Scheinbar formuliert Jesus im Evangeliumstext einen Widerspruch zwischen der Liebe zu Gott und der Liebe zu Vater/Mutter bzw. Sohn/Tochter. Doch es geht vielmehr darum, den anderen nicht fälschlicherweise zu Gott zu machen ...

13. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr A, 28. Juni 2020
Wort zum Sonntag von Petra Steinmair-Pösel

Evangelium

Matthäus 10,37–42
In jener  Zeit sprach Jesus zu seinen Aposteln: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht wert. Wer das Leben findet, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt, weil es ein Prophet ist, wird den Lohn eines Propheten erhalten. Wer einen Gerechten aufnimmt, weil es ein Gerechter ist, wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Und wer einem von diesen Kleinen auch nur einen Becher frisches Wasser zu trinken gibt, weil es ein Jünger ist – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.

1. Lesung

2 Könige 4,8–11.14–16a
Eines Tages ging Elischa nach Schunem. Dort lebte eine vornehme Frau, die ihn dringend bat, bei ihr zu essen. Seither kehrte er zum Essen bei ihr ein, sooft er vorbeikam. Sie aber sagte zu ihrem Mann: Ich weiß, dass dieser Mann, der ständig bei uns vorbeikommt, ein heiliger Gottesmann ist. Wir wollen ein kleines, gemauertes Obergemach herrichten und dort ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl und einen Leuchter für ihn bereitstellen. Wenn er dann zu uns kommt, kann er sich dorthin zurückziehen.
Als Elischa eines Tages wieder hinkam, ging er in das Obergemach, um dort zu schlafen. [...] Und als er weiter fragte, was man für sie tun könne, sagte der Diener Gehasi: Nun, sie hat keinen Sohn und ihr Mann ist alt. Da befahl er: Ruf sie herein! Er rief sie und sie blieb in der Tür stehen. Darauf versicherte ihr Elischa: Im nächsten Jahr um diese Zeit wirst du einen Sohn liebkosen.

2. Lesung

Römer 6,3–4.8–11
Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden. Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln. [...]
Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So begreift auch ihr euch als Menschen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.

WORT ZUM SONNTAG

Claudia PaganiniPetra Steinmair-Pösel ist Leiterin des Instituts für Religionspädagogische Bildung der KPH Edith Stein in Feldkirch. Die Autorin erreichen Sie unter

 

Liebe-voll

Irritierend kommt es auf den ersten Blick ­daher - das heutige Wort Jesu: Wer Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als mich … Spricht da etwa ein ­eifersüchtiger Mensch, der sich in Konkurrenz setzt zu all den anderen Menschen, die wir lieben? Der all unsere Liebe „für sich“ haben will? Ich ­glaube nicht! Vielmehr lese ich diese ­Worte als Infragestellung von Rollenerwartungen und als ­Befreiung und Befähigung zu wahrhaft liebe-voller ­Zuwendung.
Vielleicht kennen auch Sie Lebensgeschichten, angesichts derer Sie das unangenehme ­Gefühl beschleicht, dass hier jemand aus lauter (falsch verstandener) Liebe nicht sein/ihr eigenes ­Leben führt, sondern das der Eltern. Oder dass Eltern (gut gemeint) so sehr darauf aus sind, in ihren Kindern das zu ­verwirklichen, was ­ihnen selbst verwehrt blieb, dass die Kinder kaum ihre eigene Berufung finden und leben können.
Ich glaube davor warnt uns Jesus. Und davor, uns von anderen Menschen – seien es Vater oder Mutter, Tochter oder Sohn, Partner oder Partnerin – unser Heil, also unser Lebensglück zu erwarten. Kein Mensch, auch nicht der uns liebste, kann alle unsere Bedürfnisse erfüllen. Diesen Wunsch an ihn oder sie heranzutragen bedeutet, den oder die andere heillos zu überfordern. Deshalb gilt es, dem anderen immer wieder zu „vergeben, dass er mein Gott nicht sein kann“ (Roman Bleistein SJ).
Erst wenn ich in diesem Sinn Jesus – also den mir nahegekommenen Gott – mehr ­liebe, kann ich mich befreit geliebten Menschen ­zuwenden, weil ich von ihnen weniger „brauche“. Je mehr ich mich von einem Größeren getragen und gehalten weiß, umso mehr kann ich mich anderen unverzweckt und erst so wahrhaft liebe-voll zuwenden.

Zum Weiterdenken

  • Wo erwarte ich mir von einem anderen Menschen „das Heil“?
  • Wie kann ich ihn/sie aus dieser ­Erwartung entlassen und mich ihm/ihr liebe-voll ­zuwenden?

Von der Huld des HERRN will ich ewig singen,
von Geschlecht zu Geschlecht
mit meinem Mund deine Treue verkünden.
Denn ich bekenne: Auf ewig ist Huld gegründet,
im Himmel deine Treue gefestigt.
Selig das Volk, das den Jubelruf kennt,
HERR, sie gehen im Licht deines Angesichts.
Sie freuen sich allezeit über deinen Namen
und sie jubeln über deine Gerechtigkeit.
Denn du bist ihre Schönheit und Stärke,
du erhöhst unsre Kraft in deiner Güte.
Ja, dem HERRN gehört unser Schild,
dem Heiligen Israels unser König.

Antwortpsalm (aus Psalm 89)

(aus dem Vorarlberger KirchenBlatt Nr. 26 vom 25. Juni 2020)