Teil 5 der KirchenBlatt-Serie "Zeit der Schöpfung".

Prof. Dr. Kurt Remelevon Prof. Dr. Kurt Remele
Theologe  und Ethiker,
Universität Graz

Mit dem Schutzpatron der Tiere, dem heiligen Franz oder Franziskus von Assisi, endet am 4. Oktober die ökumenische Schöpfungszeit. Der Weltkatechismus würdigt das „Feingefühl“, mit dem er Tiere behandelte und stellt fest: „Tiere sind Geschöpfe Gottes und unterstehen seiner fürsorgenden Vorsehung. Darum schulden ihnen auch die Menschen Wohlwollen.“

Eine der bekanntesten Erzählungen über den Umgang des heiligen Franz von Assisi mit Tieren ist jene über den Wolf von Gubbio. Die Zähmung des Wolfes, der die Bewohnerinnen und Bewohner von Gubbio bedrohte, ging so vor sich: Franz ging dem Wolf, der mit offenem Rachen auf ihn zurannte, furchtlos entgegen. Er machte das Zeichen des Kreuzes über das Tier, belehrte es über seine Untaten und verkündete dem Wolf, dass er zwischen ihm, dem Bruder Wolf, und den Menschen Frieden herbeiführen wolle. Der Wolf versprach ihm, keine Menschen mehr zu bedrohen und zu töten. Die Bürger von Gubbio wiederum verpflichteten sich, den Wolf regelmäßig zu füttern: eine wahrhaft friedliche Lösung, ein Stück Himmel auf Erden.

Menschen und Wölfe
Der Wolf von Gubbio war ein ganz böses Exemplar seiner Gattung, denn eigentlich sind Wölfe scheu und fressen kaum jemals Menschen. Aus heutiger Sicht ist es zudem angebracht, die Legende unter umgekehrten Vorzeichen zu lesen: Nicht die Tiere sind es vorrangig, die die Menschen bedrohen, sondern die Menschen sind es, die Tiere quälen, töten und ausrotten. Es geht also um die Zähmung des menschlichen Wolfes, denn allzu viele Menschen nehmen Tiere, gerade auch Säugetiere, Vögel und Fische, nicht als Mitgeschöpfe wahr, die Schmerz und Freude empfinden können, sondern als beliebig verfügbare Sachen. Massen- und Intensivtierhaltung sind eindeutige Beispiele dafür, aber auch industrieller Fischfang, lange Tiertransporte, Stierkampf und jene Formen der Jagd, bei denen das Töten von Tieren als Freizeitvergnügen betrachtet wird.

Heiter, heilig, vegetarisch
Mitgefühl gegenüber Tieren fordert der Katechismus der katholischen Kirche, stellt aber auch fest, dass sich der Mensch der Tiere zur Ernährung bedienen kann. Die große Mehrheit der Gläubigen isst gerne Fleisch, das lässt sich an Pfarrfesten und Speisesegnungen unschwer erkennen. Die Zahl jener Menschen, für die die Vorgänge in Tierfabriken und Schlachthöfen nicht mit Wohlwollen und Feingefühl gegenüber Tieren vereinbar sind und die deswegen kein Fleisch essen, steigt aber an. Vor allem unter jungen Menschen ist es nicht mehr ungewöhnlich, sich vegetarisch zu ernähren, also keine Tiere zu essen, oder sogar vegan, also weder Tiere noch Tierprodukte wie Milch und Käse, Eier und Honig zu konsumieren.
Ernährungsmedizinisch stellt Fleischverzicht grundsätzlich nicht nur kein Problem dar, sondern ist in der Regel gesundheitlich vorteilhaft. Menschen, die sich vegan ernähren, sollten jedoch darauf achten, dass sie ausreichend mit Vitamin B 12 versorgt sind.

Vegetarier finden sich übrigens nicht nur unter jungen Leuten von heute, sondern auch unter katholischen Heiligen von damals. Nicht Franziskus ist hier als Beispiel zu nennen, denn er war kein Vegetarier, sondern der heilige Philip Neri, der im Rom des 16. Jh.s lebte. Er gilt als unkonventioneller, humorvoller Heiliger, der Späße liebte, Katzen und Hunde. Er aß kein Fleisch, nicht aus asketischen Gründen, wie das in Klöstern und an Fasttagen üblich war, sondern aus Gründen des Tierschutzes. „Wenn jedermann so wäre wie ich“, so der heilige Philip, „würde man keine Tiere töten.“ 

IMPULS

„Jedenfalls sieht man, … dass wir mit ihnen – den Tieren – nicht beliebig umgehen dürfen. Auch Tiere sind Geschöpfe Gottes, wenn auch nicht in der gleichen Direktheit wie der Mensch, aber doch Wesen, die er gewollt hat und die wir als Begleiter der Schöpfung und wesentliche Elemente der Schöpfung respektieren müssen. … Die Art von industrieller Verwendung, indem man Gänse so züchtet, dass sie eine möglichst große Leber haben, oder Hühner so kaserniert, dass sie zu Karikaturen von Tieren werden, diese Degradierung des Lebendigen zur Ware scheint mir tatsächlich dem Zueinander von Mensch und Tier zu widersprechen, das durch die Bibel durchscheint.“ 
Kardinal Joseph Ratzinger, im Gespräch mit Peter Seewald, 2000.