Fritz Hochwälders Drama „Der Flüchtling“ wird in der Regie von Bérénice Hebenstreit am Vorarlberger Landestheater zu einer eindringlichen theatralischen Skizze zur Frage, ob einem unschuldigen Menschen notfalls auch gegen das Gesetz zur Flucht verholfen werden darf.

Fatale Dreieckskonstellation im effektvoll reduzierten Bühnenbild:  Die Frau des Grenzwächters (Johanna Köster) im Gespräch mit dem Flüchtling (Tobias Krüger, links), im Hintergrund der Grenzwächter selbst (Nico Raschner).

Wolfgang Ölz

Eine Frau versteckt einen flüchtenden Mann vor der Polizei in ihrem Bett und gibt vor, es sei ihr Ehemann. Der Ehemann ist aber gleichzeitig Grenzwächter und wird im Anschluss denunziert, er habe seinen Dienst geschwänzt, weil er ja nach den Worten seiner Frau mit dieser im Bett war, als er an der Grenze wachen hätte sollen. Was geschieht mit der spontanen Helferin? Wie reagiert der pflichtbewusste Grenzwächter? Gelingt dem Flüchtling der illegale Grenzübertritt? Das sind die Fragen, die der theatralen Handlung knisternde Spannung einhauchen. Der jüdische Schriftsteller Fritz Hochwälder (1911-1986) musste 1938 nach seinen eigenen Worten selbst „wie ein Dieb“ über die grüne Grenze am Alten Rhein in die Schweiz fliehen. Ein Hauptwerk von Hochwälder ist im Übrigen „Das heilige Experiment“, das das Scheitern des Jesuitenstaates in Paraguay zum Inhalt hat.

Sofort Leben oder Tod.

Bérénice Hebenstreit bricht das allgemeine Gerede von Mitmenschlichkeit auf eine konkrete Dreieckskonstellation herunter. Hilfe oder Konformismus bewirken sofort Leben oder Tod. Bühnenbild und Kostüm von Mira König sind so reduziert, dass keine Ausflucht vor der Frage möglich ist, ob notfalls aus moralischen und mitmenschlichen Gründen eine, im herrschenden System als illegal geltende, Tat gesetzt werden muss.

Johanna Köster souverän.

Alle drei Schauspieler/innen sind Ensemble-Mitglieder am Vorarlberger Landestheater. Herausragend und souverän agiert Johanna Köster als zentrale Figur im lebensentscheidenden Streit. Die Gestalt des Grenzwächters, dargestellt durch Nico Raschner, ist etwas eindimensional, aber das ist wohl schon im Stück so angelegt - auch wenn die Entwicklung des Gesetzeshüters mit einem Knalleffekt endet.
Tobias Krüger, der als „Werther“ vergangenen Dezember restlos begeistern konnte, bleibt in diesem Stück hinter seinen schauspielerischen Möglichkeiten zurück, die Angst des zu Tode Gehetzten kommt fast ein bisschen zu routiniert über die Rampe. «

Termine und Caritas-Gespräch

Der Flüchtling, Termine: 6./8./12./16./21. Juni,  jeweils 19.30 Uhr, Großes Haus, Vorarlberger Landestheater. Karten: T 05574 42870 600, E

» Empathie versus Vorschriften: Öffentliches Gespräch in Zusammenarbeit mit der Caritas Vorarlberg. Mit Kilian Tschabrun (Bürgermeister von Zwischenwasser), Murtada Alhusseini (aus dem Irak geflüchteter Jugendarbeiter), Marlis Schedler (freiwillig Engagierte). Moderation: Vivien Fritsche (Caritas Flüchtlingshilfe),
Do 6. Juni, nach der Vorstellung, um ca. 21 Uhr,
T-Café, Vorarlberger Landestheater, Bregenz.

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 22 vom 30. Mai 2019)