Eigentlich ist es ja eine Frechheit. Da setzt sich eine Frau von vielen hin und schreibt eine Kolumne. Sie nennt sie ausFRAUENsicht - was ja irgendwie schon einer Ansage gleichkommt. Und das Fazit, das man daraus ziehen sollte: Es wäre absolut wünschenswert, wenn noch mehr Damen diese Frechheit besäßen.

Veronika Fehle

Dem KirchenBlatt-Stammpublikum sind sie längst schon zu wöchentlichen Begleiterinnen geworden - die FRAUENsichten. Also jene Kolumnen, die - von Frauen verfasst - irgendwo auf den KirchenBlatt-Seiten auf ihre Leser/innen warten. Es sind kleine Blitzlichter, die gerne Grenzen ausloten, Aktuelles kommentieren,  Überzeitiges analysieren und schon auch einmal ins Philosophieren geraten. Die FRAUENsichten sind vieles, eindimensional, platt oder vorhersehbar sind sie aber nie.

Fragen, die gestellt werden
Dass diese Texte heute so selbstverständlich emanzipiert und selbstbewusst daherkommen, das haben sie aber vor allem einer Frau zu verdanken. Dr. Petra Steinmair-Pösel, Theologin, Mutter, Frauenreferentin, Autorin und vor allem und besonders Frau. Als Frauenreferentin der Diözese Feldkirch hatte sie sich verschiedenen Fragen zu stellen. Ist es nicht ein toller Fortschritt, dass die Kirche auf ein Frauenreferat nicht verzichten will oder ist es bloß das Feigenblatt, das der „Männerkirche“ als Alibi dient? Engagiert sich eine Frau in der Kirche, hat das dann auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg, oder ist es doch nur ein Kampf gegen Windmühlen? Diese Fragen trieben Petra Steinmair-Pösel um. Aber viel wichtiger ist, sie blieb nicht bei ihnen stehen.

Ein Andenken
Natürlich schreibt sie auch über Frauen, über sich und ihre Erfahrungen oder darüber, wie sie der Welt und die Welt ihr begegnet. Natürlich ist da ihr Blick, ihre Art, an die Dinge heranzugehen. Aber daraus macht sie auch keinen Hehl.
ausFRAUENsicht, hießen ihre Kolumnen und schloßen damit im Titel schon das Individuum mit der Gruppe kurz. Warum plötzlich der Wechsel in die Vergangenheitsform - weil Petra Steinmair-Pösel mittlerweile dem Ruf der Universität Wien gefolgt ist. Als kleines Andenken sind nun ihre FRAUENsichten im Styria Verlag erschienen. Manche sind bekannt, andere neu bearbeitet und alle doch so überraschend und vertraut gleichermaßen.
Spirituelle und politische Impulse für jeden Tag wollen sie sein, die FRAUENsichten. Das ist bereits dem Untertitel des rund 170 Seiten starken Bändchens zu entnehmen. Impulsgeber wollen sie sein und das sind sie auch, kurz, kompakt, mit Geist und Emotion und stets mit dem nötigen Freiraum, in den sich die eigenen Gedanken einklinken können.

Partner, keine Gegner
So schreibt Petra Steinmair-Pösel über Männer und Frauen, über Politisches, über Emanzipatorisches, gerne auch über die Kirche und ihre Kritik daran. Sie schreibt über die Zeit des Wartens, die Leere, die man in sich spürt und der man sich vielleicht stellen muss, um sie zu überwinden. Sie erzählt vom Hören, vom richtigen Zuhören und sie spürt lustvoll den fünf K‘s von Kinder, Küche, Kirche, Karriere und Klamotten nach, denen eine Frau heute nachzukommen hat.

Cover ausFRAUENsichtBitte lesen
Vor allem aber gelingt es Petra Steinmair-Pösel in ihren Kommentaren zu einer angenehmen Partnerschaft von Mann und Frau zu finden. Frau und Mann werden nicht gegeneinander ausgespielt. Sie sind keine Gegner, sie sind „Geschwister“.
Eine Erleichterung und vielleicht auch der Grund, weshalb die FRAUENsichten ihre Fans unter den weiblichen wie den männlichen KirchenBlatt-Leser/innen fanden. Sowieso, ob Mann oder Frau, das literarische Souvenir dieser modernen, klugen Frau hat sich die tägliche Lektüre-Dosis verdient. Also - bitte lesen.

Petra Steinmair-Pösel: „ausFRAUENsicht.
Spirituelle und politische Impulse für jeden Tag“, Styria Premium,168 Seiten.