6. Sonntag der Osterzeit – Lesejahr B, 9. Mai 2021

Wort zum Sonntag von Franz Kogler

Jesus war Jude. Alle seine ersten Nachfolgerinnen und Nachfolger auch. Daher tat sich die junge Kirche enorm schwer mit der Frage, ob auch Nichtjuden Christen werden können:

1. Lesung

Apostelgeschichte 10,25–26.34–35.44–48

Als Petrus in Cäsarea beim Hauptmann Kornelius ankam, ging ihm dieser entgegen und warf sich ihm ehrfürchtig zu Füßen. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch.
Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.
Noch während Petrus redete, kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten. Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen.
Petrus aber sagte: Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben? Und er ordnete an, sie im Namen Jesu Christi zu taufen. Danach baten sie ihn, einige Tage zu bleiben.

Relativ leicht geht uns der Satz über die Lippen: Ich liebe Gott. Der Schreiber des 1. Johannesbriefes lädt uns ein, umzudenken: Wie schaut das aus dem Blickwinkel Gottes aus:

2. Lesung

1. Johannesbrief 4,7–10

Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe.
Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.
Darin besteht die Liebe: Nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.

lm Stil einer Abschiedsrede erzählt Jesus zunächst den bekannten Vergleich vom Weinstock und dem Winzer. Im heutigen Evangelium werden daraus die Konsequenzen gezogen:

Evangelium

Johannesevangelium 15,9–17

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.

 

Wort zum Sonntag

Pfr. Georg NigschFranz Kogler leitet seit 30 Jahren das Bibelwerk der Diözese Linz, wo er mit seinem Team versucht, vielen Menschen einen lebendigen Zugang zur Bibel schmackhaft zu machen. Den Autor erreichen Sie unter

Wort zur 1. Lesung

Eine brandaktuelle Erzählung liegt uns in der Apostelgeschichte vor. Was damals möglich war, danach sehnen sich heute so viele. Jetzt aber langsam:
Petrus erhält von Gott drei Visionen, die er zunächst nicht deuten kann. Mit den Männern des heidnischen Hauptmannes Kornelius macht er sich dennoch auf den 50 km langen Fußmarsch Richtung Mittelmeer. Als Jude begegnet er dem Römer auf Augenhöhe.
Als Petrus seinen Glauben verkündet und über Gottes Heilswirken in Jesus spricht, passiert das Unfassbare: Gott schenkt die Gabe des Heiligen Geistes allen – auch den noch nicht getauften Heiden. Petrus wird in der Apostelgeschichte durch das intensive Eingreifen Gottes somit zum Missionar an den Heiden.
Mit der Taufe werden die Heiden in die Gemeinschaft aufgenommen. Was für Petrus vorher unvorstellbar war, ist nun Wirklichkeit geworden: die Ausbreitung der Heilsbotschaft über das Judentum hinaus zu den Heiden. Nicht sie werden „bekehrt“, sondern Petrus! Nicht mehr die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volk ist jetzt Voraussetzung für die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft, sondern die Offenheit für das Wirken des Geistes und der Glaube an Jesus Christus als den Gesalbten und Auferweckten Gottes. Der Geist weht und wirkt überall dort, wo Menschen sich dafür öffnen. Petrus erkennt, dass er hier umdenken und anders als bisher handeln muss. Das heißt aber noch lange nicht, dass auch seine Glaubensgeschwister das schon so sehen ...

Zum Weiterdenken
In welchen Bereichen wäre heute ein deutliches Öffnen in unserer Kirche wünschenswert bzw. notwendig?
Könnte eine Änderung der Zulassungsbedingungen zur Weihe nicht auch als Wirken des Geistes gedeutet werden?

 

Der Herr hat sein Heil enthüllt vor den Augen der Völker.
Singet dem Herrn ein neues Lied,
denn er hat wunderbare Taten vollbracht!
Geholfen hat ihm seine Rechte
und sein heiliger Arm.
Der Herr hat sein Heil bekannt gemacht
und sein gerechtes Wirken enthüllt vor den Augen der Völker.
Er gedachte seiner Huld
und seiner Treue zum Hause Israel.
Alle Enden der Erde
sahen das Heil unsres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Lande,
freut euch, jubelt und singt!

Antwortpsalm (aus Psalm 98)

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 18 vom 6. Mai 2021)