Die furchtbaren Fehler der Kriegsbegeisterung wurden leider von der Kirche nach 1918 nicht aufgearbeitet, die Ursachen nicht erforscht, die Schuld nicht bedauert. Und so war man dazu verurteilt, die – nicht eingesehenen – Fehler zu wiederholen.

Bild rechts: „Im Vaterunser“ aus dem Jahr 1914 heißt es: „Geheiligt werde Dein Name, wo Frieden herrscht: uns gönnen sie‘s nicht! Siehe, rundum des Hasses Samen ist aufgeschossen wie Giftkraut zum Licht: Es ist kein Kampf von gleich gegen gleich!“

Dr. Severin Renoldner-gespDer Krieg und die Kirche.

Serie: Teil 4 von 5

Dr. Severin Renoldner
Sozialreferent Diözese Linz, Pax Christi Österreich

 

Das Grundproblem der katholischen Kriegsbegeisterung von 1914 lag nicht in einer Begeisterung von Gewaltanwendung. Die Lehre vom „gerechten Krieg“ hätte, bei ernsthafter Prüfung, ausgereicht, den Ersten Weltkrieg als ungerechten und unangemessenen Massenmord zu verurteilen. Das Problem lag in der jahrhundertelang gepflegten Treue zum Königs- bzw. Kaiserhaus, das man als Hort der Sicherheit für die katholische Welt ansah. Wenn daher ein Krieg im Interesse des Kaisers ausgerufen wurde, musste es sich um einen „gerechten“ Krieg, für die „gute“ Sache handeln. Offenbar bereitete es auch niemandem Kopfzerbrechen, dass auf beiden Fronten des Ersten Weltkrieges die Bischöfe mit ihren Gläubigen für den jeweiligen Sieg beteten. Glaubten sie an einen gespaltenen Gott, der gegen sich selbst auf Seiten beider Kriegsparteien kämpft?

Ohne Einsicht und Reue
Es bestand aller Grund, über die übertriebene Loyalität und den blinden Obrigkeitsglauben selbstkritisch nachzudenken, was die republikanischen und demokratischen Parteien auch taten, nicht aber die Kirchenleitung. Weder der – auch von Kaiser Karl legitimierte – Giftgaseinsatz noch die zehn Millionen Opfer dieses sinnlosen Wahnsinnsaktes führten zu Reue, Einsicht und Umkehr. Viele Bischöfe, namentlich der Linzer Oberhirte Johannes M. Gföllner, bedauerten zutiefst das Ende der Monarchie, die Niederlage, und konnten sich mit der Republik nicht identifizieren.

Obrigkeitsglaube

Und so war es schicksalhaft, dass die katholische Obrigkeitsgläubigkeit auf die folgenden Regime übertragen wurde, die mit den Mitteln der Diktatur, ohne demokratisches Diskutieren, wieder das ganze Volk zum blinden Gehorsam und zu den Waffen aufriefen. Man tut den österreichischen Bischöfen sicher unrecht, wenn man ihren Aufruf, 1938 für den Anschluss Österreichs an das Hitler-Reich zu stimmen, als Ausdruck echter Zustimmung deutet. Er war unter Trickserei, Erpressung und Täuschung zustande gekommen. Dennoch: der katholischen Kirche fehlte es an einer offiziellen Lehre, die ihr hätte helfen können, das Unrecht zu erkennen und sich gegen einen Verbrecherstaat, oder wenigstens gegen den mörderischen Krieg dieses Staates zu stellen.

Gehorsam statt Gewissen

Und so kamen kirchlich loyale Personen wie Franz Jägerstätter, die das klar erkannten, unter den Druck des Lehramtes, dem Führer Gehorsam leisten zu müssen. Jägerstätter zitierte in seiner Unterredung mit dem Linzer Bischof Joseph Fließer die NS-kritischen Aussagen seines Amtsvorgängers (Gföllner), aber Fließer konnte ihm sinngemäß nur antworten: wir haben jetzt diese Regierung, und daher muss jeder Christ dieser Regierung gehorchen. Wenn also die „gottgewollte Obrigkeit“ nicht einmal vom kirchlichen Lehramt auf gut und böse überprüft werden konnte, dann konnte ja nur Hitler selbst beurteilen, ob sein Krieg und Massenmord gerecht sei, und die Christen hätten seinem Urteil zu folgen.

1945 war den Bischöfen weltweit klar, dass diese moralische Lehre ganz und gar unmoralisch geworden war. Sie hätte die Kirche zum Handlanger aller Schreckensregime, ihrer Kriege und Gewalttaten gemacht.

Den Angriffskrieg ächten und bannen

Papst Pius XII. formuliert es in seiner Weihnachtsbotschaft 1944 (die US-Armee hatte Rom schon befreit!) neu:

„Eine Pflicht ist im Übrigen allen auferlegt; eine Pflicht, die keine Verzögerung, keinen Aufschub duldet: die Pflicht, alles nur irgend Mögliche zu tun, um ein für alle Mal den Angriffskrieg als rechtmäßige Lösung internationaler Streitigkeiten und als Werkzeug nationaler Bestrebungen zu ächten und zu bannen …

Die Beschlüsse, die von den internationalen Kommissionen angenommen und bis jetzt bekannt geworden sind, lassen erwarten, dass ein wesentlicher Punkt jeder zukünftigen Weltorganisation die Bildung eines Organs sein wird, das den Frieden aufrecht erhalten soll … und das auch die Aufgabe hat, jede Angriffsdrohung im Keime zu ersticken. … dass die Theorie vom Kriege als dem geeigneten und angebrachten Mittel internationale Konflikte zu lösen, von nun an überlebt sei.“