Die 6. Arbogaster Nacht der spirituellen Lieder ermöglichte unter der Leitung von Ingeborg Spiegel und Wolfgang Kremmel einen Abend des stressfreien Singens.

Wolfgang Ölz

Auch lautes Lachen passt heute in die Kapelle des Jugend- und Bildungshauses St. Arbogast. Die Stühle sind am Rand aufgestellt, und die Menschen haben auf dem Boden und rundum auf den Sesseln des Stuhlkreises Platz genommen. Der Sänger und Musiker Wolfgang Kremmel hat sich die Gitarre umgehängt und scherzt: „Hier vorne hinter mir sind noch zwei Sitzplätze zu vergeben.“ Dann lässt Ingeborg Spiegel wie beim Beginn einer Zen-Sitzung einen Gong klingen und - siehe da - auch eine vollkommene Stille ist bei der Nacht der spirituellen Lieder möglich.

Das Publikum ist sehr gemischt.
Mehr Frauen, auch Pensionisten, einige ganz Junge. Neben Liedern aus allen Religionen und Kulturen sind auch zeitgenössische Kompositionen zu hören. Zum Beispiel zu Beginn die musikalische Aufforderung: „He, Du, vertraue Deiner Kraft! Liebe Lust und Leben.“ Für einen gelernten Katholiken könnte das schnell zu einer Überforderung werden. Nicht aber an diesem Abend, Vertrauen in die eigene Kraft ist doch etwas vom Zentralsten, auch im christlichen Glauben.

Einschwingen wie bei den Taizé-Liedern.
Typisch ist bei dieser Art von Singen, dass man einen Satz immer und immer wieder singt, sodass die Sänger/innen sich richtig einschwingen - so ähnlich wie bei den Taizé-Liedern. Dadurch, dass ganz einfache Lieder gesungen werden, kann man immer wieder loslassen und entspannt singen. Die positiven Seiten, die das Singen bewirken, kommen so automatisch zum Vorschein. Wenn mitunter die Gesichter leuchten, dann hat das spirituelle Singen seinen Zweck erfüllt.

Für Projekte in Brasilien und Benin.
Dann kommt die Begrüßung durch Barbara Bell vom Bildungshaus: Arbogast ist ein Ort der Unterbrechung, ein Ort der Begegnung und ein Ort der Achtsamkeit, deswegen passt die Nacht der spirituellen Lieder so gut in das Programm des Hauses.  Auch bedankt sie sich für die Spenden der letzten Arbogaster Nacht der spirituellen Lieder im Herbst 2013, die der Caritas zugutekamen. Später wird Roland Spiegel aus einem berührenden Brief von Lisette und Peter Eicher vortragen, die von ihrer Arbeit in Brasilien und vor allem jetzt in Benin berichten. Die freiwilligen Spenden, die statt eines Eintritts eingehoben werden, gehen an die Aktion „Stern der Hoffnung“ des Ehepaars Eicher.

Ein Lächeln wird möglich.
Beim Begrüßungstanz sehen sich wildfremde Menschen in die Augen, und ein spontanes Lächeln wird möglich. Diese einfachen Gesten sind es, die in Kombination mit dem freien Singen, ohne Noten, ohne Liederbuch, ohne Dirigent eine plötzliche Verbundenheit erzeugen können. Dabei kann man auch einfach sitzen bleiben und sich schlicht besingen lassen, wie etwa ein alter Herr, der die ganze Zeit schweigend auf einem Stuhl dabeisitzt und die Musik auf sich wirken lässt. Die Tanzschritte sind bei den verschiedenen Liedern gemeinsam, aber es kann auch ganz frei dazu getanzt werden.

Vertrautheit entsteht.
Neben den zeitgenössischen Liedern wie etwa „O lass es dir gut gehen, egal was geschehen“ werden auch indianische, afrikanische, tibetische oder christliche Liedkurztexte gestaltet. Die aufgestellte Christusikone wirkt dabei immer wie ein ruhender Pol, nicht nur beim „Kyrie eleison / Christe eleison“, sondern auch bei buddhistischen Mantras. Am Schluss des Abends bringt ein Segenslied, bei dem man pro gesungener Einheit je einem unbekannt-bekannten Menschen gegenübertritt, eine Vertrautheit in das Geschehen. Kirchlich-christlich Sozialisierte, kirchlich nicht Beheimatete und Menschen, die nirgends eine geistige Heimat haben, sind einen Moment lang verbunden. 

„Die Essenz ist die gleiche.“

Das KirchenBlatt sprach mit Ingeborg Spiegel und Wolfgang Kremmel, die die in Deutschland entstandene Idee der „Nacht der spirituellen Lieder“ nach Vorarlberg gebracht haben.

Ingeborg Spiegel: „Vorstellen kann man sich diese Nacht so, dass man drei Stunden lang singt, wirklich singt, und dass jeder alles mitsingen kann, dass man nicht schon irgendwelche Vorkenntnisse haben muss.“ Wolfgang Kremmel: „Es gibt keine Noten und keine Liedtexte, man stellt das Lied kurz vor und dann wird schon gesungen.

“ Wie ist es zur Nacht der spirituellen Lieder gekommen? Kremmel: „Ich mache jetzt schon seit ein paar Jahren spirituelles Singen mit einer regelmäßigen Gruppe, die für jede/n offen ist.“

Ich grüße das Göttliche in dir.

„Mir ist aufgefallen, dass die Aussagen dieser Lieder sich sehr ähneln. Es hat mich fasziniert, dass, wenn man die Übersetzungen von Liedern aus verschiedenen Religionen nebeneinander stellt, eigentlich die gleiche Bedeutung zum Vorschein kommt.“ Als Beispiel führt der Sänger und Musiker Kremmel ein Lied aus dem Sufismus an, das übersetzt so viel bedeutet wie „Ich grüße das Göttliche in dir“. Dies entspreche dem bei uns gebräuchlichen „Grüß Gott“.

Wie werden die Lieder ausgesucht?
Dazu Ingeborg Spiegel: „Wir haben einen reichen Fundus, da gibt es unendlich viel. Es gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Liedern, die neu entstanden sind.“ Ingeborg Spiegel, die auch Abende für heilsames Singen anbietet, weiter: „Ich habe den Eindruck, dass das Singen im alltäglichen Leben ein bisschen verloren gegangen ist.“

Bedürfnis zu singen.
„Ich glaube aber, dass die Menschen das Bedürfnis haben, gemeinschaftlich zu singen, weil da viele verschiedene Ebenen angesprochen sind und eine große Verbundenheit entsteht. Ich glaube, dass die Nacht der spirituellen Lieder dieser Sehnsucht, dass man wieder singt, entgegenkommt. Deswegen spricht das sehr viele Menschen an, die sagen: Ich habe schon lange nicht mehr gesungen, aber ich würde gerne. Ohne Stress, ohne Aufführungsstress, einfach nur wegen des Singens.“

Nächste Arbogaster Nacht der spirituellen Lieder:
Sa 17. Mai 2014, 19.15 bis ca. 22 Uhr

CD „Pangea Chants“ von Wolfgang Kremmel, 18,- Euro, beziehbar über:
E kremmel.wolfgang@gmail.com

www.nachtderspirituellenlieder.de