Dreimal sagt Jesus im heutigen Evangeliumstext zu den Jüngern: „Fürchtet euch nicht!“ Der Mensch mit all seinen inneren und äußeren Ängsten ist und bleibt gehalten in der Hand Gottes.

12. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A, 21. Juni 2020
Wort zum Sonntag von Petra Steinmair-Pösel

Evangelium

Matthäus 10,26–33
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Darum fürchtet euch nicht vor ihnen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern! Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann! Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters.
Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen. Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.

1. Lesung

Jeremia 20,10–13
Jeremia sprach: Ich hörte die Verleumdung der Vielen: Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen. Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, dass ich stürze: Vielleicht lässt er sich betören, dass wir ihn überwältigen und an ihm Rache nehmen können.
Doch der HERR steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und können nicht überwältigen. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergesslicher Schmach. Aber der HERR der Heerscharen prüft den Gerechten, er sieht Nieren und Herz. Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen; denn dir habe ich meinen Rechtsstreit anvertraut. Singt dem HERRN, rühmt den HERRN; denn er rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter.

2. Lesung

Römer 5, 12–15
Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. Sünde war nämlich schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten wie Adam, der ein Urbild des Kommenden ist. Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteilgeworden.

WORT ZUM SONNTAG

Claudia PaganiniPetra Steinmair-Pösel ist Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH Edith Stein in Feldkirch. Die Autorin erreichen Sie unter

 

Mutig

Kennen Sie das Gefühl auch, das die Bibel als „Menschenfurcht“ bezeichnet? Die Angst also, sich vor anderen lächerlich zu machen, sich eine Blöße zu geben, sich zu blamieren, beschämt zu werden? Auch wenn sie mit den Jahren geringer geworden ist: Ich gestehe, ich kenne diese Angst durchaus. Am häufigsten befällt sie mich im Kreis sogenannter „Expert/innen“ ihres Fachs und drängt mich zum Rückzug – ins Verborgene, in die Passivität, ins Schweigen.
Auch Jesus und die Menschen, die sich vor mehr als zweitausend Jahren um ihn geschart haben, scheinen diese Angst gekannt zu haben. Und es wäre eine eigene Frage wert, ob ­deren Angst nicht noch viel begründeter war, als ­unsere vielfältigen Ängste heute – drohten den ersten Christinnen und Christen doch Folter und Tod, nicht nur Spott und Verachtung ­ihrer Mitmenschen, wie uns heute hier in ­Österreich. (In anderen Ländern sieht es da ja auch in ­unseren Tagen anders aus.)
Worauf ich jedoch heute den Fokus ­richten möchte, ist Jesu Antwort auf diese Angst – ­damals wie heute: Es ist ein dreifaches „­Fürchtet euch nicht!“, das darin ­begründet liegt, dass andere Menschen unsere von Gott gegebene Würde nicht antasten können. Gott, der/die unser Innerstes wie unser Äußeres kennt, hält uns in seiner/ihrer liebenden Hand – ­bedingungslos! Sicher: Menschen können uns verletzen, können uns Schlimmes antun und doch weiß der biblische Psalmenbeter: „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf“ (Psalm 27,10).
Das kann uns Mut machen, uns zu riskieren und einzubringen, zu dem zu stehen, was wir als richtig erkennen – auch wenn es anderen nicht gefällt. Und es kann uns das Vertrauen geben, dass wir selbst in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren dabei nicht perfekt sein müssen.

Zum Weiterdenken

  • Wann ist sie mir zum letzten Mal begegnet – die Menschenfurcht?
  • Wer oder was stärkt mir in solchen Situationen den Rücken?

Herr, deinetwegen erleide ich Hohn
und Schande bedeckt mein Angesicht.
Denn der Eifer für dein Haus hat mich verzehrt,
die Verhöhnungen derer, die dich verhöhnen,
sind auf mich gefallen.
Ich komme zu dir mit meinem Bittgebet,
HERR, zur Zeit der Gnade.
Gott, in deiner großen Huld erhöre mich,
mit deiner rettenden Treue!
Die Gebeugten sehen es und sie freuen sich!
Ihr, die ihr Gott sucht, euer Herz lebe auf!
Denn der HERR hört auf die Armen,
seine Gefangenen verachtet er nicht.

Antwortpsalm (aus Psalm 69)

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 25 vom 18. Juni 2020)