Zum Jahresbeginn nimmt der Pastoralamtsleiter der Diözese Feldkirch Stellung zu den wichtigen Fragen der kommenden Monate. Martin Fenkart spricht im KirchenBlatt-Interview über Kirchenaustritte, Diözesanjubiläum, missionarische Pastoral und den Kontakt zu den jungen Menschen.

Das Interview führte Dietmar Steinmair

Traditionell Anfang Jänner veröffentlicht die katholische Kirche  die Katholik/innen-Zahlen. In Vorarlberg haben im vergangenen Jahr 2.797 Personen ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. Worauf führen Sie die leicht gestiegene Anzahl an Austritten zurück?
Martin Fenkart: Die langjährigen Trends der Gesellschaft zeigen auch 2017 ihre Wirkung: Modernisierung, Privatisierung der Religion und der Verlust an Bedeutung  großer Institutionen im Leben der Menschen. Das trifft auch die Kirche. Vielen Ausgetretenen fehlt in ihrem Alltag der innere Bezug zur Institution. Sie sehen keinen Mehrwert dabei zu sein. Ein Freund hat mir vor kurzem erklärt, dass er eigentlich nicht darüber nachgedacht hat, warum der Gottesdienst für ihn nur noch an Weihnachten wichtig ist. Unterm Jahr bevorzugt er sonntags einfach das Fitness-Studio. Derzeit fehlt ihm nichts. Auffallend im Trend der Jahre ist, dass „negative Einstellungen“ gegenüber Papst oder Bischof fast bei null liegen - das wissen wir aus den Telefonaten unserer Dialogstelle. Viele Menschen stehen der Institution mit ihren Wertevorstellungen zwar kritisch gegenüber, haben aber Respekt vor dem, was die Kirche für die Gesellschaft leistet.

Gibt es bei den Austritten ein Gefälle zwischen städtischen und ländlichen Regionen?
Fenkart: Diese Frage haben wir genauer angeschaut, weil die Statistik zeigte, dass die Beteiligung bei den Pfarrgemeinderatswahlen 2017 im städtischen Raum eindeutig niedriger lag als in ländlichen Gegenden. Bei den Kirchenaustritten gibt es hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen ländlichem und urbanem Bereich.

Wie sah es 2017 mit den Wiedereintritten und den Konversionen zur katholischen Kirche aus?
Fenkart: Erfreulich ist, dass im letzten Jahr 189 Menschen wieder in die Kirche eingetreten sind. Das sind sehr bewusste Schritte, die hier gesetzt wurden. 24 Personen haben die Religion gewechselt und wurden Christen.

2018 steht die Kirche in Vorarlberg im Zeichen des Jubiläums „50 Jahre Diözese Feldkirch“. Demnächst werden die Schwerpunkte der Öffentlichkeit vorgestellt. Können Sie schon ein paar Details verraten?
Fenkart: Wir nehmen dieses Jubiläumsjahr zum Anlass, um mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu treten. Jung und Alt, Frauen und Männer, Arm und Reich, Kirchennah und -fern. Wir werden nicht nur unter uns bleiben oder uns gar selbstbeweihräuchern, sondern jene Menschen aufleben lassen, für die wir da sein möchten: Alle!
Wenn wir ein Festmahl für notleidende Menschen veranstalten, dann lassen wir uns vom Barmherzigen Samariter inspirieren. Wenn ich an den „Pavillon 50“ denke, der auf seiner Tour durch Vorarlberg zu einem Blick in Vergangenheit und Zukunft der Kirche auffordert, dann klingt noch die Weihnachtsbotschaft des Engels nach: „Fürchtet euch nicht!“ Wenn ich an die Jubiläums-Novene denke, dann lande ich bei der Aufforderung Jesu, niemals auf das Gebet zu vergessen.

Welche größeren Themensetzungen - abgesehen vom Diözesanjubiläum - planen Sie für das Pastoralamt 2018?
Fenkart: Es sind viele wichtige Dinge in Bewegung. Der Pastoralrat beschäftigt sich im Jänner mit der Frage, was uns künftig im Bereich „Tod und Trauer“ wichtig ist. In einzelnen Pfarren begleiten wir die Errichtung neuer Pfarrverbände. In der Kommunikation setzen wir mehr auf das Bewegtbild. Eine Konferenz im Februar bringt Impulse für die Firmpastoral. Im März beschäftigen wir uns mit der Frage, was es braucht um in der Zukunft neue Gemeinden zu gründen. Wo hält sich die junge Generation heute auf - wie kann man sie erreichen?  Das Team Ethik entwickelt eine Checkliste zur Umsetzung der ökosozialen Leitlinien, und vieles mehr.
Am Beginn des Jahres ist mir danach zu sagen: Hey Leute, wacht auf! Es liegt wesentlich an uns, ob sich etwas bewegt in Vorarlberg. Nicht Austrittszahlen oder Priestermangel müssen die Zukunft bestimmen, sondern das, was wir in unserem Herzen haben. Das, was wir mit Freude anpacken, wird die Zukunft ausmachen. Wofür haben wir Energie? Wo ist unsere Leidenschaft? Arbeiten wir gemeinsam an der Zukunft der Kirche in Vorarlberg weiter oder werkt jeder nur für sich? „Wer alles verteidigt, verteidigt nichts“, lautet ein Sprichwort. Es ist kräfteraubend, wenn in manchen Prozessen selbst unter Leitern alles bleiben muss, wie es immer war. Der Papst würde sagen: „Wir müssen von einer rein bewahrenden Pastoral zu einer entschieden missionarischen Pastoral übergehen“ (Evangelii gaudium 15).

Im Herbst 2018 wird in Rom die Bischofssynode zum Thema „Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ stattfinden. Wie ermutigt die Kirche in Vorarlberg Jugendliche, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, in Gesellschaft, in Politik und Kirche?
Fenkart: Das Selbstverständliche macht oft nicht viel Lärm. Ich denke an die 31.000 Kinder und Jugendlichen, die sich in Vorarlberg im Unterrichtsfach Religion mit Grundfragen des Lebens, des Glaubens und der Zukunft beschäftigen. Oder an die vielen Angebote, bei denen junge Menschen ihre Fähigkeiten entwickeln und in den Dienst anderer stellen, wie etwa bei den 72 Stunden ohne Kompromiss oder den Hot-Spot-Talks. Ein Tipp für 16- bis 26-Jährige ist die „Pro Con“ im Februar in St. Arbogast. Eine Jugendkonferenz, die sich mit dem Thema Heimat beschäftigt. Angesichts der Europapolitik und ca. 65 Millionen Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden, eine brennende Frage. In den kommenden Jahren werden wir außerdem viel Engagement in die „Firmung mit 17“ stecken. Sie ermöglicht uns den direkten Kontakt mit älteren Jugendlichen, in einer Lebensetappe, in der sie selbst festlegen, was ihnen im Leben wichtig ist. Wenn es langfristig gelingt, dass viele die Erfahrung machen, dass der christliche Glaube so etwas wie ein Anker im Leben ist, wird das weite Kreise ziehen.

Stichwort „Berufung“ - wie sieht es im Augenblick im Nachwuchsbereich aus, etwa bei den Priesterberufungen oder bei den Studierenden der Theologie oder Religionspädagogik?
Fenkart: An der theologischen Fakultät in Innsbruck zählen wir aktuell in der Religionspädagogik sieben Studenten, zehn Fachtheologen und 23 Lehramts-Studenten im Fach Katholische Religion. Sieben Seminaristen sind in Ausbildung, drei davon aus unserer Partnerdiözese in Indien. Man muss kein großer Mathematiker sein, um zu erahnen, wo es künftig fehlen wird. Theologie als Wissenschaft und die vermittelte Theorie sind das Eine, die gelebte Realität in den Pfarren ist das Andere. Ernst wird es dann, wenn man mit Studierenden darüber spricht, ob ihnen ihre Heimatpfarre oder andere Diözesaneinrichtungen so etwas wie „geistliche Beheimatung“ geben konnten. Leider ist dem meist nicht so und das ist das eigentlich Fatale, an dem es auch zu arbeiten gilt. 

Weihnachten ist zwar schon vorbei, aber wenn Sie noch einen Wunsch ans Christkind frei hätten, was wünschen Sie der Kirche für das kommende Jahr?
Fenkart: Der Kirche wünsche ich, leidenschaftlich von der Botschaft Jesu ergriffen zu sein und ich sag’s frei raus: Uns - dem Hauptamtlichenpersonal - wünsche ich die Entscheidung zur Freude und einen optimistischen Blick.

Und was wünschen Sie sich persönlich für 2018?
Fenkart: Wie wär’s mit leeren Händen für das Neue oder mit einem scharfen Blick zwischen den Zeilen. Wünsche hätte ich viele. Da bräuchten Sie mehr Papier für Ihre Zeitung.

Vielen Dank für das Gespräch! 

(aus dem KirchenBlatt Nr. 2 vom 11. Jänner 2018)