„Wie können sich unsere Pfarren gut entwickeln?“ Dieser Frage widmeten sich die beiden Kirchenkurse mit Dr. Christian Hennecke, die vergangene Woche erstmals für Mitarbeitende der Katholischen Kirche Vorarlberg stattgefunden haben. Gerold Hinteregger, Diakon in Bregenz, berichtet über seine Erkenntnisse.

Gerold Hinteregger

„Denkt nicht mehr an das, was früher war, schaut nicht mehr auf das, was längst vergangen ist! Seht ich schaffe Neues. Schon sprosst es auf. Merkt ihr es nicht?“ (Jesaja 43) Diese Bibelstelle drückt treffend aus, worum es beim Kirchenkurs hauptsächlich ging. An die 100 Menschen aus dem Land, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/innen, haben sich für drei Tage in einem Bildungshaus nahe Augsburg versammelt, um nachzuspüren, was gute nächste Schritte in der Entwicklung ihrer Pfarren sein könnten.
Wenn wir über Kirche im Heute und Morgen nachdenken, müssen wir uns zuerst mit dem Loslassen beschäftigen. Über viele Jahre haben sich Kirchenbilder in unserem Denken verfestigt, die uns prägen, die heute aber nicht
mehr wirklich tragen: Bilder einer Kirche, die möglichst viele Menschen „versorgt“ - mit Sakramenten oder mit Ansagen, wie das Leben gelebt werden soll. Bilder einer Kirche, in der einer oder wenige wissen, wie Leben gelingt und wohin es gehen soll, und die andere mit einem Auftrag „auf den Weg schicken“.

Die Kirche muss heute erwachen.

Fragen, die sich uns stellen, sind manchmal lästig und anstrengend, und wir würden sie am liebsten übergehen: Was bedeutet es, heute Christ/in zu sein? Wie verbinden wir Glaube und Leben? Was ist meine Rolle in einer Kirche, die sich dem Heute zuwendet: als Priester, als Diakon, als Pastoralassistent/in, als haupt- oder ehrenamtliche/r Laie bzw. Laiin? Diesen Fragen können wir nicht ausweichen. Ist es wirklich unsere wichtigste Aufgabe, Menschen in die Kirche, in unsere Gottesdienste zu „locken“, die eigentlich gar nicht mehr kommen wollen? Oder geht es nicht darum, sichtbar zu machen, wo das Reich Gottes auch heute gelebt wird - auch außerhalb unserer kirchlichen Räume und Gewohnheiten - und dort das Reich Gottes zu stützen und zu fördern? Es geht darum, Menschen zu helfen, ihr Leben im Licht der Frohen Botschaft zu deuten, Menschen zu helfen, ihre Umgebung mit der Botschaft des Evangeliums zu durchdringen. Dort, wo Menschen leben, dort sollen wir als Kirche präsent sein.

Und so sollten wir aufhören,

immer auf unsere Mangelerfahrungen zu starren. Es kann in Zukunft nicht mehr darum gehen, sich ständig zu fragen, wie wir den einen oder anderen Arbeitskreis am Leben erhalten, wie wir unsere Gruppen verjüngen können. Auch nicht darum, jeden Gottesdienst zu jeder Zeit zu erhalten. Die Fragen werden sein (müssen): Welche Charismen und Fähigkeiten bringen Menschen, die uns in unserem Lebensraum begegnen, mit? Können wir ihnen helfen, diese Begabungen zum Wohl der Gemeinschaft in unserer Stadt oder unserem Dorf einzubringen? Können wir ihnen Orte in unseren Pfarren anbieten, wo sie ihre Talente leben und verwirklichen können? Können wir Menschen, egal wo sie gerade sind, dabei unterstützen, am Reich Gottes auch im Jahr 2020 mitzubauen? Denn darum geht es: Nicht um den Erhalt einer - eventuell überkommenen - Form von Kirche, sondern um die Durchdringung unserer Lebenswelten mit der Botschaft des Jesus von Nazareth.

Die Tagung brachte viele positive Gedanken, Ansätze und Ideen ins Bewusstsein. Für mich war es ein hoffnungsvolles Bild: Wo soll Untergang der Kirche sein, wenn sich auch heute noch hunderte Menschen in unseren Pfarren und Gemeinschaften engagieren und einige sogar Urlaubstage „opfern“, um über die Zukunft der Kirche nachzudenken?

Wie hat Ihnen der Kirchenkurs gefallen und was nehmen Sie daraus mit?

Anette GöggelAnette Göggel, Stv. PGR-Vorsitzende Bregenz St. Gallus
Beim Kirchenkurs hat man die Dynamik und den Geist gespürt: „Man will etwas tun“. Wichtig war die Erkenntnis: Wir sollten nicht vom Mangel aus arbeiten, sondern schauen, was schon alles da ist. Vor dem Kirchenkurs fragten wir uns: Das und das sollte gemacht werden, wer kann es tun? Nun wollen wir anders vorgehen und schauen: Was haben wir schon und was machen wir daraus? Außerdem möchten wir Begegnungsräume außerhalb der Kirche ausbauen.

Peter DrexelPeter Drexel, PGR Dornbirn Hatlerdorf
Die drei Tage Kirchenkurs waren sehr spannend. Davon mitgenommen habe ich einige neue Einblicke, Bestätigung für mein bisheriges Denken und sehr viel Zuversicht. Der Kirchenkurs war für mich auch ein Plädoyer für mehr Gelassenheit: Wir sollten das Wirken von Gott zulassen und nicht immer meinen, die Fäden selbst in Händen zu halten.

Martin FenkartMartin Fenkart, Pastoralamtsleiter, Diözese Feldkirch
Besonders beeindruckend war die einhellige Meinung der Kursteilnehmer/innen, was Gott zu uns in dieser Zeit spricht, wo offensichtlich ist, dass Kirche und Gesellschaft in einem großen Verwandlungsprozess stecken. Da war nichts von „Drohbotschaft“ zu spüren. Der Zuspruch, dass Gott den Weg mit uns geht, macht Mut. Wir rechnen mit seinem Wirken, mit seinem Heiligen Geist, denn sein Herz schlägt für alle.

Cornelia Sinz-RhombergCornelia Sinz-Rhomberg, PGR / Pastoralteam Bregenz Herz Jesu
Durch den Kurs habe ich erfahren: Man sollte offen dafür sein, was es sonst noch alles gibt und wo Kirche außerhalb gewohnter Muster sein kann. Ein großes Thema war auch die sogenannte Charismen-Orientierung. Das bedeuet: Man sollte nicht nur  darauf schauen, welche Aufgaben wir haben, sondern welche Menschen mit Charisma und speziellen Fähigkeiten hier sind und wie sie eingesetzt werden können.

Manfred FinkManfred Fink, Pfarrer, Katholische Kirche Bregenz
Ein Satz aus 2 Mose 18,20, den wir in Augsburg gehört haben, hat mich sehr angesprochen: Jitro, der Schwiegervater von Mose, sagt zu ihm: „Entlaste dich und lass sie (das Volk, Anm.) mittragen.“ Viele Menschen sollten also mitdenken, mittragen, mitarbeiten - und ich als Priester kann auch einmal loslassen. 

Jodok Kaufmann

Jodok Kaufmann, PGR Bregenz St. Kolumban
Der Kirchenkurs war sehr konstruktiv und positiv. Davor fragte ich mich öfters sorgenvoll: „Wie geht es weiter mit der Kirche?“ Nun bin ich beruhigt und sehe die momentane Situation als große Chance und Möglichkeit, etwas mitzugestalten. Man kann sich auch auf das, was man schon hat, verlassen. Beim Kurs ist mir zudem bewusst geworden: Man wird nicht alleine gelassen, sondern wir sind eine große Gemeinschaft, die dasselbe Ziel verfolgt.

 Im nächsten Jahr finden wieder zwei Kirchenkurse statt: So 17. Jänner bis Mi 20. Jänner sowie Mi 20. Jänner bis Sa 23. Jänner 2021. Anmeldeschluss: 15. November 2020. Anmeldung / Info bei Henrike Schmallegger: T 05522 3485 206

(aus dem Vorarlberg KirchenBlatt Nr. 5 vom 30. Jänner 2020)