Mit der Verbindung von Theater und geführter Wanderung schaffen die Montafoner Museen und das „teatro caprile“ einen ungewöhnlichen Zugang zum Thema „Flucht“. Interessierte dürfen einem spannenden Weg entgegenblicken. Er geht an die Grenze und unter die Haut.

Patricia Begle

Das Sarotla-Joch verbindet nicht nur zwei Täler, sondern auch zwei Länder: Österreich mit der Schweiz. Der Grenzübergang bedeutete in der NS-Zeit für Flüchtende einen Weg in die Sicherheit. Die Wanderung war höchst riskant. Immer wieder geschah es, dass sie von Grenzwachen abgebrochen wurde - mit tödlichen Folgen. So gab es bald Ortskundige, die die Menschen auf der Flucht durch die Berge führten. Des Nachts. Sie tauschten Risiko gegen Geld ein. „Fluchthelfer“ wurden sie genannt.

Kulisse
Die Erinnerungen an die Schicksale von Flüchtenden sind präsent - Zeitzeugen oder deren Nachfahren erzählen die Geschichten noch heute. 2008 füllten diese ein Buch mit dem Titel „Grenzüberschreitungen“. Es stand am Beginn intensiver Forschungen zum Thema und gehört zu den Grundlagentexten für das Stück, das am 15. September aufgeführt wird. „Bühne“ ist dabei der Weg von Gargellen zum Sarotla-Joch, jener Weg, der während der Kriegsjahre Hunderten das Leben gerettet hat.

Konzept
„Wir wollten einmal etwas anderes machen, einen Zugang verschaffen, der nicht belehrend oder moralisierend ist und zur Auseinandersetzung mit Flucht anstößt“, erläutert Michael Kasper, Geschäftsführer der Montafoner Museen, die Idee. In Kooperation mit dem „teatro caprile“ entstand ein Stück, das Lebensgeschichten nachzeichnet und hautnah erleben lässt. Jene des politischen Schriftstellers Jura Soyfer zum Beispiel oder zweier Jüdinnen, die bis heute keinen Namen haben. In theatralischen und tänzerischen Szenen wird die Flucht über die Sarotla vergegenwärtigt. Texte von Franz Werfel, Jura Soyfer und Jean Amérie - sie waren selbst Flüchtende - verdichten die Fluchterfahrungen auf sprachlicher Ebene.

Interaktiv
Das Entscheidende des Konzeptes ist jedoch der Part des Publikums. Es ist mehr als zuschauend. Es wird in die Flucht mit hineingenommen: die Strapazen in der hochalpinen Region, die Unsicherheit,  das Angewiesen-Sein auf Ortskundige, das ständige Auf-der-Hut-Sein, die Begegnung mit Grenzwächtern, das Erreichen der Staatsgrenze. Und das Zurückgehen. Denn für etliche wurde das Joch zur Endstation.

„Kommen - gehen - bleiben“
Der Untertitel des Vermittlungsprogrammes „Septimo“ verdeutlicht, wie alltäglich und zugleich existenziell das Phänomen „Migration“ ist.  Das Flüchten ist sicher die schwierigste und leidvollste Form des „Gehens“. Bis heute. 

Septimo 2013

Kommen - Gehen - Bleiben lautet in diesem Jahr das Thema des Septemberprogrammes der Montafoner Museen. Damit bearbeitet die Bildungseinrichtung ein Thema, das seit Jahren von großer gesellschaftspolitischer Relevanz ist: Migration. Die Perspektive ist dabei die historische. Fluchtphänomene aus der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit werden in drei Veranstaltungen auf unterschiedlichste Art beleuchtet.

  • Einen Ausweis vom FC Schruns. Geschichten von Menschen, die als Flüchtlinge kamen. Seit neun Jahren sind in Maria Rast Flüchtlinge zuhause. Was ursprünglich Übergangslösung war, ist zur Bleibe geworden. An diesem Erzählabend kommen diese Erfahrungen zur Sprache. Moderation: Moderation: Helene Rüdisser / Franz Rüdisser. Musik: „Refresh“, Christian Stroppa (Saxophon/Flöte), Erik Frei (Gitarre). Eintritt frei.
    Di 10. September, 19.30 Uhr, Heimatmuseum Schruns, Kirchplatz 15.

  • Auf der Flucht: Gargellen – Sarotla – Schweiz. Interaktives Theater mit geführter Wanderung. Spiel: Roland Etlinger, Katharina Grabher, Maria King, Andreas Kosek und Mark Német. Die Veranstaltung findet bei jedem Wetter statt. Grundkondition ist Voraussetzung, bergwegtaugliche Ausrüstung wird empfohlen. Eintritt: 13,- Euro / 8,- Euro für Mitglieder des Heimatschutzvereines.
    So 15. September, 9 Uhr, Kirche Gargellen.
  • Montafoner Montaggespräch. Mario von Cranach ist Gast des Abends. 1945 flüchtete er als Kind mit seiner Familie aus Polen und landete - eher zufällig - in Schruns. Der emeritierte Professor für Psychologie wird seine Erinnerungen an die Flucht und die neue Heimat lebendig werden lassen. Moderation: Mag. Jasmin Ölz-Barnay. Eintritt: 4,- Euro.
    Mo 16. September, 20 Uhr, Heimatmuseum Schruns, Kirchplatz 15.

www.stand-montafon.at