Jesus hatte verkündigt: Gottes Königsherrschaft fängt gerade an, unter uns Menschen wirksam und erfahrbar zu sein. Der Karfreitag schien zu zeigen: Seine Botschaft ist widerlegt und die Sache Jesu hat sich erledigt. Zu Ostern aber kamen die ersten Christen zum Glauben, Gott habe ihn auferweckt: Jesu Worte sind tragfähig und sein Leben ist zum Maßstab gelingenden Lebens überhaupt geworden. – Wie aber ging die Sache weiter?

Bild: Gottes Geist – nach dem Bildwort des Propheten Joël wie eine belebende, erfrischende Dusche.

Logo Zauber des Anfangs

Zauber des Anfangs
Impulse aus dem Neuen Testament

Teil 3 von 6

von Dr. Christoph Niemand

Mit ihrem Osterbekenntnis meinten Petrus, Maria von Magdala und all die anderen keineswegs, Gott hätte eine „Reset-Taste“ gedrückt und den Karfreitag gelöscht. Der auferweckte Jesus war ja auch nicht zu ihnen zurückgekehrt, damit es wieder so sei wie vorher. Er war nicht mehr da. Dennoch vermittelt die Apostelgeschichte nicht den Eindruck, jene Menschen, die dann die Urkirche bildeten, hätten sich über längere Zeit hin als ein hilfloses, verwaist zurückgelassenes Grüppchen gefühlt. Als letzte Worte des Auferstandenen, mit denen er die Seinen sozusagen in die Selbstständigkeit entlässt, lesen wir in der Apostelgeschichte (1,8):

„ … ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde.“

Wenn wir vom Geist eines bestimmten Menschen sprechen, meinen wir oft die ansteckende Kraft, die von ihm oder ihr ausgeht. Sie kann wirksam sein, auch wenn die betreffende Person gar nicht selber anwesend ist. Vom „Geist Mahatma Gandhis“ lassen sich auch viele Jahre nach seinem Tod noch Menschen inspirieren, die ausprobieren wollen, wie man mit Konflikten gewaltfrei umgeht. Und es gibt viele, die sagen, „im Geist von Papst Franziskus“ würden sie das Evangelium neu verstehen lernen. Seine Authentizität „kommt rüber“, dazu muss er gar nicht körperlich anwesend sein.

Geist Gottes 
Irgendwie ist es auch mit Gott so: Er ist in seiner Schöpfung nicht gleichsam „gegenständlich“ da. Dann bliebe für sie selbst ja auch gar kein Platz mehr. Gott kann gegenwärtig sein, ohne zu verdrängen oder zu erdrücken. Wenn er einen Raum erfüllt, dann ist er wie frische Luft, die atmen und leben lässt: Im Johannesevangelium (4,24) und im zweiten Korintherbrief (3,17) lesen wir:

„Gott ist Geist.“ „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“

Die Apostelgeschichte erzählt von den ersten Gläubigen, dass sie plötzlich so mutig und kompetent sein konnten, wie es ihnen keiner zugetraut hätte, am allerwenigsten sie selbst. Sie erlebten sich jetzt als befähigt, die Sache Jesu eigenverantwortlich weiterzutragen. Eine Energie, die sie in sich noch nie gespürt hatten, trieb sie an: Jener belebende Geist, wie sie ihn von Jesus her kannten. Im Anschluss an das stürmische Pfingsterlebnis sagt Petrus darum zu den Menschen in Jerusalem, dass sich jetzt die Weissagung des Propheten Joël erfüllt habe (Apg 2,17):

„Ich werde von meinem Geist
ausgießen über alles Fleisch.
Eure Söhne und eure Töchter werden
prophetisch reden, eure jungen
Männer werden Visionen haben und
eure Alten werden Träume haben.“

Prophetische Rede ist es, wenn jemand weiß und sagt, welches Verhalten der Menschen Zukunft hat und welches nicht. Die ersten Christen haben in aller Öffentlichkeit prophetisch bezeugt, dass kein Leben so zukunftsfähig ist wie Jesu Leben, weil Gott selbst es als lebbar erwiesen hat. Alle, die sein Leben nach-leben wollen, sind junge Leute mit Visionen, wie die Welt funktionieren kann, oder Alte, die es nicht verlernt haben, zu träumen. Und bis heute ist die Christenheit nicht damit fertig geworden, die traumhafte Vision des Evangeliums zu bezeugen: Alle Menschen haben ein Recht darauf, es zu hören.

Erster Anteil
Gottes Geist ist aber nicht nur Motivationskraft und Antriebsmotor. Der Apostel Paulus bezeichnet ihn im zweiten Korintherbrief (1,22) einmal mit einem überraschenden Begriff aus der Finanzwelt:

Gott hat „… als ersten Anteil den Geist in unsere Herzen gegeben.“

Im Urtext steht für „erster Anteil“ das Wort arrabôn. Im Griechischen war das ein Fremdwort, das sich als Fachausdruck im Bankenwesen damals international eingebürgert hatte. Im negativen Sinn wurde es verwendet für die erste, bei Kreditnahme sofort fällige Rate auf die Gesamtschuld.

„Gewinnausschüttung“ 
In positiver Bedeutung bezeichnet arrabôn dagegen die erste Anzahlung auf einen Gesamtgewinn. Das Bild, das Paulus hier prägt, lässt uns lächeln: Der Geist Gottes in unseren Herzen – das ist wie die Gewinnausschüttung, die gleich beim Einzahlen der Investition zurückkommt; wie eine Anfangsdividende, die Lust macht auf mehr.
Deshalb preisen wir Gott in den Worten des vierten Hochgebets der Eucharistiefeier dafür, dass Jesus „von dir, Vater, als erste Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt“ hat.

Impulse

Wie fühlt sich das eigentlich an, „vom Heiligen Geist erfüllt“ zu sein? Lässt es sich überhaupt „anfühlen“? Wenn ja, gibt es Unterscheidungsmerkmale zu anderen Gefühlen? Wenn nein, woran erkennt man dann überhaupt, dass Gottes Geist in uns ist?

Die Urgemeinde damals war wahrnehmbar als Gruppe von Menschen, die dafür steht, dass das Leben Jesu erstens lebbar ist, und dass es zweitens zum Maßstab für Leben überhaupt geworden ist. Was nehmen die „Leute draußen“ eigentlich von uns als Pfarrgemeinde wahr? Wenn man es auf den Punkt bringt: Wofür stehen wir?

Lassen wir die traumhafte Vision einmal zu: Der Geist Gottes ist in unseren pfarrlichen Treffen und Sitzungen wirklich da. Wie geht das? Und was wäre dann anders als jetzt?

Dr. Christoph NiemandDr. Christoph Niemand
ist Universitätsprofessor der neutestamentlichen Bibelwissenschaft
an der Katholischen Privat-Universität Linz.
Zu seinen Veröffentlichungen zählt das Buch
„Jesus und sein Weg zum Kreuz“.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 41 vom 12. Oktober 2017)