Heilfasten - vor allem nach Hildegard von Bingen - ist schon lange "en vogue". Wie das am besten gelingen kann, worauf man achten muss sowie kleine tägliche Motivationshilfen, finden sich im neuen Buch "Die Hildegard-Fastenwoche" der Expertin Brigitte Pregenzer. Ein Interview.

Ihr Name und Hildegard von Bingen fallen oft in einem Satz. Woher kommt diese 25jährige Faszination für die Äbtissin/ Universalgelehrte/ Mystikerin/ Kirchenlehrerin ?

Brigitte Pregenzer: Begonnen hat meine Faszination an Hildegard von Bingen im Prinzip mit den Gewürzen und deren spürbarer Wirkung. Nach dem wohltuenden Effekt in der Küche habe ich die verschiedenen Heilmittel ausprobiert - meine Kinder waren damals klein und so gab  es ein weites Übungsfeld. Und letztlich ist und war es die Biografie dieser selbstbestimmten und selbstbewussten Frau und Äbtissin, ihr ganzheitliches Menschenbild und ihr kosmisches Weltbild.  Mich fasziniert bis heute ihre Liebe zum Menschen, wenn sie sagt „Jeder Mensch ist ein kostbarer Edelstein, in dessen Glanz sich die gesamte Schöpfung betrachtet“ und die Konsequenz, mit der sie ihre Überzeugungen gelebt hat. 

Ist Hildegard von Bingen überhaupt noch aktuell (Stichwort 12. Jahrhundert)?

Pregenzer:Weisheit und inneres Wissen sind zeitlos und immerwährend. Das Göttliche und somit die Natur ist der Urgrund allen Seins und bildet unsere Lebensgrundlage. Wir werden immer von der Natur abhängig sein und mit ihr kooperieren müssen. So angenehm und wichtig manche modernen Errungenschaften auch sein mögen, die seelischen Bedürfnisse können sie nur bedingt erfüllen und die Sinnsuche nicht befriedigen.  Wissenschaftliche Erkenntnisse, die heute Gültigkeit haben, können morgen überholt und übermorgen vergessen sein. Der Zugang zu unserem inneren Wissen und zu unseren seelischen Bedürfnissen ist dem Menschen innewohnend – und das hat Hildegard in ihren Werken weitergegeben und ist deshalb noch immer aktuell.

Wenn man die Hildegardlehre auf wenige Stichworte beschränken müsste, welche wären das?

Pregenzer: Für mich wären das die Viriditas, die Grundkraft die allem und jedem innewohnt. Es ist die Kraft, die uns einerseits geschenkt wurde und die wir andererseits selbst hegen und pflegen müssen, indem wir einen guten Umgang mit der Natur pflegen, auf gesunde Lebensmittel achten und auf eine gute „Lebensführung“ Wert legen. Es ist zudem die Discretio, die Kunst in allem das rechte Maß zu finden und dieses Maß ist bei jedem Menschen individuell. Sein rechtes Maß herauszufinden ist ein lohnender und spannender Prozess, weil er sich auch im Laufe des Lebens verändert. Und drittens ist es für mich die Subtiliät, die feinstoffliche Wirkung, die in allem enthalten ist und dem Menschen stets zur Verfügung steht – ob bei Lebensmitteln, Heilmitteln oder bei Metallen und Steinen.

Was ist der Mehrwehrt einer Hildegard-Fastenwoche?

Pregenzer:Mit der richtigen Vorbereitung bzw. Einstellung, ist eine Hildegard-Fastenwoche eine persönliche Auszeit, eine Exklusivzeit im Alltag.  Es ist eine Woche, in der ich ausreichend genährt bin und mich um meine Innenwelt kümmern kann. Ich nehme meine Bedürfnisse wahr, habe genügend Zeit für Bewegung in der Natur und die Begleitmaßnahmen wie Fußbad, Leberwickel usw. Weil ich beim ganzheitlichen Fasten auf Medien und Handy verzichte, wird Zeit frei und mir wird bewusst, wie sehr ich mich ablenken lasse und an meinen persönlichen Bedürfnissen vorbei lebe. Die Erkenntnisse nach einer Fastenwoche sind für viele eine Geschenk und dauern eine Zeit lang an.

Lässt sich das leicht „nebenbei“ im Alltag umsetzen? Schließlich muss man doch einiges beachten (Stichwort Ernährung, Fußbad, Leberwickel…)

Pregenzer: Die Hildegard-Fastenwoche lässt sich im Alltag durchaus umsetzen, wenngleich es wohltuend ist, sich beruflich etwas frei zu spielen. Durch die einfache Ernährung mit Grießsuppe bzw. Brot fällt Zeit fürs Kochen weg und durch den Medienverzicht wiederum ergibt sich viel zusätzliche „freie“ Zeit.  Zudem erfahren viele Fastende durch den Energieschub, der sich bei den meisten ab Mitte der Woche einstellt. einen zusätzlichen Motivationsschub und eine innere Freude.

Was würden Sie einem „Hildegard-Neuling“ empfehlen? Wie fange ich am besten an? Worauf muss ich achten?

Pregenzer: Einem Neuling würde ich eine begleitete Fastenwoche empfehlen, die mittlerweile in vielen Orten angeboten werden. Wem dies zeitlich nicht möglich ist, empfehle ich, sich mit ein oder zwei Freundinnen zu organisieren und den „Kleinen Ratgeber“ zu lesen und gemeinsam zu fasten. Wenn sich  dann Fragen ergeben, hilft der große Bruder, das Buch „Einfach fasten“ weiter.

An richtet sich das Büchlein, das ja „nur“ ein „kleiner Begleiter“ ist? Anfänger, Experten…?

Pregenzer: Das neue Büchlein richtet sich an alle, die eine tägliche Motivation schätzen. Er erinnert mit sanfter Strenge an die Rituale, die das Fasten erleichtern und zu einer ganzheitlichen Erfahrung machen. Es erleichtert den Anfängern das „Drandenken“ genauso wie den Fasten-Erfahrenen und auf Grund meiner Erfahrung mit den vielen Fastengruppen, stehen jeden Tag die wichtigsten Impulse in der „Tagespost“.

Das Buch richtet sich persönlich an die Fastenden. Spielen da auch Ihre eigenen Erfahrungen rein?

Pregenzer: Das Buch ist aus „der Not der letzten Fastenwochen“ entstanden, als wir uns nicht persönlich treffen konnten. So habe ich meinen Teilnehmenden jeden Morgen ein Email als Motivation geschickt – mit einem Foto und mit einem Hildegardzitat. So hatten alle das Gefühl begleitet zu sein und innerhalb einer Gruppe zu fasten, ohne die anderen zu treffen. Insofern ist es ein sehr persönliches Büchlein.

Wie oft haben Sie selbst schon nach Hildegard gefastet?

Pregenzer: Die letzten 25 Jahre jeweils zweimal im Jahr. Getreu dem Hildegardmotto ein bis zweimal im Jahr sanft zu fasten und dazwischen ein freudvolles und gemäßigtes Leben zu führen, hat dies immer wunderbar geklappt. Dieses sanfte Fasten bringt immer wieder das Gefühl für ein wohltuendes Maß ins eigene Leben, und wenn es dann „verrutscht“, steht eine neue Fastenzeit vor der Tür.

Im Buch sind nicht nur Rezepte, sondern auch Rituale, Bilder und v.a. Texte von Hildegard von Bingen abgedruckt. Wie wichtig sind diese Impulse für die Fastenwoche?

Pregenzer: Für mich gehören die Hildegardzitate unbedingt dazu, denn jeder Satz hat eine Tiefe und Weisheit, die man durchaus einen Tag lang wirken lassen kann. Die Bilder sollen einfach Freude machen und die Rituale machen den Unterschied zu einer „normalen“ Fastenwoche.

Buchtipp:

Die Hildegard-Fastenwoche. Ein kleiner Begleiter.
Brigitte Pregenzer. Taschenbuch, 64 Seiten, 9,95 € , Tyrolia-Verlag.