Was bleibt vom Diözesanjubiläum? Was motiviert Menschen zum Kirchenaus- oder Kircheneintritt? Wie steht es um die personelle Versorgung der Pfarrgemeinden? Pastoralamtsleiter Martin Fenkart im Gespräch.

Die Fragen stellte Dietmar Steinmair

Herr Pastoralamtsleiter, wie war Ihr Weihnachtsfest und was nehmen Sie davon mit ins neue Jahr?
Martin Fenkart: Mein Jüngster hat dem Christkind auf den Wunschzettel geschrieben, dass er auf die Christmette verzichten könne. „Hauptsache, das Christkind bringt mir den ferngesteuerten Traktor“, meinte er. Die Mette mit den Fenkarts hat trotzdem stattgefunden - mit etwas Überzeugungskraft. Darüber hinaus bleiben schöne Tage in Erinnerung: gemeinsam Lieder singen, Kekse von Mama, kurz vor Heiligabend ein lieber Überraschungsgast,… Entscheidend für 2019 ist dabei: Das Herz des Kindes in der Krippe schlägt für dich.

Lassen Sie uns kurz zurückblicken auf das vergangene Jahr, das für die Kirche in ­Vorarlberg besonders unter dem Fokus des Jubiläums „50 Jahre Diözese Feldkirch“ stand. Welche ­Impulse bleiben und werden von der Diözese weiterverfolgt?
Fenkart: Das nehme ich zum Anlass, allen Mitarbeiter/innen zu danken, die die Kirche ausmachen, und das nicht nur im Jubiläumsjahr, sondern durch ihr treues Alltagsengagement. Viele haben davon erzählt, dass ihnen das „Fest am See“ im Mai sehr gut getan hat. Wir haben vielfach erlebt, dass unsere Kirche kraftvoll, kreativ, freudig und interessiert ist, den Armen dient und keine Scheu hat, über das Leben und den Glauben ins Gespräch zu kommen. Eine Kirche, die nur lehrt, leert sich mit der Zeit. Starke Anziehungskraft hat eine integrierende Kirche, die betet, dient, zuhört und sich im Herzen berühren lässt, eine Kirche, die intelligente Fragen stellt und sich auf das Leben der Menschen einlässt, um dann so die Frohe Botschaft zu verkünden. Wenn Funken überspringen, wenn wir begeistert sind und Gott alles zutrauen, dann ist das alles Entscheidende bereits passiert.

Die katholische Kirche veröffentlicht im ­Jänner jeden Jahres die Katholik/innen-Zahlen. Wie ­sehen die aktuellen Zahlen für Vorarlberg aus?
Fenkart: Derzeit zählen wir in unserer Diözese 233.325 Katholik/innen. 2981 Menschen sind im Jahr 2018 in Vorarlberg aus der Kirche ausgetreten. Das sind leider 4,3 % mehr als im Jahr davor. Diesen Trend konnten auch die vielen Initiativen unserer Pfarren und das große Engagement von 25.000 Ehrenamtlichen nicht stoppen. Wir freuen uns aber auch mit den 159 Vorarlberger/innen, die wieder in die Kirche eingetreten sind.

Worauf führen Sie den Anstieg an Austritten ­zurück?
Fenkart: Unsere Rückfrage durch die Dialogstelle ergibt ein klares Bild. Die Menschen haben zunehmend keinen persönlichen Bezug zur Kirche. Es ist zum Beispiel nicht mehr selbstverständlich, dass man den Pfarrer oder andere engagierte Menschen in der Pfarre kennt. Das heißt, wir müssen mit Nachdruck an unserer Nähe zu den Menschen arbeiten. Andere wieder geben auch an, sich in der Kirche nicht wohl zu fühlen. Der meistgenannte Austritts-Anlass ist in Folge - unschwer zu erraten - der Kirchenbeitrag. 2018 fällt auf, dass die Zahl jener Menschen deutlich zugenommen hat, die sagen, dass Gott für sie keine Rolle spielt.

Es gibt, wie Sie sagen, ja auch Eintritte in die Kirche. Was motiviert Menschen dazu?
Fenkart: Für viele Menschen ist es wichtig, dass sie selber oder ihr Kind ein Sakrament empfangen oder ein wichtiges Ritual mit uns feiern. Den Eintretenden liegt daran, zur Gemeinschaft der Kirche zu gehören. „Unsere Welt im Umbruch“ gab niemand als Eintrittsgrund an. Auch eine explizite Suche nach Gott steht für die meisten nicht im Vordergrund beim Wiedereintritt. Das stimmt nachdenklich, denn eine Kirche, die nicht zuerst Gott sucht, riskiert im Selbstzweck zu verhaften und wie die Titanic zu sinken. Kirche, das ist ein gemeinsames Vorangehen, und Gott - die Suche nach ihm, die Begegnung mit ihm - ist das Ziel. Wir müssen uns stets die Frage stellen, auf wen wir heute wie hinweisen.

Die Begleitung von Menschen in Tod und Trauer und die Verabschiedung von Verstorbenen gehören zu den zentralen Aufgaben von Religionsgemeinschaften. Anfang März findet dazu das Symposion „Auf Leben und Tod“ in St. Arbogast statt. Was sind hier die Herausforderungen für die katholische Kirche auf - um es so zu formulieren - einem „Markt“ mit neuen seelsorglichen Anbietern wie Ritualgestaltern oder Bestattern?
Fenkart: Die Serviceleistungen rund ums Sterben haben sich zu einem konkurrierenden Markt entwickelt. Der Tod ist ein sicheres Geschäftsmodell. Tote zu begraben ist für die Kirche zuerst ein Werk der Barmherzigkeit. Es ist unser Grundauftrag, für die Verstorbenen wie für die Trauernden da zu sein. Wir wollen dabei professionell, „kundenorientiert“, aber vor allem unserer Sendung gemäß den Menschen dienen. Friedrich Nietzsche hat ja gesagt, dass die Christen erlöster aussehen müssten. Bessere Lieder müssten sie ihm singen, wenn er an ihren Erlöser glauben sollte. Damit unterstreicht er, worin die Herausforderung liegt: inmitten der Trauer die Hoffnung auszusäen, dass wir an ein Leben nach dem Tod glauben.

Der „Struktur- und Stellenplan“ der Diözese, also die Versorgung der Pfarrgemeinden mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern, wird dieses Jahr überarbeitet. Was sind hier die nächsten Schritte?
Fenkart: Eine neu eingerichtete Steuerungsgruppe wird dieses Jahr einen Vorschlag für einen Struktur- und Stellenplan für das Jahr 2030 erarbeiten. Die Basis des Entwurfs bilden die prognostizierten Personal- und Finanz-Ressourcen. Sowohl im Pastoral- als auch im Priesterrat wird der Entwurf zur Abstimmung kommen. Die derzeitige Personalsituation macht es notwendig, dass wir weiterhin regional denken und parallel dazu in allen Pfarren die Leitung durch Teams vorbereiten. Dazu gibt es in verschiedenen Regionen demnächst Gespräche.

Stichwort „Region“: Derzeit läuft das Projekt „Vorderland“ an, 10 Pfarrgemeinden sollen hier zukünftig in einem Pfarrverband zusammenarbeiten. Was war der Auslöser für diesen Prozess und welches Ergebnis soll im Idealfall am Ende dabei herauskommen?
Fenkart: In der letzten Zeit sind zwei Priester in der Region - in Weiler und Röthis - verstorben. Nach ihrem langjährigen Wirken hat eine neue Etappe begonnen. Im Blick auf die allgemeine Personalsituation haben wir das Gespräch mit den zehn Pfarren im Vorderland gesucht. Anstatt drei Pfarrverbände zu errichten, so wie ursprünglich vorgesehen, soll jetzt gleich längerfristig geplant werden. Wir ermutigen zur Zusammenarbeit in einem Pfarrverband, wir motivieren dazu, dass es in jeder Pfarre ein Leitungsteam  gibt, in dem Priester und Laien mit Innovationsgeist zusammenarbeiten.

Im Blick auf die Pfarren wird es am 11. und 12. Oktober 2019 ein weiteres Großereignis ­geben, das „1. diözesane Forum“ in Dornbirn. Eingeladen sind Pfarrgemeinde-, Pfarrkirchenräte und die hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiter/innen der Diözese. Worum wird es da gehen?
Fenkart: Wir werden uns eineinhalb Tage rund um die Pfarrkirche St. Martin versammeln, um zu beten und zu beraten - basierend auf den Erfahrungen, die die Pfarren seit dem Prozess der „Wege der Pfarrgemeinden“ von vor zehn Jahren gemacht haben. Wichtige Eckpfeiler für die kirchliche Entwicklung in Vorarlberg wurden damals festgelegt. Eine wichtige Frage für mich lautet heute: „Für wen sind wir da?“ Neben einem Rahmenprogramm für alle wird es Ateliers geben, um wichtige Zukunftsthemen gemeinsam zu vertiefen. Das Forum ist auch eine Gelegenheit, all unseren PGRs und PKRs für ihr Engagement zu danken.

Was wünschen Sie der Kirche für das Jahr 2019?
Fenkart: Jede Menge. Ich wünsche ihr, dass sie die vielfältigen virtuellen Suchbewegungen der Menschen von heute zu deuten und zu begleiten weiß. Dass sie weltweit mit dem Skandal des Missbrauches einen Umgang findet, voller Reue, Reformwillen, Empathie und Verständnis für die Opfer. Ich wünsche der Kirche Mut und Denkfreiheit in Fragen der Definition von Leitung und Zusammenarbeit von Frauen und Männern. Ich wünsche uns die Unruhe der Jugend und eine große Liebe fürs Detail, so wie Jesus es den Jüngern vorgelebt hat.

Vielen Dank für das Gespräch.

(aus dem KirchenBlatt Nr. 2 vom 10. Jänner 2019)