Der Nahe Osten – eine sowohl politisch als auch religiös schwierige Region, in die Papst Franziskus am Wochenende reist. „Der Heilige Vater kommt in erster Linie als Oberhaupt der katholischen Kirche hierher, das sich berechtigterweise Sorgen macht darüber, wie es der christlichen Minderheit im Land geht“, sagt Markus Bugnyar, Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem.

zur Sache: Bürgermeisterin von Betlehem

Interview: Susanne Huber

Das Zusammentreffen von Papst Franziskus mit dem Patriarchen der griechisch-orthodoxen Kirche, Bartholomaios I., sei eine Begegnung von historischer Dimension, sagen Viele. Wie sehen Sie das?
Markus St. Bugnyar: Wir erinnern uns an die Begegnung 1964 zwischen Papst Paul VI. und dem Patriarchen Athenagoras in Jerusalem, kurz nachdem man die gegenseitige Exkommunikation aufgehoben hat. Man wollte sie auslöschen aus der Erinnerung der beiden Kirchen. Insofern – und das ist ja der Anlass für den jetzigen Papstbesuch – ist natürlich auch diese Begegnung zwischen Papst Franziskus und dem Patriarchen Bartholomaios I. eine historisch wichtige Sache. Aber wenn man sich das Programm genau ansieht, fällt auf, dass andere Punkte inhaltlich wichtiger erscheinen, auch wenn man sie jetzt nicht so nach außen transportiert. 

Bugnyar Markus JerusalemSeit 2004 ist Markus Stephan Bugnyar Rektor des Öster-
reichischen Hospizes zur Heiligen Familie in Jerusalem.
Der gebürtige Wiener wurde im Jahr 2000 in Eisenstadt
zum Priester geweiht.

Welche meinen Sie?
Markus St. Bugnyar: In Jordanien wird es eine Begegnung geben mit behinderten Menschen und mit Flüchtlingen aus Syrien am Fluss Jordan, an der Stelle, wo Jesus getauft wurde. Ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass dieses Treffen dort stattfindet. Die Symbolik, die ich dahinter sehe ist, dass der Heilige Vater sowohl diesen behinderten Menschen als auch den Flüchtlingen aus Syrien ein Zeichen geben möchte, gerade dort am Jordan einen neuen Lebensquell zu finden, der ihrem Leben einen neuen Anfang schenkt. Das ist ihm wichtig. Und was den Aspekt der syrischen Flüchtlinge betrifft, so haben wir sofort diese politische Verknüpfung: die aktuelle Lage in Syrien, wie geht es den Christen in Syrien, in Ägypten, im Irak und in anderen Ländern des Nahen Ostens. Das sind eindeutige Signale.

Wie sind die Erwartungen der Christen im Heiligen Land bezüglich des Papstbesuches? Ihre Lebensumstände sind ja sehr schwierig ...
Markus St. Bugnyar: Es gibt hier viele Christen, die sich auf den Heiligen Vater freuen – nicht weil sie sich einen großen Wurf im Friedensprozess erwarten, sondern weil es ihnen helfen wird, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, das durch die alltäglichen Schikanen und durch die Besatzungssituation geschwächt ist. Es wird eine außerordentliche Medienaufmerksamkeit geben und die Hoffnung, die sich damit verbindet ist, dass die christliche Minderheit in ihrer Existenz und mit all ihren Nöten weltweit wahrgenommen wird.

In den vergangenen Wochen wurden in Israel vermehrt christliche Stätten beschädigt und mit anti-christlichen Graffiti beschmiert.  Beunruhigt Sie das? 
Markus St. Bugnyar: Es gibt eine Welle an Vandalismusakten gegenüber christlichen Einrichtungen, Kirchen, Klöstern, aber auch gegen Moscheen, die aus einer sehr kleinen Gruppe von ultraorthodoxen jüdischen Jugendlichen kommt, die aber ihre Aktivitäten verstärken. Das schüchtert die Leute ein. Der letzte Fall war sogar ein Angriff auf das Päpstliche Zentrum Notre Dame in Jerusalem, das sich in vatikanischem Besitz befindet. Wenige Tage vor dem Papstbesuch ist das schon etwas, das Stimmung macht, auch wenn das eine Handvoll Verrückter sein mag. Hier geht der Auftrag an die politischen ­Verantwortlichen, einzuschreiten, mehr dagegen zu tun.

Wie steht es um die Beziehung zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel? Die Rechts- und Finanzverhandlungen im Hinblick auf kirchliche Einrichtungen in Israel gestalten sich mühsam ...
Markus St. Bugnyar: Es gibt zwar einen Grundlagenvertrag, der 1993 zur Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel geführt hat. Doch konkrete Ergebnisse hinsichtlich steuerlicher,
rechtlicher und finanzieller Fragen gibt es bis heute nicht. Wichtig wären Resultate, die den kirchlichen Einrichtungen die Möglichkeit geben, hier weitermachen zu können. Denn das Überleben unserer kirchlichen Einrichtungen ist eins zu eins verbunden mit dem Überleben der christlichen Minderheit im Land. Das betrifft u. a. auch das Österreichische Hospiz in Jerusalem. Schließlich sind wir Arbeitgeber für diese Menschen. 

Wenn wir auf die Ökumene zu sprechen kommen – wie hat sich der Dialog zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen entwickelt?
Markus St. Bugnyar: Ich bin Mitglied in zwei Ökumenezirkeln hier in Jerusalem. Wir hatten vor etwa zwei Jahren schon einmal im Blick auf das Jubiläum der Begegnung zwischen Papst Paul VI. und dem orthodoxen Patriarchen Athenagoras darüber nachgedacht, ein Symposium zu veranstalten. Das war schlicht ein Ding der Unmöglichkeit, weil die gesellschaftspolitische Realität uns andere Prioritäten setzt, als man das gemeinhin in Europa glaubt.

Welche Prioritäten sind das?
Markus St. Bugnyar: Wenn wir uns als unterschiedliche christliche Kirchen zusammensetzen, dann geht es um die Frage von Bewegungsmöglichkeit, um die Frage des Zugangs zu den Heiligen Stätten, um die Frage von Visabeschränkungen, um die Frage der Auswanderung christlicher Familien. Das sind die Themen, die alle christlichen Kirchengemeinschaften gleich betreffen und die wir in diesen ökumenischen Zirkeln besprechen. Aber in dem Moment, wo es um Theologie geht, wo es darum geht über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu reden, merkt man, dass es schwieriger wird. Nach meinen Erfahrungen im zehnten Dienstjahr im Heiligen Land ist Ökumene hier schlicht eine sehr praktische, pragmatische Angelegenheit.

Wie denken Sie wird Papst Franziskus mit den historischen Altlasten der katholischen Kirche im Hinblick auf das Judentum umgehen?
Markus St. Bugnyar: Anders als in der Vergangenheit haben wir nun einen Heiligen Vater, der aus Lateinamerika stammt, d. h. er hat einen anderen, einen neuen Blick auf den politischen Konflikt im Nahen Osten. Im Vergleich zu seinen Vorgängern, die allesamt europäische Päpste waren und in irgendeiner Weise vorbelastet – gerade Benedikt XVI. als deutscher Papst stand dem Staat Israel in einer ganz anderen Verantwortung gegenüber –, schleppt das ein Heiliger Vater Franziskus nicht mit sich herum. Die Frage wird sein, mit welchen Worten, mit welchen Gesten wird er dieses Verhältnis zwischen katholischer Kirche und
Judentum ansprechen; und wie wird er auf die offenen Fragen in der Beziehung zwischen Kirche und Staat Israel und auf die Situation in den palästinensischen Gebieten eingehen. 

ZUR SACHE

Vera Baboun, BetlehemVera Baboun ist Bürgermeisterin
von Betlehem.

„Hoffnung auf eine bessere Zukunft“

Ein „Signal der Hoffnung für die Palästinenser“ erwartet sich Vera Baboun, palästinensische Katholikin und erste weibliche Stadtchefin von Betlehem, vom Papstbesuch in der Geburtsstadt Jesu. Sie verweist auf die schwierige Situation in der Stadt, wo der gesamte Norden eingemauert sei. „Die Anwesenheit des Papstes gibt uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Als Palästinenser sehnen wir uns alle danach, egal ob wir Christen oder Muslime sind.“

Nach Angaben Babouns, die seit 2012 Betlehems Bürgermeisterin ist, hat der Papst ausdrücklich darauf bestanden, bei seinem Besuch der Stadt am 25. Mai „nicht mit Würdenträgern zu essen, sondern mit gewöhnlichen Menschen – Menschen mit Schwierigkeiten“. Franziskus werde etwa beim Mittagessen einen jungen Palästinenser treffen, der keinen Ausweis besitzt. „Unsere Papiere müssen von Israel bestätigt werden. Dieser junge Mann wurde während der Ersten Intifada in Betlehem geboren. Wegen all der Beschränkungen wurden seine Dokumente nie bestätigt. Er ist jetzt 21 und kann nicht auf die Universität gehen. Er kann nicht heiraten. Er ist ein Mensch, der offiziell nicht existiert.“

An die Christen weltweit appellierte die Katholikin, die Christen im Heiligen Land zu unterstützen. Viele Christen verließen die Region wegen der israelischen Besatzung und ihrer Auswirkungen. „Aber können Sie sich das Heilige Land ohne Christen vorstellen? Wir sind seine lebendigen Steine. Wir sind die Bewahrer des Sterns von Betlehem!“

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Ein konzentriertes Programm

Drei Tage wird sie dauern – die Reise von Papst Franziskus ins Heilige Land. Offizieller Anlass seines Aufenthalts vom 24. – 26. Mai ist die historische Begegnung von Papst Paul VI. (1963–78) mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras (1948–72) vor 50 Jahren. Diese Begegnung am 5. Jänner 1964 in Jerusalem gilt als Meilenstein im ökumenischen Dialog.

Stationen der Reise sind u. a. Amman, wo mehrere Zehntausend Gläubige zur Messe im Stadion erwartet werden, weiters Al-Maghats (Taufstelle Jesu am Jordan), Bethlehem und Jerusalem. Erster Programmpunkt in der Heiligen Stadt ist das Treffen mit dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, am Sitz der Vatikanvertretung. Danach ist ein ökumenisches Gebet mit Bartholomaios und den Jerusalemer Kirchenoberhäuptern in der Grabeskirche angesetzt.

Vorgesehen ist ferner ein Treffen mit dem Großmufti von Jerusalem, Scheich Mohammed Hussein. Franziskus wird auch die Klagemauer, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und den Salomon-Palast (Heichal Shlomo), den früheren Amtssitz der Großrabbiner, in Jerusalem aufsuchen. Auf dem Programm stehen außerdem Gespräche mit den beiden Großrabbinern Israels, mit Staatspräsident Shimon Peres und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Den Abschluss des Besuchs bildet eine Messe im historischen Abendmahlssaal in Jerusalem.

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(aus KirchenBlatt Nr. 21 vom 22. Mai 2014)