Papst Franziskus will keine Kirche, die im geschützten Stall den verbliebenen „Schäfchen Löckchen dreht“, sondern die hinausgeht zu den Menschen, ihr Leben teilt und dabei auch Kratzer und Beulen riskiert. „Hinaus ins Weite“ ist auch das Motto des diesjährigen Weltgebetstages für geistliche Berufungen.

Dr. Andreas Knapp (Bild rechts)
ist Priester, Schriftsteller und Fabriksarbeiter
in Leipzig. Er schloss sich den „Kleinen Brüdern“
an und lebte einige Zeit unter Armen in
Frankreich und Bolivien

„Er führt uns hinaus ins Weite“ heißt es im Psalm 18. Für den ehemaligen Studentenseelsorger und Regens des Freiburger Priesterseminars Andreas Knapp war „das Weite“ eine Plattenbausiedlung in Leipzig und eine Fabrik, wo er als Packer am Fließband arbeitet. In der Zeitschrift „miteinander“ sagt er dazu:

Herr Knapp, Außenstehende könnten vielleicht sagen, Ihr Schritt war eine „Karriere nach unten“. Was sagen Sie darauf?
Knapp: Es mag seltsam klingen, aber für mich ist das kein Bruch. Ich komme aus einem katholischen Elternhaus, bin in der katholischen Jugend groß geworden und habe früh meine Berufung zum Priester gespürt. Während meines Studiums kam ich dann mit der Spiritualität von Charles de Foucauld (1858 −1916) in Kontakt. Das hat mich religiös und theologisch fasziniert – dieses Bekenntnis eines Lebens in einer kleinen Gemeinschaft in einem nichtkirchlichen Umfeld. Mir wurde bald klar: Das ist meine eigentliche Berufung. Sah meine Entscheidung auch äußerlich nach einem Bruch aus, so war ich innerlich schon immer unterwegs auf diesem Weg.

Wie würden Sie Ihre Berufung beschreiben? Was ist Ihr Ziel?

Ich verfolge kein „missionarisches“ Ziel, sondern lebe gemeinsam mit vier anderen Brüdern ein geistlich-kontemplatives Leben − aber eben nicht in einem Kloster, sondern in einer Plattenbausiedlung, in einer gewöhnlichen Wohnung. Charles de Foucauld nannte dies die „Theologie von Nazareth“: Jesus hat viele Jahre in Nazareth im Verborgenen gelebt und gearbeitet. In dieser Zeit des normalen Mitlebens mit anderen Menschen ist vieles in ihm gereift. Wir wollen diesen Weg ebenso gehen. Man muss nicht abgeschieden leben, um kontemplativ leben zu können.

Wie würden Sie das Umfeld beschreiben, in dem Sie leben?

Es ist ein völlig areligiöses Umfeld. Über 90 Prozent der Menschen hier in Leipzig bzw. insgesamt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR haben mit Religion nichts zu tun. Mehr noch: Die überwiegende Mehrheit kann nicht einmal mit dem Wort „Gott“ etwas anfangen oder weiß nicht, wie man betet. Ich sehe das aber nicht etwa als „Mangel“ an, sondern als Herausforderung, zu versuchen, diesen Menschen in einer ganz anderen und neuen Sprache Türen zur Transzendenz zu öffnen.

Wie gelingt Ihnen dieses Kunststück?

Die Aufgabe besteht zunächst darin, zuzuhören und selbst die Sprache zu erlernen, in der religiös unmusikalische Menschen ihre Hoffnungen, Wünsche und Ängste artikulieren. Jeder Mensch redet anders mit Gott – das gilt auch für jene, die keine religiösen Bilder mehr haben, für die Gott kein direkter Adressat ihrer Hoffnungen und Wünsche ist.

Welche Folgen ergeben sich daraus für die kirchliche Verkündigung?

Die kirchliche, uns überlieferte Sprache kommt immer mehr an ihre Grenzen. Für viele Menschen ist sie jetzt schon eine Fremdsprache, die mehr verwirrt als dass sie einen Nutzen bringt. Wir brauchen seitens der kirchlichen Verkündigung eine höhere Sprachsensibilität. Wir müssen erfinderischer werden, um die Menschen wirklich noch im Herzen zu berühren. Die Wiederholung tradierter Formeln hilft da nicht weiter. Es braucht eine neue kirchliche Sprache, die zu Herzen geht, die verwandelt und Horizonte öffnet.

 Die Lyrik ist für mich eine solche Möglichkeit. Sie kann als ein Übersetzungsprogramm von biblisch-religiösen Vorstellungen und Ideen in die Sprache der Menschen hier und heute fungieren.