Es ist ein brütend heißer Tag in der Feldkircher Innenstadt. Vor dem Dom sitzen 18 Menschen im Schatten. Sie sehen die Sonne nicht, aber sie spüren sie. Und gleich geht es für sie mit der Spezial-Kirchenführung für blinde und sehbehinderte Menschen hinein in den Dom und hinein in seine begreifbaren Geschichten.
Veronika Fehle
Und schon biegt Gerlinde Budzuhn um die Ecke. Gerlinde Budzuhn ist staatlich geprüfte Fremdenführerin. Vor ein paar Jahren hat sie selbst den Lehrgang zur Kirchenraumpädagogin abgeschlossen, den Othmar Lässer vom Archiv der Diözese hier im Land auf die Beine gestellt hat. Seit den Anfängen hat sich das Interesse an diesem Fort- und Weiterbildungsangebot immer wieder von Neuem gezeigt. So, dass im Land heute um die 50 ausgebildete Kirchenraumpädagog/innen die Zeichen und Symbole eines Kirchenraums zu entschlüsseln und für ein heutiges Publikum zu übersetzen wissen. Denn längst nicht mehr ist es so, dass jedes Zeichen von jedem problemlos gelesen und damit verstanden werden kann. Im Gegenteil, viele stammen aus einer anderen Zeit und aus einer scheinbar weit entfernten Welt.
Kirche be-greifen
Gerlinde Budzuhn aber reichte das irgendwann nicht mehr. Sehende durch die Stadt zu führen war das eine, dasselbe mit blinden und sehbehinderten Menschen zu versuchen, die Idee, die Gerlinde Budzuhn nicht mehr losließ. „Wenn man eine Führung für sehbehinderte Menschen konzipiert, dann muss man da ganz neu beginnen. Man darf auf keinen Fall glauben, man könnte das Konzept von einer Führung für Sehende 1:1 einfach so übernehmen. Der erste Gedanke muss immer sein, wie kann ich es schaffen, Menschen, die nicht sehen, Dinge begreiflich zu machen“, erklärt Budzuhn und hat damit auch schon den Schlüssel quasi in der Hand. Was man nicht sehen kann, das muss man be-greifen.
Gotik kann man hören
Im Falle des Feldkircher Doms heißt das so viel, als dass die Führung beim Weihwasserbecken beginnt. Der Stein ist kühl, rund, glattpoliert. Das Wasser darin kalt und nass. Man hört es kurz gluckern, als ein Finger nach dem anderen leicht die Oberfläche berührt. Und so geht es weiter. Die Geschichte, die die Grafen von Montfort mit Feldkirch verbinden, wird erzählt und mit den Fingern entlang eines Reliefs im Altarraum des Doms ertastet. Beim kunstvoll geschmiedeten Sakramentshäuschen zur Linken des Langschiffs heißt es: „Spüren sie, wie fein gearbeitet das ist?“ Einen Schritt weiter, in der Marienkapelle des Doms, leitet Gerlinde Budzuhn ihre Gruppe dann an, ganz genau hinzuhören, wie sich die aufstrebenden Gewölbe der Gotik im Vergleich zur viel niedrigeren Kapelle anhören. „Übrigens, bemerken Sie den Unterschied? Sie stehen gerade auf der Grabplatte von Bruno Wechner. Bruno Wechner war der erste Bischof von Feldkirch“, erzählt die Kirchenraumpädagogin und verbindet ihre Ausführungen mit der Bitte, doch den Unterschied zwischen Kirchengang und eingelassener Grabplatte zu ergehen.
Nächster Grundkurs in Sicht
Übrigens, Gerlinde Budzuhn ist nicht die Einzige, die sich Gedanken über Spezialführungen gemacht hat. In Höchst findet demnächst eine Spezial-Kirchenführung für Menschen mit Demenz statt. Nachahmer/innen sind also herzlich willkommen - und auch der nächste Grundkurs zur Kirchenraumpädagogik ist schon in Sicht. Die Anmeldung läuft bereits.
Kirchenraumpädagogik
Der nächste Lehrgang zur Kirchenraumpädagogik startet im Jänner 2019. In acht Einheiten vermitteln Expert/innen Fachwissen zu Religion, Architektur, Geschichte, Ikonographie, Liturgie, Methodik und Präsentation.
Veranstalter:
Archiv der Diözese Feldkirch, Katholisches Bildungswerk, Fachstelle Glaubensästhetik und Jugend- und Bildungshaus St. Arbogast.
Weitere Informationen bei:
MMag. Othmar Lässer, Diözesanarchiv. T 05522 3485-302 oder www.kirchenraum.at
(aus dem KirchenBlatt Nr. 25 vom 21. Juni 2018)