Die Inszenierung von Oliver Twist durch Ingo Berk am Vorarlberger Landestheater überzeugt: Schnell, witzig, pointenreich und einfühlsam wird hier die Geschichte des Waisenkindes Oliver erzählt, der in die Fänge eines Unterweltkönigs gerät und zuletzt für seine Standhaftigkeit und Empathiefähigkeit belohnt wird.

Bild: Das futuristische Bühnenbild von Eva Krämer ist schlichtweg genial: Eine zum Horizont zusammenlaufende Straße mit Häuserfronten links und rechts wird je nach Szene einfach aufgeklappt: Im Bild das Hauptquartier des Unterweltkönigs mit der „Räuberbraut“ Nancy (links) und dem habgierigen Halbbruder

Wolfgang Ölz

Ingo Berk kann mit dieser Dramatisierung des Charles-Dickens-Romans „Oliver Twist“ an seinen künstlerisch fulminanten Erfolg mit dem „Großen Gatsby“ zu Beginn der Spielzeit anschließen. Berk schält aus dem epischen Klassiker die Schlüsselszenen so heraus, dass ein abwechslungsreiches Spiel um eine verlorene Kindheit und einen gewonnenen Schatz entstehen kann.

Urquelle des Schauspielens
Sechs Schauspieler/innen schlüpfen dabei in 18 verschiedene Rollen. Die Tragödie mit witzigen Details und gutem Ausgang sprudelt damit aus einer Urquelle des „zur Schau-spielens“ überhaupt: Der Lust sich zu verkleiden und auch nur gemimt jemand anderer zu sein und dabei viel Spaß zu haben. Der empathische Titelheld Oliver und sein gieriger Halbbruder werden gleichzeitig von Luzian Hirzel trefflich gespielt. Felix Defèr brilliert als Unterweltkönig Fagin mit Bademantel, kurzen Hosen und Rapperschmuck genauso wie als besoffener Richter oder Sargtischler, der Oliver in die Lehre nehmen möchte.

„Räuberbraut“ mit Herz
Johanna Köster hat mit blauen Haaren und enganliegenden Silber-Hotpants ihre Rolle als Nancy „Räuberbraut“ mit Herz gefunden. Als Mrs. Maylie und Mrs. Corney zeigt Kornelia Lüdorff einerseits die bösen, andererseits die guten Seiten einer mütterlichen Frau. David Kopp gibt den stehlenden punkigen Tunichtgut genauso wie einen deplatzierten Kriminalbeamten. Nicht zu vergessen Andreas Gaida, der als Gangster Bill, als brutaler Sargtischler und als Butler gleichermaßen sein süffisant-grimmig-unmenschliches Lächeln einsetzen kann, bei dem er auf verächtliche Weise die Lippen hochzuziehen weiß. Alles in allem eine faszinierende Truppe, die Ingo Berk da von einer dichten Szene zur nächsten führt. Das futuristische Bühnenbild von Eva Krämer ist schlichtweg genial: Es handelt sich um eine zum Horizont zusammenlaufende Straße mit Häuserfronten links und rechts, die einfach herausgeklappt werden, etwa wenn es im Hauptquartier des Unterweltkönigs zur Sache geht. Der dazu gespielte Soundtrack von Patrick Zeller fokussiert die Stimmungen und gibt dem Ganzen einen cineastischen Anstrich.

Zitat von Don Bosco
Es gelingt, das Problem der für Arbeit und Verbrechen missbrauchten Kinder im frühen 19. Jahrhundert in der unmittelbaren Gegenwart deutlich zu machen. Im Programmheft sind einige informative Texte enthalten, derjenige über die Straßenkinder zitiert Don Bosco, einen jungen Priester, der im 19. Jahrhundert obdachlose Kinder in Turin um sich versammelte: „Diese Kinder sind Edelsteine, die auf der Straße liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden und schon leuchten sie.“

Der Jugend gefällt‘s
Das Weihnachtsstück ist in einer Fassung für Kinder ab 6 Jahren zu sehen, in der die brutalen Szenen fehlen und in einer für junge Menschen ab 12 Jahren. Beide Fassungen arbeiten das Weltbild der Jugend gekonnt heraus. Dieses Stück ist auch Schulklassen vorbehaltlos zu empfehlen und kommt bei den Jugendlichen auch erstaunlich gut an, wie jemand bestätigt, der es wissen muss, nämlich der Sohn des Autors dieser Zeilen, Paul (14).

Oliver Twist. Termine 6+: 

So 9. / 16. / 23. / Mi 26. Dezember, Sa 5. / So 6. Jänner, 15 Uhr, 

Termine 12+:

Di 4. / Fr 21. / Do 27. / Mo 31. Dezember, Mi 9. / So 13. Jänner, 19.30 Uhr,
Vorarlberger Landestheater, Großes Haus, Seestraße 2, Bregenz.
Karten: T 05574 42780, E
www.landestheater.org