Nach 25 Jahren als Diözesanbaumeister hat Herbert Berchtold das Zepter – oder besser gesagt den Zollstock – an seinen Nachfolger Markus Fulterer übergeben. Der 65-jährige Feldkircher wird „in Teilzeit“ seine derzeit laufenden Projekte abschließen und sich Mitte des nächsten Jahres in den Ruhestand verabschieden. Doch auf dem Sofa zu sitzen, das kann sich der begeisterte Hobbysportler nicht vorstellen und so gibt es bereits Pläne für die Zeit danach – von der Planung eines „Tiny House“ bis zu anspruchsvollen Klettertouren in den Westalpen.

Andreas Haller

Diözesanbaumeister, ein nicht alltäglicher Beruf. Was hat Sie 1997 dazu bewogen?

Herbert Berchtold: Sakralbauten waren schon früh ein Thema für mich. Bereits als HTL-Schüler in Feldkirch habe ich Referate über französische Kathedralen der Gotik gehalten. Die Hälfte der Mitschüler ist dabei eingeschlafen (lacht). Während meines Architekturstudiums habe ich alle Wahl- und Freifächer, die mit Architekturgeschichte zu tun hatten, belegt. Das hat sich bis zu meiner Diplomarbeit über Klöster weitergezogen. Nach dem Studium war ich zehn Jahre lang als selbstständiger Architekt tätig, ehe ich mich für die offene Stelle des Diözesanbaumeisters beworben habe. Damals stellte ich mir natürlich die Frage: Soll ich meine Freiheit „opfern“? Aber diese Stelle gibt es ja nur einmal in Vorarlberg und die Bauaufgaben haben mich sehr interessiert.

Welches Rüstzeug muss man mitbringen, um in diesem Beruf zu reüssieren?

Berchtold: Wenn sich jemand für Sakralbauten interessiert, dann ist diese Stelle eine wunderbare Aufgabe. Das Problem ist nur, dass bei jungen Leuten – auch in der Architektenschaft – das Interesse für Kunst mehr und mehr verlorengeht. Ähnlich verhält es sich beim Priesternachwuchs. Hier hat es innerhalb einer Generation einen 180-Grad-Wandel gegeben. Dieser Umbruch tut mir ein wenig leid, da dadurch auch der Austausch zwischen Künstlern und Architekten fehlt. Somit fehlt auch das Verständnis dafür und es wird schwieriger, geeignete Architekten für unsere Projekte zu finden. Bei Kirchen aus den 60er-Jahren ist dies zu vernachlässigen, aber was macht man bei historischen Kirchen wie Bregenz-St. Gallus? Nur wenige kennen sich mit Wandmalereien und Stuck aus, ebenso verhält es sich bei Holzrestaurierungen. Sobald es in eine „künstlerische Richtung“ geht, wird es schwierig, geeignete Leute zu finden. Für viele steht vorwiegend das Energiesparen im Zentrum des Interesses. Auch wichtig, aber aus meiner Sicht ist das zu wenig.

Woher kommt Ihr großes Interesse für den künstlerischen Bereich?

Berchtold: Neben Architektur habe ich als außerordentlicher Hörer Kunstgeschichte und zeitgenössische Kunst studiert. Bereits in jungen Jahren habe ich alle Galerien abgeklappert. Auch jetzt noch beobachte ich die Kunstszene und sammle auch selbst, sofern es mein Budget erlaubt. Von Valentin Oman über Heinrich Salzmann bis Alfred Graf. Ich interessiere mich für zeitgenössische Kunst und habe auch kein Problem damit – im Gegenteil.

Wie gestaltete sich damals Ihr Start als Diözesanbaumeister?

Berchtold: Es war ein ganz schwieriger Start für mich. Ich habe von meinem Vorgänger nur bedingt Informationen bekommen und die Stimmung diözesanintern war gelinde gesagt verfahren. Es gab keinen Mentor und ich musste mir alles selbst erarbeiten. Ich hatte jedoch ein gutes Auskommen mit Bischof Klaus Küng, da ihm die Gestaltung liturgischer Orte ein großes Anliegen war und er immer ein offenes Ohr dafür hatte.

Können Sie sich noch an Ihre ersten Projekte erinnern?

Berchtold: Eines der ersten Projekte, das ich übernommen habe, war die Innenraumsanierung in St. Gallenkirch. Mit Eberhard Amann als Pfarrer, der ja für seinen speziellen Umgang bekannt war (lacht). Das erste große Projekt war die Innenrenovierung der Pfarrkirche Hatlerdorf. Restauratorisch eine sehr schwierige Aufgabe mit Wandmalereien, die damals 12 Mio. Schilling gekostet haben. Claudio Bizzari hat das Projekt umgesetzt und neue Techniken ausprobiert, von denen er – wie er mir kürzlich erzählt hat – heute noch profitiert.

Wie viele Projekte sind insgesamt über ihren Schreibtisch gewandert?

Berchtold: Die Gesamtzahl kenne ich nicht, aber es sind ca. 60 Projekte pro Jahr und darin sind zehn bis zwölf größere Projekte mit Kosten von mehreren 100.000 Euro enthalten. Bei den Projekten habe ich meist die Erstgespräche geführt und dann die Projekte an die Mitarbeiter/innen des Bauamts verteilt. Wir sind ein kleines Team, aber jede/r hat seine besonderen Qualitäten.

Hat sich der Aufwand verändert bzw. wurde in letzter Zeit eher mehr oder weniger gebaut?

Berchtold: Wie in der gesamten Baubranche wird es auch bei uns immer aufwändiger. Einerseits hat sich der Genehmigungs- und Planungsaufwand enorm erhöht, andererseits setzen die Pfarren derzeit mehr um. Somit wird auch die Betreuung und Bauleitung vor Ort zeitintensiver. Alle zehn Jahre die Wände auszumalen, das wird sich künftig nicht mehr ausgehen, vor allem finanziell.

Was waren die persönlichen Höhepunkte in Ihrer Zeit als Diözesanbaumeister?

Berchtold: Eindeutig die Restaurierungen jener Kirchen, die künstlerisch hochwertig sind, wie etwa St. Nikolaus in Damüls, St. Jakobus in Bludesch oder St. Martin in Dornbirn. Auch die Renovierung der Kapelle im Kehr war spannend und außergewöhnlich anspruchsvoll, da verschiedene Epochen miteinander verbunden werden mussten. Ein schönes Projekt war auch die Kirche in Nüziders, die noch zu den alten Kirchen mit tollen Wandmalereien und historischer Ausstattung zählt. Und schließlich der Feldkircher Dom natürlich. Dass ich die Möglichkeit bekommen habe, in kleinerem Ausmaß den Dom zu gestalten und den liturgischen Bereich neu zu ordnen, war eine schöne Erfahrung.

Gibt es aus Ihrer Sicht besondere Herausforderungen, die die nächste Generation betreffen?

Berchtold: Es ist zu befürchten, dass künftig die Finanzierung von Projekten schwieriger wird. Natürlich rückt auch das Energiethema noch stärker in den Fokus. In einigen Pfarren gibt es beispielsweise noch viele Öl- und Gasheizungen. Das wird in den kommenden Jahren eine große Herausforderung. Bei großen Kirchenumbauten wird schon seit einigen Jahren auf erneuerbare Energie gesetzt, wie z.B. in Lauterach auf Erdwärme. Auf zahlreichen Dächern von Pfarrheimen, Pfarrhäusern etc. sind bereits Photovoltaik-Anlagen installiert.

Werden wir demnach bald auch Photovoltaik-Anlagen auf Kirchendächern sehen?

Berchtold: Es gibt zwar seit 2021 eine neue Richtlinie des Bundesdenkmalamts, die Photovoltaik-Anlagen grundsätzlich erlaubt, jedoch ist das auch eine Frage des Ortsbildes. Es gibt Materialien, die eine natürliche, positive Ausstrahlung haben und eine solche haben Photovoltaik-Anlagen selbstverständlich nicht. Ob man auf Dächern oder Fassaden in gut sichtbaren städtischen Gebieten oder im dörflichen Umfeld Anlagen installieren soll, ist eher zu bezweifeln. Viele wissen nicht, dass man darüber hinaus noch Sicherheitseinrichtungen installieren müsste, damit die Anlagen überhaupt rechtskonform serviciert werden können.

Ein heißes Eisen ist stets auch die Nachnutzung von Kirchengebäuden. Wie stehen Sie dazu?

Berchtold: Natürlich wollen die Ortschaften ihre Kirchen nicht aufgeben, aber mit diesem Thema werden wir uns früher oder später auseinandersetzen müssen. Man muss bedenken, dass damit immer auch ein Kulturverlust einhergeht. In Dornbirn beispielsweise gibt es viele Kirchen, aber ob wir die alle brauchen, das ist fraglich. Wenn eine Kirche keine Qualität hat, dann habe ich kein Problem damit, wenn man sie für etwas anderes nutzt. In Norddeutschland und Holland gibt es gute Beispiele für gelungene Nachnutzung, etwa als Bibliotheken oder Konzerträume. Aber aus meiner Sicht muss es nicht unbedingt ein Bierlokal werden. Da ist es mir lieber, wenn die Kirche von anderen Religionsgemeinschaften genutzt wird.

Apropos „Nachnutzung“: Gibt es Pläne für Ihren Ruhestand? Wird jetzt zu Hause umgebaut?

Berchtold: Ich habe eine große Verwandtschaft und für die habe ich bereits alle gebaut (lacht). Zu Hause gibt es derzeit zwar nichts zu tun, aber ich plane gerade für jemanden ein „Tiny House“ (Anm.: Mini-Haus). Eine interessante Aufgabe hinsichtlich der Fragen: Wie klein geht es wirklich? Was braucht der Mensch, um gut leben zu können? Abgesehen davon betreibe ich seit Jahren viel Sport und möchte das auch künftig machen: Skitouren und Langlaufen im Winter. Klettern in den Westalpen, Mountainbiken oder eine Tour mit dem Rennrad im Sommer. Das Gute ist, dass ich das jetzt auch unter der Woche machen kann und bei beliebten Routen nicht mehr anstehen muss (lacht).

Gibt es auch persönliche Lieblingsorte im Land?

Berchtold: Im Winter laufe ich gerne mit den Touren-Skiern an der Simmel-Kapelle in Hochkrumbach in Warth-Schröcken oder an der Kapelle im Weiler Bürstegg in Lech-Zürs vorbei. Wunderbar gelegen. Da hätte ich gerne selber noch etwas restauratorisch umgesetzt.