Der diesjährige Monat Oktober bringt mehrere jüdische Feiertage mit sich, die mit dem Jahreswechsel Rosch Haschana von 30. September bis 1. Oktober ihren Lauf nehmen.

Foto: מינוזיג - MinoZig, Shofar in Rosh Hashanah, CC BY-SA 4.0

Mit dem Widderhorn wird das Neue Jahr ausgerufen, welches nun als Jahr 5780 geschrieben wird. So beginnt eine zehntägige Reue- und Bußzeit, die mit dem Versöhnungstag, dem höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur endet. Im traditionellen Festtagsgebet Kol Nidrei werden alle unbewusst vor Gott abgelegten Gelübde für das begonnene Jahr schon im Voraus gebrochen. Dies soll verhindern, dass keine versehentlichen Sünden begangen werden.

Gute Vorsätze

Diese Tage bieten auch die Grundlage für die uns wohl bekannten Neujahrsvorsätze. Menschen reflektieren zum Jahreswechsel ihr Leben, möchten Verantwortung übernehmen für ihr eigenes Wohlergehen sowie das der anderen. Doch nicht selten halten auch diese guten Vorhaben nicht länger als zehn Tage ...

Auch eine andere Tradition ist uns leider weiterhin gut bekannt: Zum Versöhnungstag wurde über zwei Böcken das Los geworfen. Einer wurde dem höchsten Gott geopfert. Über dem anderen wurden alle Sünden des Volkes vor dem Hohepriester öffentlich bekannt. Anschließend wurde das Tier getötet, indem es über den Rand der Bergklippen in der judäischen Wüste geschickt wurde.
Warum braucht die Gesellschaft oft einen Sündenbock? Anstatt den Fehler bei sich selbst zu suchen, wird auf Minderheiten geschaut, die einerseits fremd (aufgrund ihrer geographischen oder kulturellen Herkunft) und andererseits verletzlich (aufgrund ihrer geringen Zahl) wirken und sich daher nur schwer wehren können. Während im Nationalsozialismus überwiegend Juden diese bittere und oft fatale Rolle übernehmen mussten, sind es heutzutage in Mitteleuropa oft auch Muslime und Flüchtlinge. Die Rechnung wird komplex, wenn man hört, ein Großteil der antisemitisch geprägten Menschen sei türkischer oder arabischer Herkunft. Doch hier ist ein wichtiger Unterschied zu bedenken: Kritik an der Politik des Staates Israel darf nicht gleichgestellt werden mit Judenfeindlichkeit als rassistischer oder religiöser Einstellung. Um den Menschen zu sehen, ist es wie immer hilfreich, zwischen Politik und Religion zu unterscheiden. «

Aglaia Mika, SopranAglaia Poscher-Mika,
Beauftragte der Katholischen Kirche Vorarlberg für den ­Interreligiösen Dialog; Musiktherapeutin, Sängerin, Stimmbildnerin.
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(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 40 vom 3. Oktober 2019)