahrungen gemacht z.B. dass  Synergien gefunden wurden  und dass über den Kirchturm hinaus zusammen gearbeitet wird.
An anderen Orten klemmt es gewaltig, weil wir uns gegenseitig helfen müssen in ein neues Kirchenbild hineinzuwachsen, wenn es darum geht, dass die Kirche der Zukunft keine Versorgungskirche ist, sondern eine sorgende und dienende Kirche aller Getauften. Wir bleiben in einem herausfordernden Prozess mit den Kernfragen von Glaubenserneuerung, Ehrenamtlichenkultur und Leitung.

Vor einem Monat begann das weltweit ausgerufene „Jahr der Barmherzigkeit“. Wie kann die Kirche Barmherzigkeit zeigen, spürbar machen? Sprich: Was haben der Mann und die Frau von der Straße vom Jahr der Barmherzigkeit?
Auf eine komplexe Frage suche ich eine einfache Antwort - die Kirche, das sind Sie und ich. Papst Franziskus hat geschrieben: „Lassen wir uns in diesem Jubiläum von Gott überraschen.“ Wenn jede/r KirchenBlatt-Leser/in damit beginnen würde, seinen Nachbarn zu fragen, was Barmherzigkeit für ihn bedeutet, dann würde da schon etwas in Bewegung kommen. Sagen Sie jetzt bitte nur nicht, das hätten Sie überlesen.

Jugend und Kirche: Welche Initiativen wird das Pastoralamt im kommenden Jahr setzen?
An Aktionen mangelt es nicht. Die kann man gut auf unserer Homepage nachlesen. Dann ist mir wichtig, dass wir im Team die kirchliche Jugendarbeit weiter entwickeln, dass Beteiligung in allen Projekten groß geschrieben wird, dass wir den „neuen Schlauch für den neuen Wein“ willkommen heißen. Ich träume davon, dass jede/r Gläubige, jeder Priester, jeder Laie, einen Jugendlichen zwischen 14 und 20 hat, für den oder für die er betet und in konkreten Lebensfragen Unterstützung gibt. 

Ihr persönlicher Wunsch für das Jahr 2016?
Die Gabe, über mich selber gut lachen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

(aus dem KirchenBlatt Nummer 1 vom 7. Jänner 2016)