Beim diesjährigen Herbstsymposion der Katholischen Kirche Vorarlbergs stand Jesus Christus im Mittelpunkt.
von Ingmar Jochum
Für gläubige Menschen ist es schwer verständlich, aber: Jesus ist vielen Menschen fremd geworden, seine Bedeutung für die Lebensgestaltung wird kaum mehr gesehen. In der Liturgie kommt Jesus in routinierter Selbstverständlichkeit vor, eine explizit zum Ausdruck gebrachte Jesus-Beziehung findet sich jedoch vor allem bei evangelikalen Gruppen. Diese Entwicklung war der Anlass, Jesus Christus in den Mittelpunkt des diesjährigen Herbstsymposions der Diözese zu setzen. Mit dieser Veranstaltung startet die Katholische Kirche Vorarlberg traditionellerweise in das neue Arbeitsjahr.
Am Anfang stand die Frage: Für wen hältst du mich? (© gramm-productions.com)
Begegnen und helfen
Nach den einleitenden Worten von Roland Spiegel, Daniel Mutschlechner und Andrea Geiger trat Bischof Benno Elbs an das Rednerpult. Er betonte, dass er sehr erfreut darüber sei, dass das diesjährige Herbstsymposion zwei Tage die Person Jesu Christi in den Mittelpunkt stelle. Er erzählte von seinem Bibelstudium im Sommer und wie ihn dabei besonders interessiert habe, wie Jesus in Begegnung mit den Menschen gegangen ist, wie er ihnen geholfen hat. Und er zog den Vergleich, wie die Mitarbeiter:innen der Kirche ebenfalls Hilfesuchenden Unterstützung bieten können.
Den Dialog fördern
Das erste Referat des Tages „Jesus der Jude“ hielt der Schweizer Jesuit und Judaist Dr. Christian Rutishauser, ständiger Berater des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum. Er selbst sieht seine Aufgabe darin, christliche Spiritualität und den jüdisch-christlichen Dialog zu fördern. Er erörterte die Frage wer Jesus eigentlich war und wie wir als Menschen in Beziehung mit ihm treten können. „Wenn wir uns Jesus zuwenden, suchen wir das allgemein Menschliche. Der Glaube sagt: Gott ist Mensch geworden in ihm, damit alle Menschen einen Zugang finden. Die richtige Perspektive sei, nicht auf Jesus als Juden zu schauen, sondern sich mit ihm als Jude Gott zuzuwenden. Und so auch das Evangelium zu lesen.
Die Entstehung und Verbindung
Essentiell für die Entstehung des Christentums seien das Messiasereignis, Jesus als Person und als Auferstandener einerseits sowie die Tempelzerstörung 70 n. Chr. Dieser bedeutende Ort, an dem Gott präsent war, an dem die Liturgie gefeiert wurde, gab es nach dieser Tat nicht mehr. Es war die Zeit eines erzwungenen Neubeginns. Das galt für die messianische Bewegung genauso wie für das rabbinische Judentum. Und so entstanden die zwei großen Zwillingstraditionen, wie es Christian Rutishauser erläuterte. Es gelte, das Verbindende der Religionen, des Christentums und des Judentums, zu suchen und anzuwenden. Wenn wir also mit Jesus gehen wollen, müssen wir ihn eingebettet sehen in der Kirche und im jüdischen Volk.
Gesellschaftsprägende Kraft
„Ich bin davon überzeugt, das Christentum wird in der Zukunft nur eine gesellschaftsprägende Kraft haben, wenn wir wieder zu einer Sonntagskultur zurückfinden“, meinte der Schweizer. Als mögliches Zeichen aller Christinnen und Christen sieht er den Boykott der Geschäfte, die sonntags geöffnet haben. Es gelte sich auf diese Weise das Weihnachtsfest zurückzuholen.
Im Anschluss an die umfangreichen Ausführungen Rutishausers nahm er sich noch Zeit, einige Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Den Unterschied zwischen Bild und Ikone definierte er folgendermaßen: „Wir lernen als Kinder uns ein Bild von Gott zu machen. Als Erwachsener fehlt uns dieses Gottesbild. Wir sollten nicht zu sehr unseren Glauben verbildlichen. Sonst laufen wir Gefahr, Bilder wie Licht, Energie und dergleichen zu verwenden, was ein Rückschritt in der Ansprache an Gott ist. Wir sollten vielmehr ein analoges Bild prägen: z.B. Gott ist wie Licht, wie Energie. Eine Ikone dagegen ist ein Bild in abstrakter Form, ein Produkt mit der tiefen Auseinandersetzung mit Gott.
Andere Form des Gottesdienstes
Nach der Mittagspause ging es am Nachmittag dann mit einem Kontrastprogramm weiter. Die baptistische Theologin und Pastorin Mira Ungewitter sprach über ihre Form des christlichen Glaubens. Sie erläuterte, dass der bekannteste Baptist wohl der afro-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King jr. war und dass bei ihrer Form des Gottesdienstes auch schon mal ein Kaffee getrunken werden kann. Oder dass im Anschluss gerne auch Bier und Wein ausgeschenkt werde. Zudem verwies Ungewitter auf ihre Faszination für Inhalte der Bibel. Auf diese Weise könne man mit Menschen in Verbindung treten, die vor 2000 Jahren gelebt haben. Zum Abschluss las sie einen berührenden Text über die Auferstehung Jesu Christi.
Nochmal einen anderen Zugang zum Christentum und Jesus, fand dann der Spoken Word-Künstler, Lyriker, Songwriter und Podcaster Marco Michalzik. Seine Worte und Gedichte beeindruckten die Zuhörer:innen. Er sprach ganz offen über seinen Glauben, aber auch über seine Zweifel.
Am Dienstag näherte sich dann Rainer Oberthür der Person Jesu auf eine andere Art. Er stellt sich Fragen über jene Fragen, die Jesus in den Evangelien gestellt hat. „Es sind gezählt über 220“, erzählt Oberthür und auch, dass wir auf diesem Fragen-Meer lange – vielleicht ein Leben lang – weiterrudern können.