Viel Anerkennung und Aufmerksamkeit erfuhr Arno Geiger zuletzt mit seinem Roman „Der alte König in seinem Exil“. An junge Menschen richtet sich die biblische Erzählung „Jona tobt“. Mit dem KirchenBlatt sprach der Autor über selbstbewusste Propheten, den Unterschied zwischen Zorn und Ärger und über das nicht nur kind­liche Bedürfnis, die Welt besser zu verstehen.

zu: Autor Arno Geiger 
zu: Thema - Bibelbilderbücher

Petra Nachbaur

KirchenBlatt: Zur Profession des Schriftstellers gehört heute die Lesetour. Schon einmal nächtens im Hotelzimmer zur hauseigenen Bibel gegriffen?
Arno Geiger: Selten. Ich muss ehrlich sagen, ich mag Plastikeinbände nicht besonders.

KirchenBlatt: „Jona tobt“ war Kinderbuch des Monats. Auch die Aufmachung schaut nach Bilderbuch für kleine Menschen aus. Ihre Werke finden sich sonst aber im Erwachsenen-Sortiment. An was für Leser/innen haben Sie beim Schreiben gedacht?
Geiger: An Kinder. Gleichzeitig sind alle sehr guten Kindergeschichten auch toll für Erwachsene. Umgekehrt ist das ganz und gar nicht der Fall, und das macht das Schreiben von Kinderbüchern so eigentümlich.

KirchenBlatt: Wo wir grad beim Alter sind: Wie alt stellen Sie sich den biblischen Jona vor? Bärtig? Der Geiger’sche wirkt sehr jung: Ein Teenager in Auflehnung gegen Autorität, cool und lässig, dann wieder hitzköpfig und schmollend?
Geiger: Jona ist vor allem selbstbewusst, ein selbstbewusster, eigenständig denkender Mensch. Seinem Auftreten nach scheint auch der biblische Jona ein kräftiger Typ zu sein. Das lässt ihn jung erscheinen, weil wir Selbstbewusstsein und Kraft mit Jugend verbinden. Grundsätzlich stelle ich mir alle Propheten selbstbewusst vor. Aber nicht alle hinterfragen ihr Tun. Das macht Jona einzigartig.

KirchenBlatt: Dem Wal verdankt die Geschichte von Jona ihre Bekanntheit. Spannend ist sie aber davor und danach: Verweigerung „in Gedanken, Worten und Werken“.
Geiger: Mir gefällt, dass Jona zum Anfang der Geschichte an einem Punkt steht, an dem er sich nicht mehr als bloßer Befehlsempfänger sieht. Er macht sich seine eigenen Gedanken und lehnt sich auf. Und das Besondere ist: Gott nimmt Jona ernst. Gott versucht, sein Handeln zu erklären. Und er sagt zu Jona: „Kümmere dich, übernimm‘ Verantwortung, dann kannst du mitreden.“ - Eine großartige Geschichte für Kinder.

KirchenBlatt: Mit dem Buchtitel fokussieren Sie auf den Zorn. Der hat Konjunktur: Es gibt den „Wutbürger“, und Familientherapeuten legen sich für den Ärger ins Zeug. Andererseits schaut die Welt nicht nach einem Mangel an Aggressivität aus.
Geiger: Verkürzt gesagt: Zorn ist Erregung, und Erregung ist eine Form der Anteilnahme.Ärger und Aggressivität hingegen ... Ärger richtet sich doch eher nach innen, finde ich, und Aggressivität tendiert zur Gewalt. Es gibt sehr viele gute Gründe, zornig zu sein, und sehr wenig gute Gründe, aggressiv zu sein: Es besteht hier also ein entscheidender und qualitativer Unterschied.

KirchenBlatt: Die Schriften des Alten Testaments behaupten ihren Rang im literarischen Kanon. Ist die Bibel für Sie ausschließlich Sprachkunstwerk?
Geiger: Nein, überhaupt nicht. Die Bibel ist von Menschen für Menschen geschrieben, aber es steckt sehr viel mehr in diesen Texten als nur der Wunsch, schöne Geschichten zu erzählen und Lebensregeln zu erstellen. Die Bibel ist Weltdeutungs-Versuch, spirituelle Essenz aus vielen Jahrhunderten und eine Sammlung großartiger Erzählungen, in denen sich die Menschen mit ihren Alltagsproblemen wiederfinden.

KirchenBlatt: Haben Sie selbst gerade diesen Bibeltext ausgesucht? Was ist faszinierender, die Gestalt des unwillig-verdrießlichen Propheten oder der mehrdeutige Verlauf der Handlung?
Geiger: Ich war überrascht, dass niemand vor mir auf die Idee gekommen war, die Jona-Geschichte nachzuerzählen. Eine kompakte Erzählung, sehr bildlich, inhaltlich auch heute von großer Relevanz, nicht ohne Witz und auch nicht ohne Drastik. Aber ich glaube ohnehin, dass Kinder sich nicht vormachen, in einer heilen Welt zu leben. Sie wollen die Welt nicht beschönigt bekommen, sondern sie besser verstehen. Kinder sind in einer ähnlichen Situation wie Jona, der unwillig-verdrießliche Prophet - der will die Welt ebenfalls besser verstehen.

KirchenBlatt: Sie leben schon lange in Wien und bewegen sich im gesamten deutschen Sprachraum. Verwenden Sie noch manchmal den Ausdruck „zörnala“?
Geiger: Ich bin mit einer Vorarlbergerin verheiratet, wir reden Dialekt, und da es im Hochdeutschen kein Verb gibt, das „zörnala“ präzise ersetzen kann, verwenden wir es zwangsläufig. Ein schönes Wort für letztlich harmlosen, schnell wieder verrauchenden Zorn.

 

Arno GeigerArno Geiger

ist 1968 in Bregenz geboren, 1997 veröffentlichte er „Kleine Schule des Karusselfahrens“ im Hanser Verlag. Seither beeindruckte die „leise Eleganz“ (Dirk Knipphals) seiner Prosa die Leser/innen von bislang acht Romanen und Erzählbänden, im Frühjahr 2015 erscheint Geigers neuer Roman. 2012 wurde der Autor mit dem Anton Wildgans Preis ausgezeichnet.
Priester und Schriftsteller haben für Arno Geiger, zusammen mit „medizinischem Personal“, eine Gemeinsamkeit: Sie bilden jene „drei Berufsgruppen, die es ganz besonders mit dem Tod haben.“ (Rede zur Verleihung des Johann Beer Preises 2011).

www.arno-geiger.de/

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Bibel neu erzählt

Jona tobt - CoverJona tobt.
Arno Geiger und Kitty Kahane erzählen eine Geschichte aus Ninive.
Verlag edition chrismon 2012.
32 S., geb., € 14,90.


 

Bibelbilderbücher

„Jona tobt“ ist in der edition chrismon erschienen. In dieser Bilderbuchreihe erzählen renommierte Gegenwartsautor/innen aus der Heiligen Schrift. Wladimir Kaminer etwa nahm sich die Schöpfungsgeschichte mit Adam und Eva her, Thomas Brussig den Turmbau zu Babel, Sibylle Berg Moses und den Auszug aus Ägypten. Auch Hiob, Josef und Noah finden sich in zeitgenössischen Sichtweisen. Farbenfroh illustriert sind all diese Bände von der Berliner Künstlerin Kitty Kahane, die unter anderem auch eine Ausgabe von Meyers Großem Taschenlexikon gestaltet hat.

  • Wladimir Kaminer: Das Leben ist kein Joghurt. edition chrismon 2010. 32 S., € 14,90.
  • Thomas Brussig: Der Wurm am Turm. edition chrismon 2011. 32 S., € 14,90.
  • Sibylle Berg: Mir stinkt’s. edition chrismon 2013. 32 S., € 14,90.
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