Barbara Stöckl ist Journalistin, Moderatorin, Buchautorin und eines der bekanntesten Mediengesichter Österreichs. Jeder kennt sie – und viele Menschen vertrauen ihr. Sie schreiben ihr Briefe und E-Mails mit persönlichen Geschichten. Eine Auswahl der Zuschriften hat Stöckl als Buch veröffentlicht. Sie sind vor allem eines: gute Nachrichten als Kitt für unsere Gesellschaft.

Dietmar Steinmair

Barbara Stöckl arbeitet viel. Neben ihren zahlreichen TV-Tätigkeiten setzt sie sich als Ombudsfrau der „Kronen Zeitung“ für Menschen ein, denen Ungerechtigkeit widerfahren ist. Das ist wahrlich selten ein Honigschlecken, doch mit Hartnäckigkeit und dem Druck der „Krone“ im Rücken kann die Ombudsfrau auf unbürokratischem Wege Hindernisse überwinden, an denen andere scheitern würden. Oft schreiben ihr Menschen, weil sie eine gelungene Begegnung zu erzählen haben, eine unverhoffte Wendung, oder einfach nur, weil eine Geschichte gut ausgegangen ist.

Stöckl gibt diese Geschichten in ihrem Buch „Was wirklich zählt. Ermutigungen für jeden Tag“ an ein größeres Publikum weiter. Es sind Mutmach-Geschichten, die sie der unablässig auf uns einstürmenden Flut an negativen Meldungen entgegensetzt. Genauso wenig, wie man sich den Tatsachen der Katastrophen und Krisen – und dem medialen Geschwätz darüber – entziehen kann, genauso viele positive Tatsachen und konstruktive Gedanken haben Menschen, von denen oft niemand weiß. Kann aber ein wiederholtes Erzählen von solchen Geschichten die Atmosphäre in der Welt und das Bild, das wir von der Welt haben, nicht beeinflussen? Hin zu einem Mehr (und auch: zu einem Meer) an Vertrauen in das Gute im Gegenüber?

Im vorliegenden Buch – um einen Typ von Geschichten herauszugreifen – geht es oft um die Engel des Alltags. Sie gehen, ohne es zu müssen, eben die eine Meile mehr mit den Menschen, mit denen sie es gerade zu tun haben. Da ist der Autobesitzer, der zu seinem Fahrzeug zurückkehrt und schon von Weitem einen Strafzettel hinter dem Scheibenwischer sieht, obwohl die bezahlte Parkzeit noch nicht vorbei ist. Nach erstem Ärger stellt er fest, dass es sich um kein Strafmandat handelt, sondern auf der Rückseite des Zettels geschrieben steht: „Achtung, in Ihrem Auto ist eine Wespe!“ – Da ist die neue Verkäuferin, die irrtümlich eine Blumenbestellung für den 1.1. um 9 Uhr annimmt, obwohl das Geschäft an diesem Tag gar nicht offen hat. Als die Kundin am Neujahrsmorgen enttäuscht vor der verschlossenen Eingangstüre steht, steigt besagte Verkäuferin aus einem parkenden Auto und überreicht die zwanzig bestellten roten Rosen. Die Blumen waren für das Grab des Ehemannes der Kundin bestimmt, der am 1. Jänner vor einem Jahr verstorben war. – Eine am Autodach vergessene und nach dem Losfahren irgendwo heruntergefallene Brieftasche findet in Stöckls Buch ihren Besitzer wieder, da ein Straßenkehrer ihn anhand der Visitenkarten im Portemonnaie ausfindig macht. – Sogar einer 80-Jährigen wird geholfen, die an einem Freitagmittag ein bestelltes Gebiss auf der Zahnambulanz der GKK nicht mitnehmen darf, da überraschenderweise zuvor 61 Euro zu begleichen sind, die Patientin aber nur 51 Euro mithat und somit ein zahnloses Wochenende droht. Eine völlig unbekannte Frau gibt ihr die fehlenden 10 Euro und ist schon verschwunden, bevor Dank und Rückzahlung möglich sind. – Banale Geschichten? Nein! Denn im Kleinen fängt es an.

Die spontane Empathie mit Menschen, die nicht die Nächsten und nicht mal die Übernächsten sind, macht diese Engel des Alltags aus. Natürlich ist im Buch auch anderes zu lesen, von Fragen der Politik und aktuellen Ereignissen, von Papst Franziskus und seiner Kapitalismus-Kritik oder von Br. David Steindl-Rast und seinem Mantra der Dankbarkeit. Eine Systematik in der Anordnung der Mutmach-Geschichten unter die Kapitelüberschriften in „Was wirklich zählt“ ist für den Leser zwar kaum erkennbar. Aber das macht auch nichts, denn die einzelnen Texte – oft nur eine Seite lang – ermöglichen den Leseeinstieg an nahezu jeder Stelle des Buches. Die Grenze vom Persönlichen zum Privaten überschreitet Stöckl im Buch nie – auch wenn viele Erzählungen aus dem Leben der Autorin selbst darunter sind.

Die persönliche Meinung Stöckls zu den Geschichten – im Sinne von: Standpunkt, Appell, Emotion – lässt sich beim Lesen nicht wirklich erraten. Aber das macht eine gute Moderatorin schließlich aus. Sie lässt die Menschen sprechen und bringt – im Zuhören und Beschreiben – die Dinge an die Oberfläche und dort auf den Punkt. Die Übung ist gelungen: „Was wirklich zählt“ erzählt wunderbare Geschichten aus der Mitte des Lebens. Oder wie die Autorin selbst schreibt: „Es ist wichtig, immer wieder Geschichten von Menschen zu erzählen, die menschlich sind, Gutes tun, verantwortlich handeln, Solidarität leben, um Gerechtigkeit kämpfen.“

Zur Autorin

Barbara Stöckl,
geboren in Wien, studierte technische Mathematik. Seit 1981 als Fernsehjournalistin, -produzentin und -moderatorin (u. a. „STÖCKL“, „Doppelpunkt“ und „help tv“) tätig. Dreifache „Romy“-Preisträgerin als beliebteste Talkmasterin, Österreichischer Staatspreis für Journalismus im Interesse der Familien, Pressepreis der Ärztekammer, Humanitätspreis des Roten Kreuzes. Freie Journalistin, Ombudsfrau der „Kronen Zeitung“ und Buchautorin.

Cover: Was wirklich zähltBarbara Stöckl: Was wirklich zählt
Ermutigungen für jeden Tag.
Amalthea Signum 2017, 224 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3990500774, € 20,--

(aus dem KirchenBlatt Nr. 49 vom 7. Dezember 2017)