Die Zahl der Menschen, die angesichts der Lage der Flüchtlinge etwas tun wollen, steigt ständig. Um das Engagement der Freiwilligen zu unterstützen, bietet das Katholische Bildungswerk in Kooperation mit der Caritas nun den Lehrgang „Aufeinander zugehen“ an. Über dessen Sinn und Ziel hat das KirchenBlatt bei Judith Schwald (Flüchtlings- und Migrantenhilfe) und Ingrid Böhler (Pfarrcaritas) nachgefragt.

Patricia Begle

Wie viele Freiwillige sind derzeit im Flüchtlingsbereich tätig? Was tun sie?
Rund 250 Frauen und Männer sind derzeit im Bereich der Grundversorgung für Flüchtlinge in den großen Quartieren tätig. Zudem sind rund 70 Sozialpaten für die Menschen, die ein Bleiberecht bei uns in Vorarlberg erhalten haben, aktiv. Dazu kommen noch zahlreiche Initiativen in Pfarren und Gemeinden, die sich für die Flüchtlinge vor Ort einsetzen.All diese Menschen helfen den Flüchtlingen beim Erlernen der deutschen Sprache, unterstützen sie bei ihrem Ankommen, indem sie Zeit mit ihnen verbringen, sie in die Netzwerke vor Ort einführen und in deren Aktivitäten miteinbinden („Seeputzate“, Flurrreinigung, Fußball, Surfen, Pfarrcafé, Suppensonntag…). Zudem helfen viele freiwillig engagierte Menschen auch bei der Wohnungs- oder Jobsuche für bleibeberechtigte Menschen. Viele Lehrer/innen, Jugend- oder Firmgruppenleiter/innen bringen die vielen Facetten rund um das Thema „Flucht“ Jugendlichen näher und initiieren dazu kreative Projekte.

In welcher Form werden die Freiwilligen seitens der Caritas begleitet?
Der Caritas ist es sehr wichtig die Freiwilligen bei ihren Tätigkeiten gut zu begleiten. Dazu haben wir in jedem Bereich hauptamtliche Koordinator/innen. Je nach Aufgabengebiet besteht die Begleitung dann in der Abklärung und Koordination der Einsätze, in der Organisation von Einschulungen, regelmäßigen Austauschtreffen und Weiterbildungen sowie in der persönlichen Erreichbarkeit und Beratung der Freiwilligen bei Fragen oder schwierigen Themen.

Wie ist der Lehrgang methodisch aufgebaut?
Neben Impulsen von Fachreferent/innen aus den unterschiedlichen Bereichen stehen Gespräche in Kleingruppen sowie ein Austausch von persönlichen Erfahrungen und Beispielen aus der Praxis im Vordergrund.

Mit welchen Herausforderungen sind die freiwillig Engagierten im Kontakt mit Flüchtlingen konfrontiert?
Die größte Herausforderung ist sicherlich immer wieder die sprachliche Verständigung und die Begegnung zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Wir alle haben ja unterschiedliche Bilder in uns, sind vertraut mit Regeln oder Gepflogenheiten aus unseren Familien und Kulturen. Wir alle sind unterschiedlich sozialisiert und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Hier einen guten gemeinsamen Weg zu finden, ist Herausforderung und Chance zugleich. Durch guten Beziehungsaufbau treten sprachliche Barrieren in den Hintergrund und „andere“ kulturelle Gepflogenheiten werden als Bereicherung gesehen.

Der größte Wunsch eines Asylwerbers ist, hier in Österreich bleiben zu können. Für Freiwillige ist es eine große Herausforderung damit umzugehen, dass es keine Einflussnahme auf ein Asylverfahren gibt. Dieses Ohnmachtsgefühl gemeinsam mit dem Asylwerber auszuhalten ist eine Herausforderung und kostet viel Kraft. Gerade wenn der Beziehungsaufbau zwischen Freiwilligen und Flüchtling geglückt ist, fällt es schwer, mit Entscheidungen wie Abschiebung umgehen zu können.

Welche Unterstützung bietet hier der Lehrgang?
Gutes Basiswissen ist ein guter Boden für eine gelingende interkulturelle Begegnung. Der Lehrgang vermittelt dies. Zudem werden auch die Grenzen zwischen haupt- und ehrenamtlicher Tätigkeit herausgearbeitet.

Wo liegen die Grenzen dieses Engagements?
Grenzen liegen ganz klar dort, wo es um eine fachspezifische Beratung geht, z.B. bei rechtlichen Fragen oder der „Behandlung“ psychischer Störungen oder Krankheitsbilder. Die verschiedenen Module im Lehrgang vermitteln ein Basiswissen, um ein grundlegendes Verständnis für das Gegenüber zu erhalten. Somit kann Wesentliches an die Hauptamtlichen weitergeleitet werden. Die Grenzen zwischen Haupt- und Ehrenamt müssen klar sein. Viele Fragen von Flüchtlingen kann ich nur beantworten, wenn ich ein fachspezifisches Wissen habe. Halbwahrheiten oder falsche Informationen können zu Irritationen führen und schlussendlich zu falschen  Interventionen führen. Es ist sehr wichtig, dass sich Freiwillige nicht selbst überfordern. Hier die eigenen Grenzen der Belastbarkeit gut zu kennen, ist von großer Bedeutung.

Wie wirkt sich dieses Engagement auf die Einzelnen bzw. auf eine (Dorf)gemeinschaft aus?
Wenn sich ein Mensch auf einen anderen einlässt, hat das Konsequenzen – es verändert zunächst mich selbst und natürlich auch das Umfeld in meinem Leben. Durch das Engagement für Flüchtlinge begegnen wir dem Menschen hinter dem Flüchtling. Dann sind plötzlich nicht mehr 25 Flüchtlinge in unserer Gemeinde, sondern Hassan oder Amal, und vielleicht lernen wir dann das Fremde verstehen, erkennen das Verbindende und erfahren eine Bereicherung für das persönliche Leben.

Menschen, die sich in ihrer Pfarre, in ihrer Gemeinde für Flüchtlinge engagieren, sind eine der wichtigsten Säulen der Integration. Gemeinsam mit den Flüchtlingen ergibt sich ein bereichernder Austausch bezüglich der unterschiedlichen Kulturen, der Vielfalt der Sprachen. Somit entsteht ein gewinnbringendes Miteinander aller Menschen in der Gemeinde. Es sind diese freiwillig Engagierten, die ihrer Pfarre und Gemeinde neue Wege des Zusammenlebens aufzeigen.

„Aufeinander zugehen“

Basismodule

  • Flucht & Asyl – Zahlen & Fakten
    Referentin: Mag. (FH) Elisabeth Meusburger
    29. Okt. 2015, 19 bis 22 Uhr
  • Flüchtlinge in ihrem Alltag begleiten
    Referentin: Mag. Judith Schwald
    11. Nov. 2015, 19 bis 22 Uhr
  • Rechtliche Grundlagen in der Flüchtlingsarbeit
  • Referent: Mag. Paul Zeitlhofer
    26. Nov. 2015, 19 bis 22 Uhr


Vertiefungsmodule (frei wählbar)

  • Interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement
    Referentinnen: Mag. Judith Schwald, Mag. Ingrid Böhler
    3. Dez. 2015, 19 bis 22 Uhr
  • Sprachbegleitung von Flüchtlingen
    Referentinnen: Elisabeth
    Allgäuer-Hackl, Beate Bröll
    12. Jänner 2016, 19 bis 22 Uhr
  • Trauma und seine Folgen
    Referentinnen: Ruth Gradischar, Christiane Haus
    2. Feb. 2016, 19 bis 22 Uhr
  • Glaube und Spiritualität in der ehrenamtlichen Arbeit mit Flüchtlingen
    Referentin: Brigitte Knünz
    10. März 2016, 19 bis 22 Uhr

Veranstaltungsort:
Pfarrzentrum St. Martin, Dornbirn.

Begleitung und Information:
Dr. Hans Rapp MSc, Katholisches Bildungswerk, T 05522 3485-145;
Mag. Ingrid Böhler, Pfarrcaritas, T 05522 200-1016

Anmeldung: Katholisches Bildungswerk Vorarlberg
T 05522 3485-144 oder

Der Lehrgang ist für die Teilnehmenden kostenlos.