Wenn geliebte Tiere sterben, bedeutet das für Kinder oft die erste Erfahrung mit dem Tod.Doch auch Erwachsene leiden und fragen sich: Darf ich um ein Tier trauern?

zu: Kommentar - Kommen Tiere in den Himmel?
zu: Thema - Wenn Tiere sternen


Logo - mit Tieren leben Serie: Teil 5 von 6

Christine Grüll

Karo starb nicht. Er kam nur eines Tages nicht mehr nach Hause. Der unerzogene Mischlingsrüde war gerne über die Felder gejagt und hatte im Wald die Wildtiere erschreckt. War ihm das zum Verhängnis geworden? Die Ungewissheit ließ die Kinder seiner Besitzerfamilie traurig zurück.
Hannah hingegen weiß, wann ihr Hase Alex gestorben ist. Am Morgen eines 8. Dezember lag er steif in seinem Käfig. Der Hase hatte sie begleitet, seit sie drei Jahre alt war. Nun wollte die Schülerin sein weiches, weiß-graues Fell nicht mehr berühren. Dafür bekam er einen schönen Platz im Garten, unter dem Johannisbeerstrauch.

Berührung mit dem Tod
Wo und wie auch immer ein geliebtes Tier stirbt, es ist oft die erste Erfahrung eines Kindes mit dem Tod. Er trennt die Beziehung zu einem Lebewesen, das sich einen Platz im Herzen seiner Besitzer/innen erobert hat. Futternäpfe und Schlafplätze bleiben leer. Tagesabläufe kommen durcheinander – kein Streicheln mehr, kein Füttern, kein täglicher Spaziergang. Der Tod des Tieres lässt das Kind erkennen: das Leben ist endlich. Und wenn das Haustier sterben kann, können das auch Eltern und Geschwister?

Nur ein Tier

„Es ist, als wäre jemand aus der Familie gestorben“, sagt Christa, verheiratet, berufstätig und seit kurzem zum zweiten Mal Großmutter. Der Satz kommt ihr nicht leicht über die Lippen. Sie weiß, dass so etwas nicht gerne gehört wird. Ein Haustier mit einem Menschen zu vergleichen, das geht vielen zu weit. Christa hat das selbst erfahren. Als ihr Zwerggrauhaardackel Gina nach zehn Jahren in der Familie starb, empfand sie einen tiefen Schmerz. Doch sie stieß mit ihrer Trauer auf Unverständnis. „Es war doch nur ein Tier“, musste sie aus ihrer Umgebung hören. Sie lernte, nicht zu zeigen, dass sie traurig war. Jeder andere Hund, den sie sah, erinnerte sie an ihren eigenen. Wie er seine Bedürfnisse mitgeteilt und auf seine Art mit ihr „geredet“ hatte.

Einfach zuhören
Sich nicht austauschen zu können, lässt manche Trauer schwer verkraften. Kindern wird das Gespräch gerne zugestanden. Bei Erwachsenen wird es schnell als übertrieben empfunden, oder sie kommen in den Ruf, Freundschaft nur zu Tieren und nicht zu Menschen pflegen zu können.
Anneliese Jarolim hört Kindern und Erwachsenen zu. Sie bewertet nicht, ob es zulässig ist, über ein Tier zu trauern. Sie weiß aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass es die Trauer um Tiere einfach gibt. Vor 25 Jahren gründete Anneliese Jarolim gemeinsam mit ihrem Mann Helmut den Tierfriedhof in Pasching bei Linz. Dafür haben sie einen ausgedienten Flugzeughangar gekauft, das Grundstück gerodet und anfangs noch unbeholfen Marketing betrieben. Helmut Jarolims Traum war es, den Müllcontainern, in denen tote Tiere oft landen, etwas entgegenzustellen: einen würdevollen Abschied.

Die Urne auf dem Fensterbrett
Tiere wurden schon seit Jahrhunderten bestattet. Das belegen zahlreiche archäologische Funde, wie die beiden Pferdeskelette in der niederösterreichischen Römerstadt Carnuntum. Pferde haben im Krematorium auf dem Paschinger Tierfriedhof keinen Platz. Doch vom Hamster bis zum mittelschweren Hund können Tiere verbrannt werden. Bei Kleinen bleibt nur eine Handvoll Asche. Die Urnen können auf dem Friedhof bestattet werden. Die meisten Besitzer/innen nehmen sie jedoch mit nach Hause. „Meine Katze steht in einer Urne auf dem Fensterbrett. Dort ist sie früher am liebsten gelegen“, sagt Anneliese Jarolim und streichelt Rudi, der auf ihrem Schoß sitzt. Der Jack Russel Terrier mit dem kessen roten Halsband ist ein guter Tröster. Denn vor zwei Monaten musste sie ihren Mann begraben.

Abschluss und Neubeginn
Innehalten und sich verabschieden setzt einen Punkt hinter die Zeit, die mit einem Tier bewusst verbracht wurde. Das braucht kein großes „Brimborium“, stellt Anneliese Jarolim energisch fest. Im Gegensatz zu anderen Tierfriedhöfen in Österreich bieten sie keine Bestattungszeremonie an.
Die hat Hannah für ihren Hasen Alex selbst gestaltet. Auf den Deckel eines Schuhkartons klebte sie eine Karte mit Namen, Kreuz und Herz, selbst gemalt. Drei Tage später grub Hannah noch einmal nach und legte Blumen zum Hasen. Damit konnte sie mit seinem Tod endlich abschließen.
Christa war erst 20 Jahre nach dem Tod des Zwerggrauhaardackels bereit für ein neues Tier. Jetzt aber bringt nicht nur Christas kleiner Enkel Wirbel in die Wohnung. Die neue Dackeldame ist ebenfalls sehr neugierig.
Helmut Jarolim hat schon zu Lebzeiten seine Grabstätte gestaltet. Nun ruht er unter einer Trauerweide auf dem Friedhof der Tiere, denen er ein bisschen Würde geschenkt hat. 

KOMMENTAR

Kommen Tiere in den Himmel?

Wenn wir sterben bleibt die Hoffnung, dass wir auferstehen werden. Was aber geschieht mit Tieren, die uns wichtig waren? Wenn Kinder fragen, fällt uns die Antwort ganz leicht: Dein Tier ist jetzt im Himmel. Das tröstet und regt die Phantasie an. „Alex ist jetzt bei Opa im Himmel“, war sich die damals siebenjährige Hannah sicher, als ihr Hase starb. Opa ist nun nicht mehr allein. Kinderbücher greifen diesen Gedanken gerne auf, wie eine Zeichnung im Buch „Bulle und Pelle. Eine Geschichte über den Tod“: Auf einer himmlischen Wiese sitzt der Opa an einem Tisch. Darunter hockt der gestorbene Hase. Beide wirken zufrieden im warmen Licht der Abendsonne.

Theologie im Namen der Tiere
Dürfen sich Ähnliches auch Erwachsene vorstellen? Theologen versuchen, anhand der Bibel zu ergründen, ob Tiere Zugang zum Himmel haben. Für den Linzer Moraltheologen Michael Rosenberger ist das selbstverständlich: „Man braucht nur auf das achte Kapitel im Römerbrief zu schauen. Die ganze Schöpfung – und da gehören die Tiere dazu – ist zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes berufen – durch Jesus Christus.“ Tiere im Himmel zu sehen, ist für Erwachsene schwer. Sich unsere eigene Auferstehung vorzustellen, wohl auch.   C. G.

 

ZUM THEMA

Dr. Michael Martys Dr. Michael Martys, Direktor des Alpenzoos Innsbruck-Tirol

Wenn Tiere sterben

Offensichtlich gibt es eine tief verwurzelte emotionale Komponente, die uns das Leiden und Sterben eines uns nahe stehenden Lebewesens als essentiellen Verlust wahrnehmen lässt. Andererseits betrachte ich es als Gnade, dass wir ein Tier von seinem verletzungs- oder krankheitsbedingten Leiden mit Hilfe des Tierarztes erlösen dürfen. Es stimmt sicher, dass Tiere Angst empfinden, z. B. vor einem Fressfeind oder einem überstarken Gegner. Aber diese Angst ist Überlebensstrategie und hat nichts mit der Furcht vor dem Tod zu tun, eine Vorstellung, die Tieren wohl nicht gegeben ist.

Umso wichtiger ist, dass wir ihnen ein tiergerechtes, also angst- und schmerzfreies Leben ermöglichen.
Jährlich werden in Österreich etwa 600 000 Rinder, rund 6 Mio. Schweine und über 70 Mio. Hühner geschlachtet, um als Lebensmittel auf unseren Tellern zu landen. Diese Mengen sind so unvorstellbar, dass wir kaum zu einer Gefühlsreaktion fähig sind.

Unser Mitleid beschränkt sich nur auf fassbare Ereignisse. Deshalb finde ich es so wichtig, dass Kinder frühzeitig emotionale Bindungen an ihr Lieblingstier entwickeln. Wenn sie das Älterwerden und schließlich Sterben ihres geliebten Hausgenossen miterleben und innerlich verarbeiten können, haben sie für ihr emotionales Gleichgewicht in ihrem eigenen Leben schon viel gelernt.